Kommentar
10:24 Uhr, 25.08.2011

Donau-Region auf der Erneuerbaren-Welle

Erwähnte Instrumente

Windstrom aus Rumänien? Solarenergie aus Bulgarien? In den Donauländern sind in den vergangenen Jahren mit Erfolg große Anstrengungen unternommen worden, um die Energiegewinnung aus Erneuerbaren aufzubauen. Doch ein überraschend schneller Ausbau der Kapazitäten hat auch in diesen Ländern zu einer Deckelung der Einspeisevergütung geführt.

Bulgarien hat beste Voraussetzungen zur Nutzung von Erneuerbaren

Eine zwölf Kilometer lange Straße ließen die bulgarischen Kommunisten ins Gebirge bauen, um an einem für die jüngere Geschichte Bulgariens historisch bedeutsamen Ort das monumentalste Denkmalsgebäude des Landes zu errichten. Während der Riesenbau auf einem Kamm des Stara Planina-Gebirges heute verwahrlost ist, hat die Straße ein Revival erlebt: Imposante Masten und Rotorblätter von Windkraftanlagen wurden auf ihr mittels Sattelschleppern von einer in der Nähe gelegenen Industriestadt herantransportiert. 1400 Meter hoch liegt der windgepeitschte Ort, an den sich selten Ausflügler verirren.

Genau hier hat der Schweizer Energiekonzern Alpiq Holding mittels seines bulgarischen Tochterunternehmens Vetrocom für umgerechnet 80 Mio Euro eines der größten Windkraftwerke Bulgariens errichtet – nicht nur wegen der hervorragenden Windverhältnisse, sondern vor allem auch wegen der guten infrastrukturellen Erschließung des Geländes. So liefern die 20 Windkraftanlagen, jede auf einem 85 Meter hohen Mast und mit einer Leistung von 2,5 MW sehr wirtschaftlich Strom.

Der bulgarische Staat hat den Ausbau der Erneuerbaren Energien nach Kräften unterstützt: Weil das Land mit Blick auf fossile Energieträger und Nuklearbrennstoff von Russland abhängig ist, räumt die Regierung den günstig verfügbaren und von keinem politischen Kalkül abhängigen Erneuerbaren eine wichtige Stellung ein. Das Bewilligungsprozedere etwa ist einfacher als in Westeuropa und auch die Bevölkerung stellt sich gegen Erneuerbare Energien nicht quer.

Von diesen besten Voraussetzungen hat bislang auch die Solarenergie profitiert: Mit Sonneneinstrahlungswerten zwischen 1.450 und 1.650 kWh/m2 liegen die Energieerträge des EU-Mitgliedstaates rund 30 Prozent über den mitteleuropäischen Durchschnittswerten. Die europäischen Richtlinien zu erneuerbaren und alternativen Energiequellen wurden beim EU-Beitritt 2007 in der bulgarischen Gesetzgebung verankert, der gesetzliche Rahmen ist an den europäischen Regelungen angelehnt. Bulgarien weist eine solide Einspeisevergütung samt Abnahmeverpflichtung auf, die garantierte Frist zum obligatorischen Ankauf der erzeugten Strommengen aus Solarenergie ist auf mehr 20 Jahre festgeschrieben.

Lothar Matthäus, Trainer der bulgarischen Fußball-Nationalmannschaft, schätzt die Investmentchancen bei Erneuerbaren Energien in Bulgarien und hat sich am bulgarischen Solarpark BulgarSol (Mindesteinlage 25.000 Euro) in der Nähe des Seebades Varna am Schwarzen Meer beteiligt. Anbieterin der Genussrecht-Beteiligung ist die Infinite Energy Deutschland GmbH, eine Tochter der Infinite Energy Holding AG mit Sitz in Düren bei Köln.

