Kommentar
18:26 Uhr, 04.11.2002

DIT - Marktkommentar November

Das jüngste Herbstgutachten prognostiziert den konjunkturellen Dauerregen für das kommende Jahr in der Bundesrepublik. Mit einem durchschnittlichen Wachstumsplus von real 1,4% bleibt der Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt zum dritten Mal in Folge unter der so genannten Beschäftigungsschwelle, die mit ca. 2,3% angesetzt wird. Erst ab dieser Schwelle werden Arbeitsplätze geschaffen. Bleibt das Wachstum darunter, kommt es bestenfalls zum Stillstand. Dabei ist die Prognose im Gesamtkontext als optimistisch einzuschätzen und es verwundert nicht, dass es zu einem Minderheitenvotum kam, das von nur 0,9% ausgeht:
- Inwieweit der US-Verbraucher den Wachstumshoffnungen nachkommt, muss sich erst noch erweisen. Von ihm werden gerade aber auch die für die Bundesrepublik erwarteten Exportzuwächse abhängen.
- Der Effekt der Kaufkraftabschöpfung, der von den geplanten Steuererhöhungen ausgeht, lässt sich beim Konsum quantitativ gut erfassen. Dass die damit einhergehende Verunsicherung ebenfalls erfasst werden kann, bleibt fraglich. Die Konsumenten müssen sich darauf einstellen, dass es am Arbeitsmarkt zu weiteren Belastungen kommen wird. Gleichzeitig wird vermeldet, dass Steuer und Abgabenerhöhungen kaum ausreichen dürften, um die Defizite auszugleichen. Bei der Ausweitung der Rentenversicherungsbeiträge inklusive der Bemessungsgrundlage wird dies besonders deutlich.
Immerhin: Im Euroraum dürften die Wachstumsraten höher liegen. Der private Konsum entwickelt sich stabiler, die Konjunkturen der Nachbarstaaten hängen weniger an den Exporten. Der gemeinsame, sich nach der Volksabstimmung der Iren erweiternde
Währungsraum zahlt sich für die Exportnation aus.
Trotzdem: Neidischer Blick über den großen Teich? Auch dort wachsen die Bäume nicht mehr in den Himmel. Der jüngste Rückgang des Konsumentenvertrauens erinnert daran. Was fasziniert, ist die Flexibilität, mit der die Ökonomie auch mit schwachen Phasen umgeht. Der Arbeitsmarkt reagierte unmittelbar mit dem 2000 einsetzenden Wirtschaftsabschwung. Die Lohnstückkosten sanken, die Arbeitsproduktivität stieg. Der Kostendruck auf der Unternehmensseite wurde gemildet. Jetzt der große Blick nach vorne. Was sich abzeichnet, ist ein auf beiden Kontinenten flacherer Wachstumspfad, wobei die USA das Euroland übertrumpfen dürften. Der Konjunkturpfad ist steinig, die Begleitmusik dissonant. Es ist die Stunde der Ökonomen.

In den USA tauchte u.a. der "Leading Indicator" weiter ab, der ISM-Einkaufsmanagerindex für September sank, im Euroland zeigte der jüngste Ifo-Geschäftsklimaindex, dass für die Bundesrepublik auch im vierten Quartal wenig zu erwarten ist.
Dazu ein Herbstgutachten, das den Dauerregen prognostiziert. Bei den Unternehmensgewinnen kam es zwar zu einer ganzen Reihe positiver Überraschungen, aber der Blick nach vorne bleibt getrübt (s.S. 7-9). Eigentlich war er kein guter Monat, der Oktober. Eigentlich. Selbst bei den Unternehmensgewinnen ergaben sich im Saldo mehr Revisionen nach unten als nach oben.
Trotzdem: Nach einer schwachen ersten Hälfte startete zur Monatsmitte ein regelrechter Bullenmarkt. In den USA und Europa drehten die Märkte kräftig ins Plus. Bei den Sektoren brachen besonders Technologie, Telekom und Finanzen im Monatsvergleich nach oben aus. Ansatzweise zeichnete sich eine Sektorenrotation ab, welche die eher defensiven Branchen ins Hintertreffen
geraten ließ. Insgesamt kam es zum Dreh raus aus Staatsanleihen, rein in Aktien. Die Renditen in den langen Laufzeitenbereichen stiegen. "Trigger" für die positiven Entwicklungen waren u.a. Unternehmensnachrichten von SAP und Yahoo, aber auch von einigen Finanzdienstleistern, welche die Bären auf dem falschen Fuß erwischten. Ein überverkaufter Markt, der kurz vor einer depressiven Abwärtsspirale stand, reagierte "technisch": Shortpositionen mussten geschlossen werden. "Jahresendrally" war vereinzelt zu hören. "Hedgefonds" - ein Wort, das flüsternd die Runde machte.

