Kommentar
13:52 Uhr, 15.05.2020

Droht eine Jahrhundert-Deflation?

Sachwerte stehen gerade hoch im Kurs. Die Geldschwemme der Regierungen und Notenbanken wird für Inflation sorgen, so die Befürchtung. Was aber, wenn stattdessen eine Jahrhundertdeflation droht?

Es ist kein Geheimnis, dass die Wirtschaft im März, April und Mai massiv abgestürzt ist. Gegenüber dem ersten Quartal 2020, das bereits schwach war, dürfte die Wirtschaftsleistung um weitere 8-10 % einbrechen. Stand die Wirtschaftsleistung Ende des ersten Quartal z.B. noch bei 500 Mrd., so sind es Ende des zweiten Quartals nur noch 450 Mrd. Das sind gigantische Bewegungen.

Die Wirtschaftsleistung zeigt, wie viel nachgefragt wird. Die Wirtschaftsleistung ist die Summe aus Konsum und Investitionen im Inland. Beides beschreibt Nachfrage. Ist die Nachfrage sehr hoch und das Angebot begrenzt, steigen die Preise. Die Nachfrage bricht nun aber ein. Was da mit den Preisen geschieht, sollte klar sein: sie fallen.

Wie das aussehen kann, zeigt eine Gegenüberstellung der Kerninflation und des Wirtschaftswachstums in den USA (Grafik 1). Kerninflation und Wachstum verlaufen parallel. Das Wachstum läuft der Inflation dabei voraus. So ist absehbar, dass ab der zweiten Jahreshälfte ein deutlicher Einbruch der Inflation erfolgt, der sich bis 2021 oder sogar 2022 zieht.


Viele glauben trotzdem noch an Inflation. Das Argument: nicht nur die Nachfrage ist weggebrochen, sondern auch das Angebot. Das stimmt, beide Faktoren sind von der Krise betroffen. Die Nachfrageseite ist allerdings stärker in Mitleidenschaft gezogen worden. Konsum wurde teils durch den Lockdown verunmöglicht. Viele Produktionsstätten haben weiter produziert, wenn auch in geringerem Ausmaß.

Die Produktion kann auch schneller wieder nach oben gefahren werden als der Konsum. In den meisten Fabriken kann gemäß der Sicherheitsbestimmungen produziert werden. Der Konsum bleibt hingegen eingeschränkt, da die Menschenmengen begrenzt werden müssen.

Nicht zu unterschätzen ist auch ein anderer Faktor. Rohstoffpreise, vor allem Öl, sind in der Krise dramatisch eingebrochen. Fossile Brennstoffe machen je nach Land immer noch 6-10 % des Warenkorbs aus, aus dem die Inflation berechnet wird. Es ist daher kein Wunder, dass Ölpreis und Inflation parallel verlaufen (Grafik 2).


Rohstoffpreise und Nachfrageentwicklung sprechen für Deflation und nicht Inflation. Das dürfte uns wie nach der Finanzkrise jahrelang begleiten. Unternehmen und Regierungen saugen sich derzeit mit Schulden voll. Das hilft Unternehmen dabei, die Krise zu überstehen. Langfristig drücken die Schulden den finanziellen Spielraum für Investitionen. Investitionen sind eine wichtige Nachfragekomponente.

Die Datenlage spricht nicht einfach nur für Deflation, sondern gleich fallende Preise in einem Ausmaß, das es seit fast 100 Jahren nicht mehr gab. Ob es wirklich dazu kommt, steht auf einem anderen Blatt. Deflation ist dennoch sehr viel wahrscheinlicher als Inflation. Bei der Suche nach Sachwerten kann man sich Zeit lassen.

Clemens Schmale


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13 Kommentare

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  • Tüskendör
    Tüskendör

    @mariahellwig

    Ja, ich gehe auch insoweit mit, als das ich im Sommer Mowi-Lachs kaufen werde.

    Freizeit, Urlaub und Fun, also u.a. Smartphones, TV, Games werden m.E dennoch billiger werden. Time will tell.

    Aber -Aluhut auf und Satire an - einen Klimawandel gibt es doch nach Mehrheitsmeinung in diesem Forum gar nicht, einen ökonomisch relevanten dann ja schon mal ganz-und-gar-nicht. Wie geben wir jetzt wahlweise Bill oder den Chinesen oder sonstwem die Schuld? 😎

    16:05 Uhr, 17.05.2020
  • mariahellwig
    mariahellwig

    @Tüskendör

    Bitte die Listen von Plexiglas und Cashew-Kernen noch um Tomaten ergänzen... ;-) Der Nahrungsmittelbereich ist durch die Trockenheit(Klimawandel) und fehlende Arbeitskräfte doppelt gebeutelt.