Das Projekt BulgarSol umfasst vier Photovoltaik-Anlagen mit einer Nennleistung von insgesamt fast 5 MWp. Die erwarteten Erlöse je erzeugter kWh betragen aufgrund der bulgarischen Förderung 0,37 Euro. Hieraus ergeben sich für den Solarpark voraussichtliche Gesamterlöse von circa 1,95 Millionen Euro jährlich.

„Ich glaube an Bulgarien. Dieses Land bietet nicht nur im Fußball ein enormes Entwicklungspotenzial. Die Menschen hier sind motiviert und ausgesprochen leistungsbereit“, begründet Matthäus sein Engagement.

Auch der Vorstandsvorsitzende der Infinite Energy Holding AG, Tjalling Halbertsma, freut sich über die persönliche Anteilezeichnung durch Lothar Matthäus: „Durch seine Bekanntheit in Deutschland schafft es Lothar Matthäus, dass viele Deutsche stärker auf Bulgarien aufmerksam werden und sich mit dem Land auseinandersetzen. Das hilft, mögliche Vorurteile abzubauen. Denn für viele Deutsche ist das kleine EU-Land noch immer eine große Unbekannte.“

Doch bevor der Ausbau der Erneuerbaren in Bulgarien so richtig in Gang gekommen ist und sich auch westeuropäische Anleger an lukrativen Investmentchancen beteiligen können, hat die bulgarische Regierung ihre Gesetzgebung überarbeitet: Im April 2011 wurde beschlossen, den weiteren Ausbau der Wind- und Solarenergie einzudämmen. Bislang seien Anlagen mit insgesamt 6.000 MW an installierter Leistung errichtet worden – laut Regierung zu viel für die bulgarische Netzinfrastruktur und offenbar auch zu viel für den schmalen Geldbeutel der Stromverbraucher, die die Vergütungsumlage tragen müssen.

Nach dem Willen der Regierung sollen jährlich weitere 2.000 MW an Zubau ausreichen, um das mit der EU vereinbarte Ziel von 16 Prozent Anteil Erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch im Jahr 2020 zu erreichen. Zudem soll die Dauer der garantierten Einspeisevergütung für Solarprojekte von 25 auf 20 Jahre und für Windkraft von 15 auf zehn Jahre gesenkt werden. Zusätzlich sollen die Einspeisetarife sinken.

In Rumänien entsteht der weltweit größte Inlandwindpark

Auch Rumänien hat die Mehrzahl der EU-Regelungen zu den Erneuerbaren Energien übernommen. Erneuerbare Energien machen derzeit in Rumänien aufgrund des traditionell hohen Nutzungsgrads der Wasserkraft einen Anteil von 27 Prozent an der Stromerzeugung aus. Strategisches Ziel der rumänischen Energiepolitik bis 2020 ist ein Anteil von 38 Prozent an Erneuerbaren.

Große Bedeutung wird vor allem der Windenergie mit einem gigantischen Potenzial von 14.000 MW zugemessen. Das Land hat ein hohes Windenergiepotenzial im Gebiet der Schwarzmeerküste, der Hochebenen von Moldova und Dobrogea sowie im Gebirgsland.

Nach einigen Startschwierigkeiten kommt das Windgeschäft inzwischen rasant in Schwung. Wie der Windenergieverband mitteilt, lag die installierte Windkraftkapazität 2009 bei 20 MW, bis Ende 2011 sollen es bereits 1000 MW sein. Die Hälfte dieser Leistung ist allein im Windpark „Tomis Team Dobrogea“ an der rumänischen Schwarzmeerküste installiert. Den derzeit größten Onshore-Windpark Europas hat der tschechische Konzern CEZ errichtet.

Weitere Big Player der Energiebranche stehen in den Startlöchern, um in Rumänien zu bauen. Österreichs größter Stromkonzern Verbund zählt zu den Investoren, auch der portugiesische Konzern Energias de Portugal und Enel Green Power, Ökostrom-Tochter des italienischen Stromkonzerns Enel. Das spanische Unternehmen Iberdrola will am Schwarzen Meer sogar den größten Windpark der Welt errichten: Die Kapazität soll 1600 MW betragen. Der deutsche Energieversorger E.ON plant den Bau dreier Windparks in der ostrumänischen Region Moldau, die zusammen immerhin 112 MW liefern sollen.