Späte Sonne im Oktober, die am Ende aber doch von einem US-Verbrauchervertrauen verdunkelt wurde, welche das Tief vom 11. September unterschritt. Kommt es jetzt zum ...
... November Rain?
Der Finanzmarkt selbst scheint eine Fortsetzung des Altweibersommers nicht auszuschließen.
Was auffällt: Eine Reihe von Marktindikatoren hat sich deutlich verbessert. So ist die Volatilität an den Aktienmärkten gesunken, die Swapspreads, jener Renditeaufschlag von Swapzinsen gegenüber Bundesanleihen, der auf Verspannungen am Finanzmarkt hinweist, hat sich wieder eingeengt. Selbst Gold- und Ölpreis sind gesunken. Wobei beim Öl die moderateren Töne des US-Präsidenten zum Irak den Ausschlag gegeben haben dürften. Aber bereits am Geldmarkt wird es uneindeutig. Mit der Bullenphase am Aktienmarkt wichen dort zunächst die Zinssenkungsfantasien, wie sich aus den Terminkursen errechnen lässt. Signal: EZB und Fed haben keinen Handlungsbedarf mehr - so zumindest die Erwartungen. Ein Bild, dass nicht lange halten sollte. Zum Monatsende waren die Zinssenkungen bereits wieder "eingepreist". Die Konjunkturhoffnungen schienen verflogen, das Schielen auf das billige Zentralbankgeld beginnt wieder. Vorsicht bei der Konjunktur ist unverändert angebracht. Nur: (Zentralbank-)Geld alleine macht nicht glücklich.

Konjunktur
- Das vierte Quartal wird in den USA deutlich schwächer ausfallen als noch das dritte. Der private Konsum lässt an Dynamik nach, die Investitionen bewegen sich auf negativem Terrain. Mit Blick auf den alten Kontinent dürften sich Wachstums- und Strukturdebatten wieder verschärfen.

Taktische Asset Allocation
- An einem Finanzmarkt, der aus der technischen Reaktion heraus gelebt hat, deren Treibsätze (Unternehmensgewinne) an Dynamik verlieren, lässt dies eine wieder steigende Attraktivität der Anleihen gegenüber Aktien erwarten. Die Aktienquote bleibt daher in der Gesamtallokation untergewichtet.

Aktien: Regionen & Branchen
- Europa: Die Bundesrepublik macht das Problem schwachen Wachstums bei ausbleibenden Reformen deutlich. Die Übergewichtung wird in Richtung Null egalisiert. Noch sprechen allerdings die Bewertungen für den alten Kontinent. Allerdings haben die auf Basis der Gewinnerwartungen für 2003 geschätzten Kursgewinnverhältnisse eine nur eingeschränkte Aussagekraft, da die Daten des Datenbankanbieters IBES noch Revisionen erwarten lassen. Nach unten.
- Die USA wird von untergewichten auf neutral verändert. Das Wechselkursrisiko hat sich, nicht zuletzt durch die steigenden Haushaltsdefizite im Euroraum und die damit entbrannte Diskussion um den Stabilitäts- und Wachstumspakt, relativiert. Die Flexibilität am Arbeitsmarkt wird in Form gestiegener Produktivität und gesunkener Lohnstückkosten deutlich. Allerdings: Die KGVs auf aktueller Basis weisen den Markt im Vergleich mit dem Euroland als merklich teurer aus.
- In einem defensiven Gesamtszenario wird die Regionenstrategie mit einer Bevorzugung von Valuewerten umgesetzt. U.a. rücken der dit-Vermögensbildung Europa (WKN: 848 181)und der US Equity Fund A (WKN: 982 304) ins Blickfeld.
- Japan wird untergewichtet. Die jüngsten Indikatoren verstärken das Bild einer Ökonomie, die nach einem kurzen Frühling in den Winter übergeht. Auf längere Sicht machen die geplanten Reformen des Finanzsektors Hoffnung. Auf dem Weg dorthin müssen aber noch einige Stolpersteine genommen werden.
- Bei den Branchen halten wir den nichtzyklischen Sektoren die Treue: Pharma, Gebrauchsgüter (nicht-zyklischer Konsum) und Versorger.
- Der Energiesektor bleibt ein Ausnahmefall. Seine Entwicklung ist eng verbunden mit dem Ölpreis. Dieser bekam zuletzt einen Dämpfer. Verständlich. Das Risiko eines Irak-Krieges ist etwas zurückgegangen, die Ölvorräte sind gut aufgefüllt, die Risikoprämie konnte sinken. Unter der Erwartung wieder steigender Ölpreise, sobald das Irak-Risiko zunimmt, bleibt Energie ein Tradingsegment.

Währung & Renten
- Bei den Währungen bleibt die Präferenz für den Euro bestehen. Zwar hat sich das Abwertungsrisiko des Dollar gegenüber der Zwölferwährung nicht zuletzt wegen der Debatte um den Stabilitätspakt abgeschwächt, aber es besteht in der Kasse und bei den Anleihen kein Grund, ein Wechselkursrisiko einzugehen. Die Euro-Zinsstrukturkurve liegt über die gesamten Laufzeitenbereiche über der US-Kurve.
- Da die Zinsfantasien aktuell wieder in den Kursen sind, ist das kurze Ende unattraktiv. Die längeren Laufzeiten bleiben solange übergewichtet, bis die Anleihen wieder neue Impulse aus einem nervösen Aktienmarkt erhalten.

Quelle: dit

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