Kommentar
07:30 Uhr, 01.03.2007

Digitale Optionen: Hebel extrem

Gewöhnliche Optionsscheine haben im Derivatemarkt stark an Marktanteilen verloren (siehe auch den Artikel hierzu in dieser Ausgabe). „Digitale Optionen“ dagegen haben sich, v.a. dank der Firma ClickOptions, einer Tochter der französischen Großbank Société Generale (nähere Infos zu ClickOptions unter ([Link "http://www.godmode-trader.de/clickoptions" auf www.godmode-trader.de/... nicht mehr verfügbar]), als starke Nische etabliert. Die digitalen Optionen von ClickOptions laufen maximal 6 Wochen und es stehen 60 Basiswerte zur Auswahl.

Digital – was bedeutet das im Zusammenhang mit Optionen?
Den Begriff „digital“ kennen Sie wohl überwiegend aus dem Computerbereich. Er bezeichnet jedoch lediglich den Fakt, dass es zwei (digi) mögliche (End-)Zustände gibt: Eine digitale Option wird am Ende ihrer Laufzeit (oder je nach Ausstattung auch davor) entweder wertlos oder schüttet einen vorher festgelegten Betrag aus (analog zum Computer: 0 oder 1). Eine gewöhnliche Option dagegen kann, je nach Entwicklung des Basiswertes, theoretisch unendlich viele Endzustände einnehmen.

Einführung in die Welt digitaler Optionen
Um Ihnen die Funktionsweise digitaler Optionen etwas näher zu bringen entfernen wir uns kurz von der Börse und betrachten ein (anderes?) Glücksspiel: Das Würfeln.
Angenommen Sie dürfen dreimal würfeln. Wenn Sie mindestens einmal eine 6 schaffen, erhalten Sie 100 EUR. Wenn Sie kein einziges Mal eine sechs würfeln, verlieren Sie Ihren Einsatz. Wieviel EUR würden Sie maximal setzen?

Wahrscheinlichkeiten: Das A und O bei digitalen OptionenDazu muss man zunächst die Wahrscheinlichkeit berechnen, mit der Sie erfolgreich sein werden. In diesem Fall erfolgt die Ermittlung über die Gegenwahrscheinlichkeit. D.h. man errechnet in unserem Beispiel die Wahrscheinlichkeit, dass man kein einziges mal die sechs erwischt, und zieht diesen Wert von 1 bzw. 100% ab.
Die Chance, bei einmal Würfeln keine sechs zu erwischen, ist genau 5/6. Somit ist die Wahrscheinlichkeit, dreimal hintereinander zu verlieren bei (5/6)³ = 57,8%. Die Gegenwahrscheinlichkeit liegt somit bei 100%-57,8%=42,2%. Mit dieser Wahrscheinlichkeit werden Sie mindestens einmal eine sechs würfeln und damit das Spiel gewinnen.

Konsequenzen aus den WahrscheinlichkeitenWas fängt man nun mit diesem Prozentsatz an? Statistiker rechnen diese Wahrscheinlichkeit in einen Wert um, den man Erwartungswert nennt: Hier also 42,2%*100 EUR = 42,2 EUR. Die erwartete (also mit Wahrscheinlichkeit gewichtete) Auszahlung aus dem beschriebenen Würfelspiel beträgt daher 42,2 EUR. (Lassen Sie sich dabei nicht davon in die Irre leiten, dass die tatsächliche Auszahlung nur 100 oder 0 sein kann – hier geht es um Wahrscheinlichkeiten!) Und das ist auch exakt die Summe, die man maximal setzen sollte. Wenn der Spielveranstalter keine gezinkten Würfel benutzt, wird er auch keinen geringeren Einsatz akzeptieren. Denn er würde auf Dauer verlieren. Allerdings könnte er aus Unwissenheit auf einen geringeren Einsatz hinnehmen. Hier gibt es durchaus Parallelen zur Börse: Denn nicht jeder hat den gleichen Kenntnisstand…

Die Börse: Etwas anderes als Würfeln…
Bei perfekten Würfeln kann man eine objektive Wahrscheinlichkeit ermitteln, mit der man gewinnen oder verlieren wird. Die Börse als komplexes System macht es einem da leider nicht so leicht. Viele Faktoren spielen eine Rolle: Allgemein Volatilität, unerwartete Ereignisse, Unternehmensnachrichten etc. Der Emittent einer digitalen Option, als Preissetzer, muss all diese Möglichkeiten einfließen lassen und eine Wahrscheinlichkeit errechnen, mit der ein bestimmtes Ereignis eintritt.

Beispiele
Zunächst erläutern wir Ihnen die Terminologie der wichtigsten digitalen Optionen (wiederum bezogen auf ClockOptions).
HitHi: Innerhalb der Laufzeit wird ein oberer Schwellenwert erreicht (analog HitLo).
EndHi: Am Ende der Laufzeit(!) liegt der Basiswert über dem Schwellenwert (analog EndLo)
StayHi: Der Kurs bleibt während der gesamten Laufzeit oberhalb eines Schwellenwertes (analog StayLo)
Tunnel: Die Kurse bleiben während der Laufzeit innerhalb einer oberen und unteren Schwelle. Beim Lasso muss das nur am Laufzeitende so sein.

Wichtig: Jeweils bezogen auf die Schlusskurse!

Beispiel: Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels (02.03.2007) liegt die EADS-Aktie bei 23,52 EUR.
Eine HitLo-Option mit Schwelle bei 22,20 EUR und Fälligkeit 16.03.2007 kostet 42,63 EUR (Geldkurs 38,63 EUR). D.h. der potenzielle Nettogewinn liegt 57,37 EUR oder 134,57%, falls der EADS-Schlusskurs bis Ende der Laufzeit einmal unter 22,20 EUR lag. Das entspricht einem Kursverlust der EADS von nur 5,6%. Der Verkauf der digitalen Optionen ist natürlich jederzeit möglich, ohne die Auszahlung abzuwarten, allerdings ist der Spread relativ hoch.

TJ-Fazit:

Digitale Optionen sind eine hochinteressante Derivateform.
- Als einziges Produkt am Derivate-Markt kann man ihnen eine implizite Eintrittswahrscheinlichkeit für ein Ereignis direkt ablesen.
- Die Schwankungen können extrem sein, besonders gegen Ende der Laufzeit und wenn sich das Underlying in der Nähe der Schwellenwerte befindet.
- Der Spread zwischen Bid und Ask ist relativ groß, weil das Risiko des Emittenten hoch ist.

Quelle des Artikels: www.traders-journal.de

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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