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Kommentar
15:30 Uhr, 24.09.2025

Dr. Spendigs Nachhaltigkeitssprechstunde – Der Carbon Footprint von Fonds: Was Ihr Geld wirklich bewirkt?

Servus und moin, moin allerseits aus München,

Den Begriff Carbon Footprint kennen Sie sicher aus Ihrem privaten Umfeld. Diverse Apps erlauben Ihnen, Ihren eigenen Footprint anhand von Informationen über Ihre Reisen, Arbeitsweg, Essverhalten usw. zu bestimmen. Aber wissen Sie auch, wie viel CO₂ sich in Ihrem Anlagedepot verbirgt?

Während Sie vielleicht bereits bewusst auf das Auto verzichten und regional einkaufen, könnten Ihre Fonds- und Aktieninvestments ziemlich schmutzig aussehen. Die Kennzahl, die hier Aufklärung liefern soll, ist der Portfolio Carbon Footprint. Der Carbon Footprint eines Fonds beispielsweise misst die Treibhausgasemissionen, die durch die Unternehmen verursacht werden, in die der Fonds investiert. Vereinfacht gesagt: Wenn Sie Anteile an einem Fonds kaufen, der in Kohlekonzerne investiert, dann tragen Sie indirekt zu deren CO₂-Ausstoß bei. Wobei CO₂ nicht ganz korrekt ist, denn auch andere Treibhausgase wie Methan können eine große Rolle spielen und werden in der Regel bei der Bestimmung des Carbon Footprint ebenfalls berücksichtigt.

Die Berechnung erfolgt dann meist über die sogenannte Portfolio-Methode: Die Emissionen jedes Unternehmens im Fonds werden entsprechend dem Investitionsanteil gewichtet und zusammengerechnet. Das Ergebnis wird häufig als CO₂-Intensität pro investierte Millionen Euro dargestellt.

Wie entscheidet man aber, was einen guten Fonds ausmacht? Welcher Carbon Footprint ist akzeptabel, welcher nicht mehr? Ich habe eine KI befragt und folgende Antwort erhalten: „Ein guter klimafreundlicher Fonds sollte einen Carbon Footprint von unter 100 Tonnen CO₂ pro einer Million Euro Investition haben – deutlich weniger als die 200-400 Tonnen herkömmlicher Fonds.“ Laut Aktienwelt 360 lag das durchschnittliche Volumen von Investmentfonds pro Kopf in Deutschland Ende 2022 bei etwa 17.000 Euro. Wären diese 17.000 Euro ausschließlich in „klimafreundliche Fonds“ investiert worden, würde der Durchschnittsdeutsche einen Portfolio Carbon Footprint von 1,7 Tonnen verantworten. Das wäre deutlich weniger als die ca. 10 Tonnen Carbon Footprint die jeder Deutsche im Schnitt real verantwortet.

Allerdings gibt es da ein kleines Problem: Wissen Sie, wo Sie den Carbon Footprint Ihres Fonds angezeigt bekommen? Nein? Komisch eigentlich. Gibt es da nicht die Offenlegungsverordnung, die Fondsanbieter zwingt, die wesentlichen nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen (darunter auch den Carbon Footprint) offen zu legen? Ja, da sind Sie auf der richtigen Spur. Einziges Manko dieser Regulierung – diese fordert keine Offenlegung des Footprints auf Produktebene, sondern auf Ebene der KAG. Dort werden die Footprints aller aufgelegten Fonds zusammengewürfelt, egal, ob diese klimafreundlich sind oder nicht. Daher ist das Resultat in der Regel unbrauchbar und taugt nicht für eine Einzelproduktbetrachtung.

Aber selbst, wenn Sie durch mühevolle Arbeit die Daten für einen einzelnen Fonds gefunden haben, schlägt wie immer bei Treibhausgasemissionen der „Elephant in the room“ zu: Die Datenqualität der Treibhausgasemissionen auf Unternehmensebene ist schlecht. Schauen wir uns das etwas näher an.

Bekanntermaßen werden Treibhausgasemissionen in drei Scopes unterteilt:

Scope 1 umfasst direkte Emissionen aus unternehmenseigenen Quellen – etwa der Fuhrpark oder die eigenen Produktionsanlagen. Diese Daten sind meist gut verfügbar, da sie oft bereits für andere Berichtspflichten erhoben werden.

Scope 2 betrifft indirekte Emissionen aus eingekaufter Energie wie Strom oder Wärme. Auch hier ist die Datenlage noch verhältnismäßig solide, obwohl bereits Schätzungen und Durchschnittswerte verwendet werden müssen und es verschiedene Ansätze der Berechnung gibt (Stichwort location-based und market-based Methode).

Scope 3 ist der wahre Problemfall: Hier geht es um alle anderen indirekten Emissionen entlang der Wertschöpfungskette – von den Rohstoffen über die Logistik bis hin zur Nutzung und Entsorgung der Produkte durch den Endverbraucher. Zunächst einmal unterscheidet sich dieser Scope konzeptionell von den beiden anderen Scopes, denn hier werden bspw. bei der Produktnutzung durch Endverbraucher Emissionen über mehrere Jahre geschätzt, während Scope 1 und 2 auf genau ein Jahr abzielen. Daher machen Scope 3-Emissionen oft 70-90% der gesamten Emissionen aus. Beim Carbon Footprint werden aber Scope 1, 2 und 3-Emissionen einfach addiert, was aus den oben genannten Gründen zu Verzerrungen der Resultate führt.

Datentechnisch ist Scope 3 zudem ein Albtraum. Viele Unternehmen schätzen ihre Scope 3-Emissionen nur grob oder lassen materielle Beiträge weg. So zeigt eine Studie von Refinitiv/LSEG aus dem Jahr 2024, dass die Datenqualität und Vergleichbarkeit von Unternehmensberichten in Hinsicht auf Treibhausgasemissionen mangelhaft sei. Es fehle ein klarer Konsens darüber, welche Kategorien als „material“ gelten sollen und die Offenlegungsraten seien niedrig: Nur 45 % der Unternehmen berichteten Scope 3-Daten, und davon weniger als die Hälfte über die relevanten Kategorien.

Die Folge: Zwei scheinbar identische Fonds können völlig unterschiedliche Carbon Footprints ausweisen, je nachdem, welche Daten die investierten Unternehmen reporten. Eine Vergleichbarkeit ist schlichtweg in der Regel nicht gegeben.

Was also tun? Mein Tipp: Vertrauen Sie dem Carbon Footprint eines Fonds nicht. Wenn Sie tatsächlich einen relativ geringen Carbon Footprint anstreben, reicht in der Regel eine einfache Regel: Bevorzugen Sie Fonds mit klaren Ausschlusskriterien für fossile Brennstoffe.

Auch wenn die Ausführungen oben zeigen, wie schwer das Thema Nachhaltigkeit im Detail ist, eines wünsche ich Ihnen auf jeden Fall: Bleiben Sie nachhaltig gesund!

Ihr Dr. Bernd Spendig

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