Analyse
14:44 Uhr, 17.04.2014

Die Welt der Candlesticks - Fluch oder Segen?

Wer sich tiefergehend mit dem Börsenhandel und der Technischen Analyse beschäftigt, stößt früher oder später auf exotisch klingende Begriffe wie „Doji“, „Morning Star“ oder „Three White Soldiers“. Diese stammen aus der Welt der Candlesticks - also der Analyse und Deutung von Kerzenmustern. Funktioniert das wirklich?

Glaubt man der Candlestick-Lehre können zukünftige Kursbewegungen anhand fester Kerzenformationen abgeleitet werden. Sie sollen also helfen, einen Wahrscheinlichkeitsvorteil zu erkennen und in einen realen Gewinnvorteil zu überführen. Wir haben uns wissenschaftlich mit der Thematik auseinandergesetzt und die Thesen statistisch untersucht.

Nachfolgend wollen wir eine Auswahl typischer Kerzenformationen genauer analysieren und den entstehenden Gewinnvorteil mathematisch quantifizieren – auf gut Deutsch, wir wollten wissen, was funktioniert beim Trading und was nicht?

Dabei werden sämtliche Untersuchungen zur Vereinfachung auf Basis des bekannten Währungspaares EUR/USD im Tageschart durchgeführt. Die Ergebnisse können aber durchaus auch auf andere börsengehandelte Basiswerte und andere Zeitebenen übertragen werden.

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In diesem Tageschart des EUR/USD finden Sie eine Auswahl markanter und typischer Kerzenformationen mit ihren Bezeichnungen nach J. J. Murphy.

Hinweis: Mein Kollege Stefan Salomon beschäftigt sich intensiv mit dem Trading nach den Candlesticks – regelmäßige Analysen und Informationen dazu finden Sie auf seinem kostenlosen Guidants-Desktop.

Den Anfang bildet eine Serie von drei abfallenden Kerzen („Three Black Crows“), die den Beginn eines deutlichen Kursrutsches bilden. Es folgt ein „Harami +“-Muster, welches von einem Kursanstieg begleitet wird. So setzt sich die Reihe mit weiteren markanten Formationen fort.

Es bleibt die jedoch Frage: Gibt es tatsächlich statistisch belegbare Kursentwicklungen nach bestimmten Kerzenformationen?

Um diese Frage zu klären müssen wir zunächst einmal Musterformationen definieren und anschließend ein mathematisches dafür Kriterium aufstellen, um so die „Ähnlichkeit“ zu diesen Musters zu quantifizieren. Eine 3-Kerzen-Formationen wird durch 12 Kurswerte und damit Zahlen beschreiben (3*Open, 3*High, 3*Low und 3*Close). Als mathematisches Untersuchungskriterium bietet sich die „Korrelationsfunktion“ an, welche eine Zahl zwischen „-1“ und „+1“ liefert und uns ein Maß für die „Güte“ der Übereinstimmung liefert. Ein Beispiel zeigt die folgende Abbildung:

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Musterbeispiel: Die ersten drei Kerzen bilden das Formationsmuster. Die folgenden drei Kerzen stammen aus dem EUR/USD-Tageschart beginnend mit dem 23.02.2000 und weisen eine Korrelation hohe Ähnlichkeit von 0.97 zu unserem Muster auf – diese ist auch visuell direkt ersichtlich.

Die Quantifizierung des typischen, weiteren Verlaufes nach dem Auftreten einer ausreichend hohen Korrelation lässt sich nun recht einfach gestalten. Wir schieben gewissermaßen unsere Musterformation einmal durch den kompletten Datensatz für den EUR/USD mit Start im Jahr 2000 und messen bei ausreichend großer Korrelation die Differenz des Close-Kurses der Formation gegen den Close-Kurs einen Tag später, zwei Tage später und drei Tage später.

Diese Kursdifferenzen können wir nun einfach aufsummieren und gegen das Datum auftragen. Wir erhalten somit eine Art Kapitalkurve der aufsummierten Kursdifferenzen und können leicht erkennen, ob es besser wäre nach dem Auftauchen einer bestimmten Formation „Long“ oder „Short“ zu gehen. Aufsteigende, aufsummierte Kursdifferenzen sprechen für einen Long-Einstieg und absteigende für einen Short Einstieg.

Wir haben so 14 verschiedene, typische Kerzenformationen exemplarisch für den EUR/USD auf Tagesbasis untersucht. Die Ergebnisse sind in den folgenden Grafiken dargestellt.