Weiteren Schwung soll die Windbranche durch eine Novellierung des rumänischen Gesetzes zur Förderung erneuerbarer Energien bekommen, wie Ende Juli gemeldet wurde: Das administrative Genehmigungsverfahren für Anlagen mit einer installierten Kapazität bis 1 MW soll deutlich vereinfacht werden.

So gigantisch wie das Windkraftpotenzial ist auch auch das Potenzial der bislang kaum genutzten Photovoltaik: Es wird auf 6.000 GWh/Jahr geschätzt. Der komplette Südteil des Landes und die Region Siebenbürgen zählen zu den Gebieten mit hohem Nutzungspotenzial.

Darüber hinaus bietet vor allem die Biomassenutzung sehr gute Entwicklungsmöglichkeiten: Rumänien hat einerseits einen hohen Anteil an Viehwirtschaft und Ackerbau, zum anderen steht aufgrund der ausgedehnten Waldgebiete ein riesiges Potenzial an Holz bereit.

Inwieweit sich die Donau-Region zum „grünen“ Stromlieferanten für Westeuropa mausern könnte, zeigt jüngst eine Energiekonferenz mit den Anrainer-Staaten der Donau unter der Führung von EU-Energiekommissar Günther Oettinger. Oettinger rief die Staaten mit ihren 115 Millionen Anwohnern Ende Juli in Stuttgart zu gemeinsamen Anstrengungen auf, mehr Strom in der Region zu produzieren und damit die Strompreise zu senken: Sie seien nach wie vor zu hoch, was, so Oettinger, den Ausbau der ansässigen Industrie behindere.

Oettinger forderte: „Wir müssen in dieser Region nicht nur verstärkt erneuerbare Energie erzeugen, sondern auch den Ausbau der Netze und der gemeinsamen Speicherkapazitäten vorantreiben.“ Zudem müsse der Wettbewerb bei der Energieerzeugung gestärkt werden, da es immer noch Regionen mit nur einem Energielieferanten gebe.

Der rumänische Vize-Außenminister Doru Costea hob auf der Konferenz hervor, sein Land sei in hohem Maß an einer einer grünen Wirtschaft interessiert. Zudem sei es aus Sicht Rumäniens wichtig, stärker die Länder an der Peripherie mit dem Zentrum Europas zu verknüpfen. Es sind wohl diese Verknüpfungsmöglichkeiten bzw. Import-/Exportchancen, die im Interesse der EU und vor allem Deutschlands liegen: In Deutschland fallen durch die Energiewende bedeutende Mengen an Stromerzeugungskapazitäten aus, etwa in der Größe der gesamten ungarischen Kapazitäten. Weil Deutschland diese Lücke nicht aus eigener Kraft schließen kann, muss es Strom importieren. „Auf einem Markt, wo das Produkt knapper wird, steigen jedoch die Preise“, argumentiert Marie-Theres Thiel, Vorstandsvorsitzende der Budapester Elektrizitätswerke ELMÛ.

„Es gibt natürlich in Europa überschüssige Stromerzeugungskapazitäten, insbesondere in Tschechien und in Frankreich. Dort laufen die Atomkraftwerke ja noch alle. Warten wir aber erst einmal den Winter ab, wenn es richtig kalt wird und mehr Strom benötigt wird, während jedoch etwa die Erzeugung aus Windkraft in Deutschland wegen der Wettersituation zurückgeht. Diese Situation wird sich preistreibend auf das europäische Strompreisniveau auswirken“, prophezeit ELMÛ-CEO Thiel.

