Kommentar
08:33 Uhr, 16.08.2018

Dieser Angst-Chart macht die Runde: Droht wirklich Gefahr für Aktien?

Der Markt ist gerade etwas unruhig. Da passt ein neuer Angst-Chart, der herumgereicht wird. Und was ist davon zu halten? Kurz gesagt: nichts. Aber worum geht es dabei überhaupt?

Der Chart, um den es geht, soll zeigen, wie unglaublich hoch bewertet US-Aktien derzeit sind. Ich bin der letzte, der sagt, dass Aktien aktuell günstig sind. Trotzdem muss man die Kirche im Dorf lassen. Der Chart suggeriert nämlich, dass heute alles noch viel schlimmer ist als zur Jahrhundertwende.

Zur Jahrhundertwende hatten wir die Mutter aller Aktienblasen. Der Neue Markt war alles. Gewinne mussten Unternehmen nicht schreiben. Alles egal. Hauptsache, am ersten Handelstag des Börsengangs wurden 70 % Gewinn erzielt. Jeder konnte reich werden. Usw.

Heute soll also angeblich alles noch viel schlimmer sein! Betrachtet man den Angstchart (Grafik 1), wird klar, dass die Bewertung heute tatsächlich mindestens so hoch ist wie damals. Das Verhältnis aus Preis und Umsatz (Marktkapitalisierung zu Umsatz) liegt heute bei 2,2. Man bekommt einen Dollar Umsatz, indem man 2,2 Dollar bezahlt.

Rein intuitiv macht das nicht viel Sinn. Wer ist schon so dumm und zahlt für einen Dollar ein Vielfaches? Nun, wir alle sind so dumm. Das Verhältnis lag zuletzt 2009 bei weniger als 1. Anleger zahlen im Durchschnitt für den Umsatz immer ein Vielfaches. Das ist bis zu einem gewissen Grad auch in Ordnung.

Wer längere Zeit investiert ist, zahlt mit seinem Investment von 2,2 pro einen Dollar Umsatz ja Umsätze von mehreren Jahren. Über die Zeit kommt da ganz schön etwas zusammen. Viel wichtiger als der Umsatz ist aber, wie viel Gewinn damit erwirtschaftet wird. Es hilft ja nicht, wenn wir für 10 Dollar Umsatz lediglich 50 Cents zahlen, aber auf die 10 Dollar Umsatz ein Verlust von 5 Dollar geschrieben wird. Das ist ein schlechter Deal.
Zahlen wir hingegen 2,2 Dollar für 1 Dollar Umsatz, machen dafür aber 20 Cents Gewinn, dann ist das kein schlechter Deal. Bei der heutigen Marktbewertung wäre das sogar ein richtig guter Deal.

Kurz gesagt: es kommt auf die Marge an. Die Marge ist heute relativ hoch (Grafik 2). Sie wird dank der Steuerreform in diesem Jahr in den USA möglicherweise ein neues Rekordhoch erreichen. Die Marge wäre dann 3x so hoch wie zur Jahrhundertwende. Das setzt die Sache wieder etwas ins Verhältnis.

Die Marge, die Unternehmen heute auf ihren Umsatz erzielen, ist viel höher als damals. Damals machten Unternehmen wenig Umsatz und verloren dabei Geld. Heute wird nicht unbedingt mehr Umsatz geschrieben, dafür aber das Dreifache verdient. Die Bewertung darf also durchaus höher sein.

Von dem Angstchart ist wenig zu halten. Er vergleicht nur das Preis/Umsatz-Verhältnis ohne auf die Margen Rücksicht zu nehmen. Das verfälscht das Bild gehörig.

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2 Kommentare

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  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Merkwürdigerweise hat Buffetts Birkshire Hathaway rekordhohe Cashbestände in Höhe von 110 Milliarden USD aufgebaut. Man kann daraus schließen, dass der Starinvestor nicht so recht weiß, wohin mit all den Milliarden. Am "Angstchart" muss das gar nicht liegen, aber an der Tatsache, dass wirkliche Börsenschnäppchen derzeit eben kaum zu finden sind...

    13:16 Uhr, 17.08.2018
  • Dukedario
    Dukedario

    Die Steuerreform schlägt im 2018 stark auf die Gewinne der Unternehmen durch.Im Jahr 2019 schwächt sich der Effekt erheblich ab.Da die Börse 6-9 Monate der Wirtschaft vorausläuft,ist es jetzt die Zeit ein mögliches Topbildungsmuster der US Indizies frühzeitig zu erkennen.

    09:55 Uhr, 16.08.2018

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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