Doch alles wurscht an der Börse? Teil II
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Humorvoll lässt sich die Stichhaltigkeit des effizienten Marktes wie folgt beschreiben: „An economist is strolling down the street with a companion when they come upon a $100 bill lying on the ground. As the companion reaches down to pick it up, the economist says ´Don’t bother – if it were a real $100 bill, someone would have already picked it up´.“
Dieser Witz zeigt auf, wie es sein sollte, aber nicht ist. Wäre der Markt effizient, sollte niemand eine Outperformance generieren können - außer durch Zufall. Das liegt daran, dass alle verfügbaren Informationen bereits im Preis enthalten sind. Kurse werden bewegt, indem neue Information auftauchen und sofort eingepreist werden. Ein Vorteil entsteht dadurch nicht, da der Kurs einer Aktie zeitgleich mit der Informationsveröffentlichung auf das neue, faire Niveau steigt oder fällt.
Kollektive Intelligenz
Die Hypothese, dass alle verfügbaren Informationen im Kurs enthalten sind, ist richtig. So gesehen ist der Markt effizient und Informationen lassen sich tatsächlich kaum in eine Überrendite ummünzen. Die Überlegung hat nur einen Fehler: neue Information wird nicht einheitlich eingepreist. Der Interpretationsspielraum für Neuigkeiten ist gewaltig. Während der Kurs einer Aktie zwar sofort auf neue Information reagiert, korrigiert sich diese Ersteinschätzung meist oder kehrt sich gar um. Bis überraschende Unternehmenskennzahlen verarbeitet sind, können Wochen oder Monate vergehen. Solche Zeiträume sind an der Börse eine halbe Ewigkeit. Mehr als Zeit genug, sich dadurch Vorteile zu verschaffen.
Das Einpreisen von Information ist ineffizient und wo Ineffizienz besteht, kann eine Überrendite erzielt werden. Dabei müssen zwei Dinge unterschieden werden. Einerseits wird Information nicht einheitlich eingepreist, andererseits ist die Informationsverbreitung nicht perfekt. Letzteres ist eine der Prämissen für effiziente Märkte überhaupt. Obwohl es gar nicht notwendig ist, diese Annahme noch anzugreifen, beinhaltet deren Widerlegung doch einen ziemlich wichtigen Kernpunkt. Die Informationsverbreitung wird zwar immer schneller, aber augenblicklich und perfekt ist sie nicht. Selbst wenn sämtliche Information jedem sofort zur Verfügung stünde, wären die Interpretationen der Information noch immer uneinheitlich.
Noch sind wir nicht soweit, dass wir immer alle Information sofort erhalten. Neuigkeiten verbreiten sich vergleichsweise langsam. Aktien werden (ob legal oder nicht sei dahingestellt) nach guten oder schlechten Neuigkeiten zunächst von Insidern gehandelt, bevor noch irgendjemand sonst die Nachricht kennt. Nehmen wir an, es handelt sich dabei um überraschend schlechte Quartalszahlen. Bevor sie veröffentlich werden, haben einige Insider diese Information bereits und handeln vielleicht auch danach. Ein kleiner Kreis beginnt eine bestimmte Position einzunehmen. Das kann ganz legal und lange vor der Ergebnisveröffentlichung geschehen. Manager, Mitarbeiter, Kenner des Unternehmens, Kunden usw. können bestimmte Ereignisse erahnen. Mitarbeiter haben auf einmal weniger Arbeit, Kunden bemerken, dass im Gegensatz zu letztem Jahr die Aufträge sofort bearbeitet werden, Investoren, Analysten und sonstiger Kenner des Unternehmens bemerken eine gewisse Zurückhaltung der Manager etc. Alles deutet darauf hin, dass es nicht mehr so gut läuft wie noch vor einem Jahr. Lange Rede kurzer Sinn: das macht sich noch vor der Entstehung und Veröffentlichung der Quartalszahlen im Kurs der Aktie bemerkbar.
