Die Zukunft in der Glaskugel
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"Die Zukunft hat viele Namen: Für Schwache ist sie das Unerreichbare, für die Furchtsamen das Unbekannte, für die Mutigen die Chance" (Victor Hugo)
Das kurze Zeitalter der "New Economy" (1995 bis 2000) war eine mutige Zeit. Der Glaube an den unbegrenzten Horizont der Zukunft war groß. Alles schien möglich. Man sagt, die New Economy sei gescheitert. Das ist nicht wahr. Dieses Zeitalter legte den Grundstein für zwei maßgebliche Entwicklungen. Einerseits breitete sich das Internet wie eine Krake über die Welt aus. Andererseits entwickelte sich eine Mobiltelefonie, die ihren - vorläufigen - Höhepunkt in der Entwicklung von Smartphones fand.
Eine Vielzahl von New-Economy-Unternehmen scheiterten oder blieben in ihrer Bedeutung zurück. Unternehmen wie Google, Facebook, Amazon.com und Apple nutzten ihre Chance. Ob im "Eisenbahnrausch" vor 150 Jahren oder im "Autorausch" vor 100 Jahren: Auch damals blieben nur wenige Gewinner übrig.
Jetzt - gegen Ende des Jahres 2012 - überwiegen die Furchtsamen. Der DAX steigt um 20 Prozent. Noch vor einigen Jahren hätte es dafür Jubelarien in der Presse gegeben. Jetzt: Nichts. Die meisten Anleger - sofern es sie noch gibt - reagieren unbeeindruckt. Hauptsache, das Geld liegt sicher auf dem Tagesgeldkonto, steckt in einer neuen Immobilie oder befindet sich in Form einer Anleihe beim Staat. Rendite ist "wurscht". Die Angst vor der Schuldenproblematik lähmt.
Während die Mutigen in der Zukunft ihre Chance sehen und die Furchtsamen negativ in die Zukunft blicken, haben die "Schwachen" nicht das Gefühl, eine Zukunft zu haben. Sie haben resigniert. Oder sie weichen aus. Von Griechenland nach Australien, von Portugal nach Brasilien, von Spanien in andere Teile Südamerikas. Oder jeweils nach Deutschland. Juan Carlos, der König des einstmals so stolzen Kolonialreiches, schickte jüngst einen Hilferuf an die Adresse südamerikanischer Staaten. Man möge bitte helfen, Spaniens Wirtschaft zu retten.
Jeder Leser mag sich selbst testen, welcher Gruppierung er sich angehörig fühlt.
Wie wird sie denn nun, die Zukunft?
Anti-Tech? Wohl nicht. Das Technologie-Momentum, welches zwischen 1995 und 2000 einen Schub erhalten hat, dürfte anhalten und uns möglicherweise selbstfahrende Autos, eine autonomere Energieversorgung und eine Weiterentwicklung der Smart-Phone-Kultur bringen. Nur Joggen müssen wir weiterhin selber, diese Arbeit nimmt uns keine Technologie ab.
Kriegerisch? Eine derart lange Friedensphase wie von 1945 bis heute ist für Kern-Europa historisch betrachtet selten. Die Europäische Union sollte in der Lage sein, den Friedenszustand zu erhalten. Die USA dürften mittelfristig das Interesse am Nahen Osten verlieren. Die wachsende eigene Ölproduktion macht es möglich. China dürfte in den kommenden Jahren nicht davor zurückschrecken, seine Einflusssphäre zu verteidigen bzw. auszuweiten. Nach 20 Jahren unbändigen Wachstums sind die Backen aufgeblasen. Japan ist der langfristige Verlierer in Asien.
Betrachtet man die Liste für Kriegsgründe, so spielt das Streben nach wirtschaftlichen Vorteilen eine entscheidende Rolle. Religiöse, politische oder ideologische Gründe verbergen sich häufig dahinter, auch wenn Kriegsgründe natürlich vielschichtig sind. Von einem Krieg hätte China wirtschaftliche Nachteile zu befürchten. Aus diesem Grund gelten angeschlagene Länder als kriegsbereiter.
Müssen wir Angst vor der Zukunft haben?
Eine der größten Errungenschaften der industriellen Revolution und deren Folgen war die Ausweitung des "Mittelstandsbauchs". Eine ähnliche Entwicklung erfolgt derzeit in China und andere asiatischen Wachstumsregionen. Die Besitzlosen werden zu Besitzenden. Ein großer Mittelstand bei nur noch geringen Wachstumsraten (alte Industriestaaten) bedeutet eine steigende Anzahl an Menschen, die unter Verlustängsten leiden. Angst löst Aktionen aus (z.B. den Kauf von Gold, von Versicherungen etc). Man investiert in einen Schutzpanzer. Rüstungsausgaben waren schon immer kostspielig und binden Kapital, dass anderswo als Investment arbeiten könnte. Das unterschiedliche Sentiment in den alten Industriestaaten einerseits und in den aufstrebenden Wachstumsregionen andererseits dürfte vorerst erhalten bleiben. Vielleicht sollten wir Europäer einfach lernen, mit der Angst zu leben, die bei geringen oder negativen Wachstumsraten automatisch auftritt. Das Wort "Zuversicht" wird immer seltener - zu selten - benutzt.
Wie entwickelt sich die Börse?
Die Zukunft ist nicht vorhersehbar, das gilt auch für die Börse. Und doch liefern historische Verläufe Anhaltspunkte. So verlief das Jahr 2012 in den ersten drei Quartalen börsentechnisch wie ein normales US-Wahljahr. Eine gravierende Abweichung ergab sich erst im November (folgender Chart).
Wir können auf eine mehr als 200jährige Verlaufsgeschichte des Dow Jones Index zurückblicken (vor 1896 zurückgerechnet). In dieser Geschichte kam es immer mal wieder vor, dass Dekaden ähnlich verliefen. So z.B. die Dekade der 1900er Jahre und die Dekade der 1970er Jahre.
Ob nun die 2010er Dekade dem dargestellten Muster folgt, sei dahingestellt. Aber es dürfte eine grobe Orientierung sein. Als Erfahrungswert lässt sich sagen, dass die zweite Hälfte einer Dekade gegenüber der ersten Hälfte meist besser läuft. US-Rezessionen treten gehäuft zu Beginn einer Dekade auf. Wir gehen davon aus, dass die Aktienmärkte - und sei es nach einem zähen Jahr 2013 - die Chance haben, in eine Aufwärtsbewegung überzugehen, die den nunmehr 12 Jahre alten Bärenmarkt hinter sich lassen sollte.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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