dit - Bonds are back
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Bonds are back. Mit dem Platzen der "TMT-Blase" sind "Bonds" (Anleihen) wieder in. Die Performance spricht für sich: Über die Jahre 2000 bis in den Herbst 2002 hinein waren sie die klaren Sieger im Kampf um Rendite. Doch: Wohin geht die Reise? Haben Anleihen weiterhin eine Zukunft? Können Sie an die Erfolge der letzten Jahre anknüpfen? Oder ist es vielleicht sogar schon höchste Zeit die Gewinne einzuloggen, da Kursverluste zu befürchten sind? Was neben der langen Periode der relativen Outperformance von Aktien gegenüber Anleihen auffällt, ist das im langfristigen Trend gesunkene Renditeniveau bei Staatsanleihen. Lagen die Renditen Anfang der 90´er Jahre auf beiden Seiten des Atlantiks noch zwischen 8 und 9%, rutschten sie bis in den Herbst des Jahres 2002 in den USA in Richtung 4% oder sogar darunter. 1994 kam es zu einem deutlichen Ausreißer nach oben - das Jahr des "Bondcrashs": Die Renditen stiegen, die Kurse der Anleihen fielen entsprechend. Aber auch dabei wurden die alten Renditehöchststände nicht mehr getestet, und über den Rest der 90´er Jahre hinweg ging es trendgemäß weiter abwärts. Die dazwischen liegende Wellenbewegung spiegelt die Jahre guter Konjunktur wider. Und jetzt? Ist die Party vorbei? Eine sich verstetigende Konjunktur mit einem Shift der Investorengelder im Gefolge, würden dafür sprechen. Nicht zu vergessen: Die Inflation ist das über den Anleihenmärken schwebende Dauergespenst. Ob es am Ende wieder zu neuem Leben erwacht? Im Folgenden werden die europäischen und der US-amerikanische Markt für Staatsanleihen im Hinblick auf diese Fragen durchleuchtet.
Zinsstrukturkurve im Blick
Die Überlegungen setzen entlang der gesamten Zinsstrukturkurve an. Die Entwicklung der Renditen muss dabei nicht gleichgerichtet sein:
- Die kürzeren Laufzeiten am Geldmarkt werden maßgeblich von den Zentralbanken bestimmt. Zinssenkungen bzw. Anhebungen greifen hier unmittelbar durch.
- Mit zunehmenden Laufzeiten sinkt der Einfluss der Währungshüter. Wachstumsund Inflationserwartungen bestimmen überwiegend das Renditeniveau. Alle Laufzeiten werden dabei, direkt oder indirekt über die Auswirkungen auf die Geldpolitik, von der Entwicklung der Konjunktur und der Preise beeinflusst.
Konjunktur: Auf ohne Schwung
In der Summe erwarten wir für die USA ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes von 2%, das Euroland wird, gebremst durch das Wachstumsschlusslicht Deutschland, darunter bleiben. Das bedeutet, dass beide Währungsräume unterhalb ihres Potenzialwachstums und unterhalb der beschäftigungsschaffenden Wachstumsschwelle bleiben werden. Folge: Die Produktionskapazitäten werden nicht vollständig ausgeschöpft. An den Arbeitsmärkten bleibt das Risiko eines preistreibenden Lohndrucks gering. Gleichzeitig können auch die Realzinsen, welche die Kapitalknappheit widerspiegeln, niedrig bleiben.
Inflation: Gespenst mit Magersucht
Vor diesem konjunkturellen Hintergrund bleiben die Inflationsaussichten günstig. Zu einer preistreibenden Überhitzung wird es nicht kommen. Wichtig bleibt der Ölpreis. Er beeinflusst die Preisentwicklung maßgeblich. Eine ganze Reihe von Gründen spricht dafür, dass der Ölpreis im kommenden Jahr nicht drastisch über den für 2002 zu erwartenden Durchschnittspreis von 24-25 US-Dollar je Barrel hinaus schießen wird:
- Der jetzt schon hohe Ölpreis macht die Exploration auch von Ölfeldern mit höheren Förderkosten rentabel.
- Einige OPEC-Staaten selbst haben eine niedrige Kapazitätsauslastung, das erhöht den Anreiz von den vereinbarten Förderquoten abzuweichen. Bei der schon jetzt festzustellenden Überproduktion der OPEC-Staaten wird das Festhalten an den vereinbarten Quoten ohnehin die Schlüsselfrage für den Ölpreis in 2003 werden.