Ein solches Beispiel bot die Aktie von AMD. Der Chiphersteller musste im Juli seine Gewinnprognosen revidieren. Der Theorie nach hätte diese Information spontan, überraschend und vollkommen neu sein müssen. Der Kurs der Aktie begann allerdings schon zwei Monate vor dem bekannt werden der Meldung einen Abwärtstrend. Dass das kein Zufall ist, soll der Vergleich zur Benchmark Nasdaq und Intel sein. Man könnte ja vermuten, dass die Chiphersteller aufgrund der Konjunkturaussichten generell besonders sensibel reagieren. Intel bewegte sich aber vollkommen parallel zum Nasdaq 100. Mit anderen Worten: der Kurs einer Aktie beinhaltet teils einen erheblichen Anteil an Insiderinformation und bewegt sich bereits lange vor der Nachricht in eine bestimmte Richtung. Im Fall von AMD hat die Veröffentlichung der Neuigkeiten noch einmal zu einem Kurseinbruch geführt, keine Frage. Kernpunkt ist aber, dass die Preisanpassung schon lange vor der öffentlichen Information begonnen hat.
Der Markt hat immer Recht
Der Markt hat immer Recht, selbst wenn er falsch liegt. Dass der Markt teils grob daneben liegt, zeigen geplatzte Blasen. Exorbitante Kurssteigerungen und darauf folgende Crashs gibt es seit eh und je. Von Rationalität und Effizient kann da keine Rede sein. Blasen zeigen, dass der Wert eines Unternehmens nicht real sein muss. Wichtig ist lediglich der wahrgenommene Wert. Stellen Sie sich nur vor, Sie hätten die Solarworld Aktie 2005 um 5 Euro gekauft. Bis zum Hoch hätte sie sich noch verzehnfacht. Heute steht das Papier bei gut einem Euro. Beides ist ziemlich extrem. Nur weil es extrem ist, kann man ja aber trotzdem davon profitieren. Wenn der Markt 2008 meinte, die Aktie muss 53 Euro wert sein, wieso nicht? Es wäre fahrlässig eine solche Aktie bei 10 Euro zu verkaufen, weil das der eigentlich faire, intrinsische Wert sein sollte.
Buy and Hold ist besser als jeder Fonds
Ich bin nicht ganz abgeneigt diesem Statement zuzustimmen, allerdings aus anderen Gründen als die Anhänger des effizienten Marktes. Der Vergleich von Fonds und Indizes zeigt oft eine bessere Performance der Indizes. Folglich ist es sinnvoller einen Index zu kaufen und zu halten als einen Fonds. Die Überrendite von marktbreiten Indizes gegenüber Fonds ist jedoch als Beweis, dass jegliches Management zu einer schlechten Performance führt, untauglich. Fonds sollen zwar eigentlich die Instrumente sein, die gegenüber dem Markt einen Vorteil bringen, aber das ist auf lange Sicht so gut wie unmöglich. Das Managen von Fonds ist mit Kosten verbunden. Dazu zählen nicht nur die direkten Kosten wie Gehälter, sondern auch indirekte Kosten. Stellen Sie sich vor, sie sollten 20 Milliarden Euro verwalten. Mehr als 20 Positionen können und wollen Sie nicht halten. Die Positionsgröße liegt momentan bei 1.000.000.000 Euro. Um diesen Betrag kann man nicht einfach so von heute auf morgen Daimler Aktien kaufen. Das fällt auf und bewegt den Markt. Es dauert viele Tage oder gar Wochen bis eine solche Transaktion abgeschlossen ist. In dieser Zeit können Sie viel an Rendite nicht generieren. Wenn der Dax z.B. 15% in einem Jahr gewinnt, müssen Sie aufgrund der Kosten und Slippage vielleicht 18% oder mehr erwirtschaften, damit netto mindestens 15% übrig bleiben. Umgekehrt heißt das, dass ein Fonds der 80% der Marktrendite erzielt, gar nicht so schlecht ist und eigentlich seine Benchmark erreicht hat. Das ist natürlich keine Entschuldigung und es gibt keinen Grund, nicht dennoch mindestens die Marktperformance zu fordern.