    Herr Schmale geht von der falschen Annahme aus das die Produktion schneller wieder hochgefahren werden kann, als die Nachfrage steigt. Die Länder, die wie ChinaProduktionskapazitäten haben denken erst mal an sich selbst. Andere Länder, die globalisierte Lieferketten und alles "outgesourced" haben, kämpfen mit enormen Lieferzeiten. Lieferzeiten sind die Vorstufe einer Preiserhöhung. Viele Länder sind deindustrialisiert. Die USA wissen zwar wie man softwaregesteuerte Klunker entwickelt, können aber nicht mal mehr selbst Wattestäbchen produzieren.

    Vielleicht sollten sich die Anhänger beider Lager irgendwo in der Mitte treffen. Der Kompromiss sähe so aus, dass Güter die an Bedeutung verlieren stark im Preis erodieren werden, nachgefragte Güter aber deutlich im Preis anziehen. Ein enger Markt eben.

    10:51 Uhr, 17.05.2020
  • Tüskendör
    Tüskendör

    Hm, denke nicht, dass auf absehbare Zeit große Inflation droht, nur weil Plexiglas und Cashew-Kerne exorbitante Preissteigerungen aufweisen.

    Billig-Öl, globale (Massen-)Arbeitslosigkeit, Überproduktion (Autos/Flugzeuge, Klamotten) , fallende Immo-Preise etc stehen dem zunächst zu drastisch entgegen. Mir wäre Inflation sehr recht, weil Mensch mit Erfahrungswerten agieren könnte, sehe sie (leider) aber zunächst nicht. Öl wird mittelfristig mal temporäre (Schein-)Inflation vortäuschen, langfristig gehe stimme ich mariahellwig zu: Öl wird an Bedeutung verlieren.

    Die Minuszinswelt hat keine Erfahrungswerte, Ungemach droht von Steuer- und Abgabenseite, Gold ist noch steuerfrei (*) und vergrabbar wegschaffbar. Dividende ist der neue Zins, FAANG könnte ein paar Jahre doof laufen... - letzteres wäre neu und müssen wir noch lernen....

    18:42 Uhr, 16.05.2020
  • mariahellwig
    mariahellwig

    Ich glaube nicht an ihre Theorie der Deflation. Wenn man im Alltag genau hinsieht, sind die inflationären Tendenzen kaum zu übersehen.

    Entscheidender für die Beurteilung ist die Preisentwicklung bei Produkten die Umsatz haben und gekauft werden. Kurz die Nachgefragt sind. Die Preisentwicklung bei Gütern die zur Zeit niemand benötigt und somit nicht kauft, sind nur theoretischer Natur. Bei den gefragten Gütern kann man enorme Preisaufschläge finden, weil Lieferketten nicht mehr funktionieren. Der Markt ist eng geworden.

    Ich persönliche betrachte da eher mit einer sehr holzschnittartigen Rechnung die Entwicklung des Goldpreises. Und der ist über die letzten 5 Jahre im Durchschnitt ca. 8-9% jährlich gestiegen.

    Rohöl mag zwar dämpfend wirken, wird ab in den nächsten Jahren an Bedeutung verlieren. Vielleicht nimmt der Markt die zuerwartende Entwicklung zur Zeit vorweg.

    11:11 Uhr, 16.05.2020
  • Golun
    Golun

    Wenn die (Hyper)Deflation kommt, dann sind nicht nur die Aktien sondern auch das Papiergold zu teuer. Das dreistellige Szenario in Gold ist somit keine Fiktion mehr.

    17:56 Uhr, 15.05.2020
    1 Antwort anzeigen
  • Bigdogg0806
    Bigdogg0806

    und warum steigt dann Gold??

    16:44 Uhr, 15.05.2020
    1 Antwort anzeigen
  • Golun
    Golun

    Das stimmt schon, dann muß die Kiste auseinander fliegen.

    15:30 Uhr, 15.05.2020
  • Data75
    Data75

    Wenn das stimmt, müsste die Börse wie ein Stein fallen.

    14:45 Uhr, 15.05.2020
    2 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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