Risiko: Irak-Krieg
Bleibt das Risiko eines Irak-Krieges. Im Falle eines Angriffs dürfte der Ölpreis weniger aufgrund eines nachhaltigen Angebotsausfalls (die freien Kapazitäten großer Anbieter sind mehr als ausreichend, um einen Produktionsausfall im Irak aufzufangen) als vielmehr aus psychologischen Gründen deutlich steigen. Mengeneffekte sind kaum zu erwarten, aber Preiseffekte, d.h. es gibt keinen Versorgungsengpass. Da es auch große freie Produktionskapazitäten außerhalb der OPEC gibt, der Kampf um Marktanteile derzeit sehr intensiv geführt wird und zudem viele Ölanbieter auf die Öleinnahmen angewiesen sind, ist auch nicht mit einem weitreichenden Embargo zu rechnen. Bis Mitte 1990 schwankte der Ölpreis in einem Band von 10 bis 20 US$. Aufgrund des Golfkrieges stieg der Brent-Preis drastisch an. Ein Vergleich mit dem Golfkrieg Anfang der 90´er Jahre kann einen, wenn auch bedingten, Aufschluss geben. Gegenüber dem 1.7.1990 (16,4 US$), also vor dem Angriff der USA auf den Irak, stieg er in der Spitze auf 41,4 US$. Ein Anstieg um mehr als 150%. Im Januar 1991, als sich ein Ende der Krise abzeichnete und andere Ölproduzenten eine ausreichende Versorgung des Marktes sicherstellten, sank der Preis wieder unter die 20 US$-Marke je Barrel der Sorte Blent. Kommt es zu einem Angriff, wäre mit einem deutlichen Ausbruch des Ölpreis aus der angestrebten Preisrange nach oben zu erwarten. Spätestens wenn klar wird, dass die Kampfhandlungen zeitlich begrenzt ablaufen und es zu keinem Flächenbrand kommt, ist jedoch damit zu rechnen, dass sich die Preise wieder zurückbilden. Dabei muss einberechnet werden, dass sich schon jetzt eine "Kriegsfurchtsprämie" in den Preisen befindet, d.h. ein Teil eines möglichen weiteren Anstiegs wurde bereits vorweg genommen.
Was machen die Zentralbanken?
Das Federal Reserve Board wie die Europäische Zentralbank setzten im Herbst mit einer Zinssenkung von jeweils 50 Basispunkten ein deutliches Zeichen. Das wichtigste Signal dabei: Was geldpolitisch zu tun war, wurde getan. Zinsspekulationen entbehren ab jetzt der Nahrung. Aber muss es dabei auch bleiben? Von Seiten der Preisstabilität droht kaum Gefahr. Wichtig für die Gesamtsicht ist es jedoch zu verstehen, dass beide Zentralbanken zwar als wichtigstes Ziel die Sicherung der Preisniveaustabilität haben, aber sehr unterschiedliche, geldpolitische Leitbilder verfolgen. Während die EZB eine Regelbindung, ausgerichtet an den beiden Kenngrößen "erwartete Preisentwicklung" und Geldmengenentwicklung vorgibt, verfolgt die Fed eine "diskretionäre", d.h. eine nicht an Regeln gebundene Geldpolitik. Die Zwölfer-Zentralbank hat sich dabei einen jahresdurchschnittlichen Preisniveauanstieg von max. 2% bei einer Ausweitung der Geldmenge M3 von 4,5% zum Ziel gesetzt. Bei einer erwarteten Entwicklung der Preise von weniger als 2% sorgt nur M3 für Kopfzerbrechen. Die breit gefasste Geldmenge verfehlte mit Anstiegen von zuletzt über 7% ihre Zielvorgabe deutlich. Schematisch betrachtet, hätte die EZB die Zinsen anheben müssen, um die Ausweitung der Geldmenge einzudämmen. Dass sie genau das Gegenteil tat, liegt in der Geldmenge selbst begründet: Diese wird von einer Ausweitung der kurzfristigen Einlagen inklusive der Geldmarktfonds geprägt, während sich die Kreditvergabe noch eher unterdurchschnittlich verhält. Ergo: Entwarnung. Der stärker als erwünschte Anstieg der Geldmenge ist ein Zeichen der konjunkturellen Schwäche: Gelder werden geparkt, statt investiert. Solange die Pferde vor der Liquiditätstränke der Zentralbank stehen und nicht saufen, ist die Liquidität selbst kein Problem für das Preisniveau. In einem konjunkturell ruhigen Umfeld, in dem die Liquidität nicht abfließt, kann sie auch nicht zu einer preistreibenden Überhitzung führen. Was die EZB allerdings beachten muss, sind die innerhalb der EWU auseinander laufenden Inflationsraten. Der harmonisierte Verbraucherpreisindex für das gesamte Währungsgebiet verdeckt die Tatsache, dass z.B. die Inflationsraten in Spanien und Italien deutlich über ihrem Zielwert liegen.
Politik der ruhigen Hand
Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die EZB auf Sicht der nächsten Quartale eine Politik der ruhigen Hand verfolgt. D.h.: Keine weiteren Zinssenkungen mehr, dafür aber ein langsames Hineintasten in den Konjunkturpfad. Bestätigt sich dieser, fährt sie über das kommende Jahr geradeaus. Nur bei einer weiteren Abschwächung dürfte sie erneut zum Handeln gezwungen sein.
Fed: Der große Freund der Häuslebauer
Die Fed verfolgt eine ausgesprochen diskretionäre Geldpolitik und toleriert, wie die Vergangenheit zeigt, auch höhere Inflationsraten. Was dabei nicht übersehen werden kann, ist die Tatsache, dass sie mit dem kurzen Ende der Zinsstrukturkurve deutlich stärker auf die Konjunktur einwirken kann als die EZB. Anders als auf dem alten Kontinent erfolgt die Refinanzierung von Hypothekarkrediten mittels einer kurzfristigen Refinanzierung. Jede Zinssenkung verbilligt die Zinslast der Häuslebauer. Das schafft Kaufkraft bei den privaten Konsumenten und fördert den Bau neuer Eigenheime - und damit das Wachstum. Die bereits erfolgten Zinssenkungen führten am Geldmarkt nicht nur zu historisch niedrigen Zinsen, sondern ließen die Realzinsen am Geldmarkt bereits unter Null und damit noch unter die Realzinsen am Geldmarkt in Japan fallen.
Bei der Fed ist zu erwarten, dass auch sie keine weiteren Zinssenkungen mehr in der Pipeline hat: Sie darf den Immobilienmarkt nicht durch billiges Geld weiter anheizen. Gleichzeitig macht sich auch hier bemerkbar, dass die Liquidität kaum abfließt: Die Geldmenge M3 wächst, trotz der gesunkenen Zinsen, nur noch mit verminderten Raten. Damit ergibt sich folgendes Bild:
- Während sich bei der EZB eine länger andauernde, ruhige Hand am Zinszügel abzeichnet, ist bei der Fed im Verlauf der zweiten Jahreshälfte des nächsten Jahres ein langsames Zurücknehmen der Niedrigzinsen zu erwarten.
- Beide Zentralbanken haben aber bereits erklärt, dass sie bei Bedarf auch weiter senken können. Dieser Bedarf kann bei einer schwächer als erwarteten Konjunkturentwicklung entstehen oder in einem depressiven Finanzmarktumfeld, etwas in Folge eines eskalierenden Irak- Konfliktes.
- Bei den kurzen Laufzeiten ist daher die Wahrscheinlichkeit eines Abweichens nach unten deutlich am größten.
Und das lange Ende?
Die längeren Laufzeiten profitieren gleichermaßen von dem ruhigen Konjunkturpfad, der keine Inflation aufkommen lässt. Das hält die Renditen zunächst stabil und lässt über 2003 hinweg nur geringe Anstiege erwarten. Bei unveränderten Geldmarktsätzen bringt dies eine steiler werdende Zinsstrukturkurve mit sich. Eine Entwicklung, welche durch wieder an Attraktivität gewinnende Aktienkurse begleitet wird. Eine gegenüber dem Vorjahr um ca. 10% gesteigerte Emissionstätigkeit des US- und der EWU-Schatzämter ist in diesem Umfeld verkraftbar und lässt keinen signifikanten Ausbruch der Renditen nach oben erwarten. Allerdings unterliegt diese Schätzung noch Risiken:
- Ein sich ausweitender Krieg gegen den Irak würde das US-Staatsdefizit stärker als unterstellt steigen lassen.
- Kommt das Wachstum den Erwartungen nicht nach, bringt dies sinkende Steuereinnahmen mit sich. In diesem Fall käme es zu einer höheren als der unterstellten Emissionstätigkeit. Die gute Nachricht dabei (zumindest für die Rentenmärkte): Sowohl ein sich verschärfender Irak-Konflikt als auch eine schwächere Konjunktur sind gut für die Rentenmärkte. Sie würden den negativen Effekt höherer Anleiheemissionen mehr als nur kompensieren.
Summa Oeconomica
- Bei Bonds heißt es: Back to the Future: Auch 2003 haben die Rentenmärkte noch Zukunft. Ein "Rentencrash", wie etwa im Jahr 1994, ist weder in den USA noch im Euroland zu erwarten.
- Bis in das zweite Halbjahr hinein bleiben die Geldpolitiken von Fed und EZB "on hold", wobei die Wahrscheinlichkeit weiterer, zinspolitischer Lockerungen im Umfeld eines noch nicht gefestigten Konjunkturpfades bei beiden Kontinenten gegeben ist.
- Erst über das zweite Halbjahr hinweg ist die Fed wieder gefordert. Es ist zu erwarten, dass sie zeitlich vor der EZB mit der Einsteuerung einer wieder rigideren Geldpolitik beginnt und die Zinstreppe in kleinen Schritten nach oben besteigt.
- Konjunktur- und Preisentwicklung halten die langen Laufzeiten stabil. Solange die Aktienmärkte noch volatil sind, ist hier temporär noch mit Kursgewinnen zu rechnen. Entlang des Konjunkturpfades steigen dann die Renditen langsam wieder, wobei Konjunktur- und Inflationsentwicklung für einen "Deckel" bei 5% im Laufzeitenbereich von zehn Jahren sprechen.
- Bei einem verbleibenden Abwertungsrisiko des US-Dollars und aktuell höheren Renditen europäischer gegenüber US-amerikanischer Staatsanleihen, ist der europäische Rentenmarkt deutlich attraktiver.
Quelle: dit
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