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Hier wurden sowohl 1-Kerzen-, 2-Kerzen- als auch 3-Kerzen-Formationen untersucht.

Schauen wir uns nun das letzte Beispiel, den „Evening Star“, genauer an. Die Formation startet mit einer klar aufsteigenden Kerze. Auf diese folgt ein sogenannter „Doji“. Den Abschluss bildet eine klar absteigende Kerze, sodass sich ein sehr symmetrisches Bild ergibt. Die meisten und auch das Lehrbuch hätten hier vermutet, dass es nach einer solchen Formation tendenziell eher „abwärts“ geht. Statistisch ist dies allerdings nicht richtig. Die Aufsummierung der Kursdifferenzen, bezogen auf den Schlusskurs der dritten Musterkerze zeigt, dass nach jeweils einem Tag eher mit steigenden Kursen zu rechnen ist. Nach zwei bzw. drei Tagen ist das Ergebnis eher neutral. Dennoch kann man den Schluss ziehen, dass es sich durchaus lohnen kann, diese Kerzenformation zu handeln. Tritt sie auf, eröffnet man einen Long-Trade und beendet diesen nach einem Tag. So erhält man in Summe einen echten Gewinnvorteil.

Einen schönen Short-Kandidaten findet man in den „Three White Soldiers“. Wenn diese Formation auftritt, lohnt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit Short zu gehen und die Position erst nach drei Tagen zu schließen.

Wenn man in dieser Weise sämtliche hier untersuchten Kerzenformationen handeln würde, erhält man folgende „Kapitalkurve“.

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Werden also alle Formationen gehandelt, ist es am besten, die Position immer nach einem zu schließen. Die „Kapitalkurve“ (aufsummierte Kursdifferenzen unter Berücksichtigung von Long- und Short-Trades) ist erstaunlich linear und zeigt eindrucksvoll wie aus einem Wahrscheinlichkeitsvorteil ein echter Gewinnvorteil entsteht. Darüber hinaus zeigt sie auch wie wichtig eine Diversifikation auf mehrere Einzelstrategien ist.

Hier finden Sie einen wissenschaftlichen Artikel zur Diversifikation.

Fazit: Kerzenformationen sind ein geeignetes Werkzeug für das Trading. Eine Überprüfung der Lehrbuch-Meinung scheint jedoch notwendig um die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Gerne untersuchen wir auch Ihre Muster kostenlos auf Treffsicherheit! Kommen Sie dazu auf meinen Expertendesktop auf Guidants!

Allen Tradern ein frohes Osterfest!

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Dr. Stefan Friedrichowski, Trader & Physiker und

Christian Stern, Leiter Trading- und Ausbildungsservice Project Future

13 Kommentare

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  • Jimi
    Jimi

    Wieder hochinteressant und fundiert, was ein Trader und ein Physiker so klarziehen ist schon toll. Ein im Grunde einfacher Ansatz der jedoch deutlich aussagekräftiger ist als irgendwelche überlieferte Vorstellungen die auf Anhieb plausibel scheinen. Weiter so Gruss Jimi

    20:27 Uhr, 21.04.2014
  • Reinhard Scholl
    Reinhard Scholl

    Also Vito C hat schon Recht: Die Lehrbücher zu Kerzen weisen eindeutig klar auf den Kontext hin: Beispiel: Eine "Hammer"-Kerze ist - nach Lehrbuch - ein bullisches Signal an einer Abwärtsbewegung. Nicht jedoch dieselbe Kerze bei einer Aufwärtsbewegung. Dann heisst sie auch nicht "Hammer" sondern "Hanging Man"... Dasselbe gilt für das Paar "Inverted Hammer" / "Shooting Star".

    Wollte man dies also korrekt untersuchen, so müsste man eine automatisierte Trendbestimmung in das Handelssystem einabauen (was uU. gar nicht so einfach ist - wie beschrieben ist zu definieren: Ab wann gilt eine Bewegung genau als Trend? ab wann nicht?.. etc.)

    Aber deswegen ist die statistische Auswertung keineswegs entwertet. Ich finde den Beitrag toll. Sehr wertig IMO, da echte Fakten.

    Geradezu faszinierend wie sich starke Korrelationen zeigen. Gerade bei starken Mustern wie zB Three White Soliders. Ich interpretiere die zugehörige Grafik so: WENN sich die Bewegung erschöpft haben, DANN kommt es auch zu signifikanten Gegenbewegungen. Das kann man traden.