Die Wahrscheinlichkeit eine Überrendite zu erreichen ist gering. Hat ein Fonds die „richtigen“ Werte gekauft, kann es lange dauern, bis wirklich die Outperformance zum Tragen kommt. Ein Fonds wird daher unregelmäßig den Markt schlagen können, aber selten kontinuierlich. Zudem können nicht alle Fonds besser als der Markt sein. Nehmen wir an, Fonds stellen 75% des Kapitals. Die Indizes, die den Markt repräsentieren, beinhalten z.B. 60% der Gesamtkapitalisierung. Es stellt sich die Frage, wie die verbleibenden 40% der Gesamtmarktkapitalisierung bei 75% des Kapitals zu einer besseren Performance führen sollen. Ich gebe zu, diese Rechnung ist sehr plakativ. Das Prinzip gilt nichtsdestotrotz.
Wer nicht permanent investiert ist, verpasst das Beste
Man liest es immer wieder: Die gute Performance wird oft in nur wenigen Tagen erzielt. Wer z.B. die besten 5 Tage eines Jahres verpasst, verliert 15% Gewinn. Wer also aktiv tradet oder quasi seinen eigenen Fonds managt, läuft Gefahr, die besten Handelstage aufgrund schlechten Timings zu versäumen. Dem ist nichts entgegenzusetzen. Es ist ärgerlich, wenn man gerade eine Position verkauft hat und just springt der Wert am nächsten Tag 5% in die Höhe. Wer immer investiert ist, hat dieses Problem nicht. Es wird jedoch gern verschwiegen, dass bei permanenter Investition der Anleger auch die schlechtesten Tage nicht verpasst.
Seit es den Dow Jones gibt, summieren sich die besten 5 Handelstage zu einem Plus von 67% auf. Die schlechtesten fünf Tage addieren sich zu einem Minus von 89%. Das Argument, man dürfe die besten Tage nicht verpassen und muss daher immer investiert sein, ist nahezu absurd. Die schlechtesten fünf, zehn oder zwanzig Tage eines Jahres, Jahrzehnts usw. repräsentieren fast immer ein größeres Minus als das Plus der besten fünf, zehn usw. Tage.
Kurse sind nicht autokorreliert
Die Wahrscheinlichkeit, dass das Vorzeichen der Kursbewegung morgen ein anderes ist als heute, ist ziemlich hoch. Der nachfolgende Chart zeigt die Korrelation der Vorzeichen von einem Tag auf den anderen. Das ist die zwischen 1 und -1 hin und her springende hellrote Line. Das sieht wirklich ziemlich unkorreliert aus bzw. man kann nicht wirklich feststellen, dass ein Plus heute auch ein Plus morgen bedeutet. Ein wenig anders sieht das aus, wenn man Zeiträume miteinander vergleicht. Die Frage lautet dann: Wenn die vergangenen fünf Handelstage ein positives Ergebnis gebracht haben, ist es dann wahrscheinlicher, dass die nächsten fünf Tage ebenfalls ein positives als negatives Resultat vorweisen? Die knappe Antwort dazu ist: Ja. Es kommt auf die Zeiträume an, die man miteinander vergleicht. Wer lange genug adjustiert, kann überraschende Resultate erzielen. In der Grafik ist der Korrelationskoeffizient von Kursen eines Monats mit dem Folgemonat dargestellt. Die Korrelation selbst ist recht volatil, aber nicht so sprunghaft, dass man von bloßer Beliebigkeit sprechen möchte. Aufwärtstrends im Dow zeigen einen ansteigenden Korrelationskoeffizienten. Fallende Kurse zeigen eine zunehmende negative Korrelation der Kurse zueinander. Ohne hier eine Aussage über die Signifikanz zu machen, könnte man das so interpretieren, dass in Aufwärtstrends die Kurse positiv miteinander korreliert sind, es also einen Vorteil für die Aussage „Was heute passiert, passiert auch morgen“ gibt. In Abwärtstrend sind Preise volatiler, d.h. „Was heute passiert, passiert nicht morgen.“ Ob man daraus wirklich einen Vorteil ableiten kann, sei dahingestellt.
Damit bin ich am Ende der Diskussion der wichtigsten Argumente gegen die Charttechnik. Meine ganz persönliche, vollkommen unseriöse Einschätzung kennen Sie wahrscheinlich inzwischen: Kurse werden von Menschen gemacht und menschliches Verhalten ist vorhersehbar.
Viel Erfolg
Clemens Schmale
Technischer Analyst bei GodmodeTrader.de
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