Kommentar
17:49 Uhr, 15.06.2021

Die Zinsen bleiben erstmal unten

Zinsen wollen nicht nur nicht steigen, sie fallen weiter. Daran wird sich vorläufig nichts ändern.

Am 30. März veröffentlichte ich einen Artikel mit dem Titel „Zinshoch für diesen Konjunkturzyklus bereits erreicht?“ Das bisherige Zinshoch wurde am 31. März erreicht. Dem Artikel ist auch zu entnehmen, dass ich mir nicht sicher war, wie schnell die Zinsen zu fallen beginnen würden. Das fast taggenaue Timing war mehr Zufall. Die Tendenz zu fallenden Zinsen war es nicht. Der Grund gerade Ende März ein Zinshoch zu vermuten, war technischer Natur. Innerhalb weniger Wochen stieg die Rendite 10-jähriger US-Anleihen (T-Note) um fast einen Prozentpunkt. Ein solcher Anstieg der Zinsen bedeutet auf der Kehrseite, dass die Anleihen gefallen sind. Der T-Note Future fiel von einem Hoch bei 140 auf 130. Der Großteil dieses Abverkaufs fand innerhalb kurzer Zeit statt. Anleihen wirkten überverkauft. Gleichzeitig spekulierten viele Anleger auf steigende Zinsen. Als die Zinsen nicht mehr stiegen, sondern fielen, kamen Anleger in Bedrängnis. Sie mussten ihre Shortpositionen auf Anleihen eindecken. Das hat den Prozess beschleunigt und zuletzt dazu geführt, dass die Zinsen auf 1,45 % fielen.

Ein Großteil dieser technischen Gründe sollte abgearbeitet sein. Werden die Zinsen deswegen nun wieder steigen? Immerhin spricht der Inflationstrend ja eigentlich dafür.

Dagegen spricht ein anderer Faktor: China. China ist für die Weltkonjunktur inzwischen fast so wichtig wie die USA oder die gesamte Eurozone. China ist zwar vor allem als Exporteur bekannt, doch es importiert Waren im Wert von 200 Mrd. Dollar – jeden Monat. China hat einen gigantischen Rohstoffhunger, importiert viele Zwischengüter und Computerchips.

Der Importbedarf hängt davon ab, wie stark die Regierung der Wirtschaft Wachstum auf Kredit erlaubt. Seit Jahren befindet sich die Wirtschaft in einem Stop-and-Go-Modus. Die Verschuldung ist hoch, daher wird regelmäßig gebremst. Während der Coronakrise wurde nicht gebremst, sondern gestützt. Der Kreditimpuls zeigte nach oben. Nun wird wieder gebremst.

Das hat globale Folgen. Die Einkaufsmanagerindizes in Europa und den USA sowie der Auftragseingang sind mit dem Kreditimpuls stark korreliert. Das gilt auch für die Zinsen in den USA. Erlaubt China schnelleres Kreditwachstum, steigen in den USA die Zinsen (Grafik 1).


Aktuell zeigt der Impuls nach unten. Damit wird auch der Anstieg der US-Zinsen gebremst (Grafik 2). Man kann davon ausgehen, dass China weiter bremsen wird. In den nächsten Monaten sollte daher der Anstieg der T-Note Rendite bei Null liegen. Das würde einer Rendite von einem Prozent entsprechen.

Eine absolut exakte Wissenschaft ist das nicht. Ich kann mir irgendwie selbst nicht vorstellen, dass die Zinsen in den USA auf 1 % sinken könnten. Die Ende März eingegangene Shortposition wird angesichts dieser Umstände jedoch gehalten. Bei einer Rendite von 1,6 % setzte ich einen Stopp.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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