    Es wäre wohl doch interessant sich auf so ein vielversprechendes Muster zu konzentrieren und das Handelssystem hierauf genauer abzustimmen... :-)

    Gruss

    Reinhard Scholl

    PS Wie bei allen statistischen Analysen gelten sie nur für das betrachtete Instrument (hier EUR/USD) und für das gewählte Setup (Tageskerzen -daten, Zeitraum). Das ist NICHT übertragbar (zB Aktie, oder EUR/USD 5-Minuten Perioden etc... Ich erwähne dies, da das in meiner Erfahrung leider häufig übersehen wird.

    13:53 Uhr, 19.04.2014
  • PilgerMu
    PilgerMu

    Dachte ich mir´s doch, dass da Umberti mit bei ist ;-)

    05:23 Uhr, 18.04.2014
  • Vito Corleone
    Vito Corleone

    Das versteh ich nicht. "warum, wann, wo".
    Warum: Weil's der Markt so entschieden hat.
    Wann: Ergibt sich direkt aus der Kerze.

    Zum wo: Weil's ein Unterschied für die Bedeutung der Candlesticks
    macht. Oder etwa nicht ? Ist es egal wo ein "Hammer" auftritt ?
    Aufwärts-/Abwärtstrend. Natürlich nicht.
    und deshalb ist die Frage "WO" entscheidend.

    Warum ist z.B. im ersten Bild, das fette bear. Engulfing, Mitte Nov.
    NICHT gekennzeichnet ? Das spätere am oberen Rand aber doch ?
    Dabei ist das erste doch viel eindeutiger.
    Das erste hätte man nämlich nicht erfolgreich getradet, das zweite schon.
    Das "wo" macht den Unterschied ;-)

    18:55 Uhr, 17.04.2014
  • Christian Stern
    Christian Stern

    Im Gegenteil, je mehr Freiheitsgrade desto komplizierter und schwieriger duplizierbar wird das Trading. Wenn wir fragen wo die Formation aufkommt, müssten wir auch fragen wann, warum usw.

    18:04 Uhr, 17.04.2014
  • Christian Stern
    Christian Stern

    Da wir automatisiert Handeln muss uns in erster Linie völlig egal sein, wo die Signale auftreten. In einer ausgeprägteren Untersuchung kann aber z.B. einen EMA-Filter einbauen. Dies führt aber hier, in einem Grundlagenartikel, zu weit.

    17:17 Uhr, 17.04.2014
    1 Antwort anzeigen
  • Vito Corleone
    Vito Corleone

    Sooo einfach geht's denn doch nicht.
    Es wird völlig außer Acht gelassen WO die Candlesticks auftreten.

    So hat z.b. ein "Hammer" am (möglichen) Ende eines Abwärtstrends
    eine andere Bedeutung, als wenn er mitten in einer Bewegung auftritt.
    "Three White Soldiers": An der richtigen !!! Stelle im Chart
    ist ein bull. Umkehrsignal, lt. Bulkowski zu 82% ein bull. Reversal.

    17:13 Uhr, 17.04.2014
  • Ertronic
    Ertronic

    na mit KIS hat das wenig zu tun....

    15:48 Uhr, 17.04.2014
    1 Antwort anzeigen
  • 280a
    280a

    Höchst interessant! Hast du Mathematik studiert?

    15:33 Uhr, 17.04.2014
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Christian Stern
Christian Stern

Christian Stern beschäftigt sich seit nunmehr zehn Jahren mit den Finanzmärkten. Neben dem Fokus auf die Technische Wertpapieranalyse stellt er auch Zusammenhänge mit fundamentalen Ereignissen her. Im erfolgreichen Eigenhandel nutzt er Fachwissen verschiedenster Spezialgebiete wie dem Trading mit dem Marktprofil oder dem Zusammenspiel der Zeiteinheiten Intraday. Sein Hauptaugenmerk im alltäglichen Handel gilt dabei dem volumenstarken Handel rund um die Markteröffnungen in Europa und Amerika.In seinem Ausbildungs- und Trading-Service Project Future bei GodmodeTrader werden Trader mit ersten Erfahrungen am Kapitalmarkt auf ihrem Ausbildungsweg, hin zum professionellen Börsenhändler, begleitet. Feste, intelligente und risikoarme Tradingsetups und -strategien werden zunächst mit wenig Eigenkapital im Bereich der CFDs trainiert, um im späteren Verlauf der Ausbildung in den Futurehandel übertragen zu werden.

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