Stillstand in Ungarn

Mit dem im vergangenen Jahr erfolgten politischen Wechsel in Ungarn hin zu einer Mitte-Rechts-Regierung wurde der Bau neuer Windenergieanlagen mit insgesamt 410 MW vorerst gestoppt und Investitionen von mehr als 500 Mio. Euro auf Eis gelegt.

Windenergie wird in Ungarn bislang kaum zur Stromgewinnung genutzt. Die bis Anfang 2010 installierten Anlagen haben eine Leistungsfähigkeit von zusammen lediglich gut 200 MW. Durch in Bau befindliche Anlagen ist die Gesamtkapazität bis zum Jahreswechsel 2010/11 auf 330 MW gestiegen.

Hinderlich für den Ausbau ist das von der Regierung eingerichtete strikte Aufsichtsregime, dem die Betreiber von Windenergieanlagen unterliegen. Es verlangt exakte Produktionsvorhersagen, die sich in der Praxis kaum einhalten lassen, so dass die Anbieter regelmäßig zu „Strafzahlungen“ herangezogen werden. Gegen dieses Regime ist ein Verfahren vor dem Verfassungsgericht anhängig. Die Anbieter fordern schon seit langem mehr Planungssicherheit.

Insgesamt sind die Rahmenbedingungen für den ungarischen EE-Energiesektor ungünstiger geworden: Die in den vergangenen Jahren erzielten Fortschritte bei der Nutzung Erneuerbarer Energien gelten als nur geringfügig. Ständige Änderungen der Rahmenbedingungen seien ein großes Hindernis, das nach dem jüngsten Regierungswechsel zunächst noch größer geworden ist.

Trotz des jetzigen Stillstands hat Ungarns Regierung betont, sie werde alles daran setzen, das für das Jahr 2020 vorgegebene 13-Prozent-Ziel für Erneuerbarer Energieträger am Primärenergieverbrauch zu übertreffen und schon bis 2014 die Windenenergienutzung „deutlich“ ausbauen. Die Regierung will die Abhängigkeit Ungarns von russischem Erdgas zudem durch den Ausbau der Atomkraftnutzung verringern.

Hintergrund für die schwierige Lage in Ungarn ist eine handfeste Wirtschaftskrise, die bereits 2008 - vor dem Zusammenbruch der Finanzmärkte – einsetzte: Ungarn musste milliardenschwere Hilfspakete des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Union in Anspruch nehmen, um einen Staatsbankrott abzuwenden.

Beteiligungsmöglichkeiten für Anleger

Aufgrund des gerade erst begonnenen Ausbaus der Erneuerbaren Energien zwischen Balaton und Schwarzem Meer halten sich Emissionshäuser mit Beteiligungsmöglichkeiten für private Investoren derzeit noch zurück. Die europaweiten Kappungsrunden für die Vergütung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen haben zudem viele Investoren verunsichert; ein Umstand, den Emittenten in ihrer Beteiligungsprogrammgestaltung berücksichtigen. Doch auch wenn Investmentchancen in den jungen EE-Märkten Bulgarien, Rumänien und Ungarn derzeit noch rar gesät sind, sollte nicht vergessen werden: Das riesige Potenzial für die Nutzung von Erneuerbaren Energien in der Donau-Region dürfte mittelfristig – wenn die politische und wirtschaftliche Lage weiterhin stabil bleibt und die entsprechenden Staaten zu Westeuropa aufschließen – attraktive Investmentmöglichkeiten bieten. Anleger, die sich für EE-Investments in den Donauländern interessieren, sollten die Region daher gut im Auge behalten.

Dieser Artikel ist in unserer Sonderpublikation "Nachhaltigkeit & Investment" erschienen. Weitere spannende Themen können Sie nach einer kurzen kostenfreien Anmeldung hier herunterladen.

Passende Produkte

WKN Long/Short KO Hebel Laufzeit Bid Ask
Keine Ergebnisse gefunden
Zur Produktsuche

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen