Kommentar
10:43 Uhr, 02.07.2008

Dinge, die uns interessieren : Die EU, der "Beck", die EZB

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Zwei meiner Lieblingsthemen: Europa und Flat-Tax, prasselten dieser Tage auf mich ein. Die Iren haben per Volksabstimmung den Vertrag von Lissabon abgelehnt. Unnötig zu erwähnen, dass die 26 Bevölkerungen der anderen Mitglieder der europäischen Union nicht an die Urnen dürfen. Deswegen ist es auch reichlich albern darüber zu lamentieren, dass „3 Mio. über das Schicksal von 500 Mio. entscheiden“ (Wolfgang Schäuble). Einen so wesentlichen Schritt wie die Europäische Verfassung kann man nur mit der direkten Zustimmung des Volkes gehen, unsere mehrstufig repräsentative Demokratie besitzt dafür nicht annähernd genug Legitimation. Statt also die Iren zu kritisieren, sie unter Druck zu setzen und sogar eine EU ohne Irland zu planen sollten unsere Eurokraten lieber begreifen lernen, dass das Volk der Souverän ist. Und diesem reicht es ganz einfach: Genug Integration, genug Bürokratie, genug Steuerungswahnsinn. Freihandel, Niederlassungs- und Reisefreiheit und einheitliche Währung – das ist es, was die Bürger an der EU schätzen. Und mehr brauchen wir auch nicht!

Zu den Steuern: Lehrstunde durch SPD-Chef Kurt Beck! Ein linker Politiker führt die progressive Besteuerung selber ad absurdum, ohne es zu merken. Es geht um folgendes: Der Kinderfreibetrag soll evtl. erhöht werden. Dieser vermindert (übrigens auch alle Werbungskosten wie z.B. die Kilometerpauschaule) das zu versteuernde Einkommen, und – oh Wunder – wer einen höheren Grenzsteuersatz zahlt, der „profitiert“ von der Erhöhung des Freibetrags mehr als jemand, der weniger oder gar keine Steuern zahlt. Das liegt nun mal in der Logik der Perversion des Steuerrechts namens „Progression“. Beck sagt nun: „Uns ist jedes Kind gleich viel wert“. Natürlich, wer mag da zunächst widersprechen! Die Grundlage der Besteuerung muss aber das Einkommen sein, das nach Abzug aller arbeitsrelevanten Kosten und des Grundfreibetrags übrig bleibt. Und der Kinderfreibetrag entspricht nun mal dessen Grundfreibetrag. Ich könnte jetzt hier noch stundenlang argumentieren, am Ende kommt aber immer das gleiche raus: Wenn Beck und Konsorten ihre eigenen Gedankengänge erst nehmen, landen sie bei einer Flat Tax: Dann ist tatsächlich jedes Kind gleich viel wert, weil jeder den gleichen Steuersatz zahlt!

Der Euro tastet sich ganz langsam wieder vorwärts in Richtung der alten Höchststände. Grund dafür dürfte unter anderem sein, dass die EZB noch für den Sommer einen Zinsschritt nach oben signalisiert. Damit möchte man der unangenehm werdenden Inflation Einhalt gebieten. Da die USA ihrerseits wohl eher auf dem jetzigen Zins-Niveau bleiben werden – dort ist das Wirtschaftswachstum faktisch bei fast 0 angekommen – öffnet sich also die Zinsschere nochmals, was tendenziell den Euro stützt.

Einerseits ist die Entschlossenheit der Europäischen Zentralbank bewundernswert. Andererseits muss man sich schon fragen, ob man mit Zinserhöhungen die Haupt-Inflationstreiber in den Griff bekommt – Energie und Nahrung. Bisher hat es den Ölpreis jedenfalls wenig gestört, dass im größten Verbraucherland der Welt (USA) das Wachstum quasi zum Stillstand gekommen ist. Wenn die EZB nun über den Zinsmechanismus auch noch versucht, die europäische gesamtwirtschaftliche Nachfrage einzudämmen, scheint mir das wiederum den Preis des Öls erneut kaum zu tangieren. Aus Sicht der Euopäer hat man es mehr oder weniger mit exogegen Faktoren zu tun, deren Preis man selber kaum beeinflussen kann. Nun könnte man den geplanten Zinsschritt dennoch nachvollziehen, wenn es wenigstens eine geldmengengetriebene Inflation der Preise von Vermögensgütern gäbe. Aber gerade das ist eben jetzt nicht mehr der Fall – im Gegenteil. Europaweit fallen Immobilienpreise und Aktien. Kurzum: Es sieht so aus, als ob man momentan einer Art von Inflation ins Auge sieht, derer man mit der traditionellen Zinspolitik nicht mehr Herr wird. Sie hat einen ähnlichen Geschmack wie die bereits tot geglaubte Stagflation (Stagnation+Inflation) der 70er Jahre. Denn während es in Asien noch richtig brummt, ist in den USA ja bereits tote Hose und die Prognosen sehen auch für Europa deutlich nachlassende Wachstumsraten.

Worauf können wir hoffen? Nun, der hohe Ölpreis hat zumindest eine segensreiche Wirkung: Noch nie wurde so wild entschlossen an Alternativen geforscht; gleichzeitig werden fieberhaft neue Ölreserven exploriert. Die geplante Aufhebung des Förderverbots vor der US-Küste ist dafür ein Beispiel, die kommende Erschließung der gigantischen Vorkommen in der Arktis ebenso. Das dauert zwar alles noch, aber das Problem wird so oder so gelöst werden. Der Ölpreis schießt derweil noch wild hin und her, das ändert aber nichts an den Tatsachen: Das Öl-Zeitalter geht in großen Schritten seinem Ende entgegen, und je schneller der Preis steigt, desto fixer sind wir vom Diktat der Petroindustrie befreit.

Beste Grüße,

Daniel Kühn - Chefredaktion Tradersjournal

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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