Kommentar
14:48 Uhr, 11.02.2015

Die Verstaatlichung der Kapitalmärkte

  • Die Verschuldung von Staat und Wirtschaft ist in den letzten Jahren nicht nur weiter ge-wachsen, ihre Struktur ist auch schlechter geworden.
  • Die Verbindlichkeiten der öffentlichen Hand machen inzwischen 83 % des Welt-BIP aus. Sie sind erstmals größer als die der Unter-nehmen.
  • Die Automatik des "Deficit Spending" funk-tioniert nicht. Die "Schwarze Null" ist nicht das richtige Ziel.

Eigentlich hätte sich die Verschuldung in der Welt nach der großen Finanzkrise 2008 zurückbilden müssen. Nach den vorherigen Übertreibungen, so die Theorie, würden sich die Schuldner wieder auf vernünftiges Wirt­schaften besinnen. Sie würden die zu hohen Verbind­lichkeiten abbauen. Das dauert nach den historischen Erfahrungen vier bis fünf Jahre. Dann sind die Verhält­nisse wieder zurecht gerückt. Die Krise ist überwunden.

Nach der letzten Krise kam es jedoch anders. Die Unter­nehmensberatungsgesellschaft McKinsey hat dazu die­ser Tage eine interessante Studie vorgestellt. Danach ist die Verschuldung in den letzten Jahren nicht zurückge­gan­gen. Sie ist im Gegenteil angestiegen, sogar schnel­ler als die Weltwirtschaft. Der Anteil der Schulden an der Wirtschaftsleistung in der Welt ist von 269 % im Jahr 2007 auf 286 % 2014 gestiegen.

Aber nicht nur das. Die Struktur der Verschuldung hat sich auch noch verschlechtert. Die Verbindlichkeiten der Privaten gingen – relativ – zurück, die der Staaten nah­men zu.

Am besten verhielten sich die privaten Haushalte. Sie haben ihre Verschuldung in einer Reihe von Staaten deutlich verringert. Am stärksten war das in den USA der Fall.

Die Verschuldung der Unternehmen hat maßvoll zuge­nommen. Eigentlich hätte man sich hier etwas mehr ge­wünscht. Denn der Gegenposten zu den Verbindlichkei­ten sind die Investitionen. Sie waren zu schwach.

Überraschend war, dass die Verschuldung des Finanz­sektors zurückgegangen ist. In der Öffentlichkeit hatte man zuletzt immer mehr den Eindruck, als seien die Banken nach wie vor die bösen Buben der Weltwirt­schaft. Ihre Position ist auch nach wie vor nicht gefestigt. Wo sich die Situation aber verbessert hat, war bei den Investmentvehikeln. Hier waren die problematischen Im­mobilienkredite an amerikanische Hausbesitzer verbrieft. Sie wurden abgewickelt. Daher der Rückgang der Schul­den.

Bei den öffentlichen Finanzen hat sich die Situation da­gegen deutlich verschlechtert. Der Staat avancierte in den letzten Jahren erstmals weltweit zum größten Schuld­ner auf den Kapitalmärkten. Er lag noch vor dem Unter­nehmenssektor, der eigentlich der wichtigste Schuldner sein sollte. Die Staatschulden machen global jetzt 83 % der Wirtschaftsleistung aus.

Das ist eine gefährliche Entwicklung. Nach der herr­schenden Lehre bremsen Quoten ab 90 % Wachstum und Beschäftigung. Wir sind also kurz vor dem Punkt, an dem die hohe staatliche Verschuldung nicht nur ein Schönheitsfehler, sondern eine Wachstumsbremse ist.

Nun hängt die Zunahme der öffentlichen Verschuldung natürlich auch mit der Bekämpfung der Krise zusam­men. Der Staat hat zur Rettung des Finanzsektors schlechte Kredite aus den Banken ausgegliedert und sie in eigene "Bad Banks" genommen. Zudem hat er die Rezession mit fiskalischem "Deficit Spending" bekämpft. Das ist an sich nicht zu kritisieren, vorausgesetzt es sind vorübergehende Maßnahmen, die sich nach der Krise wieder zurückbilden. Der deutsche Finanzminister ließ sich dafür feiern, dass er in seinem Haushalt nach den hohen Defiziten wieder eine "Schwarze Null" erreichte.

Ist also doch alles gar nicht so schlimm? Doch. Denn mit dem "vorübergehenden" Defizit ist es so eine Sache. Schauen Sie sich die Grafik an. Da zeigt sich am Bei­spiel Deutschlands, dass der Fehlbetrag im Staatshaus­halt in den letzten 15 Jahren immer zwischen 0 und mi­nus 4 % schwankte. Es war also keineswegs so, dass die staatlichen Defizite in Krisenzeiten immer wieder durch Überschüsse in guten Zeiten ausgeglichen wur­den, wie es die Theorie des "Deficit Spending" unter­stellt. Statt einen Überschuss zu erzielen war der Fi­nanzminister schon glücklich, wenn er seinen Haushalt ausglich. Im Zeitverlauf gibt es daher keinen Haushalts­ausgleich, sondern ein permanentes Defizit in der Grö­ßenordnung von rund 2 %. Das führt zu steigenden Staatsschulden.

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Wer die Hydra der Staatsverschuldung wirklich bekämp­fen will, darf sich nicht mit einer "Schwarzen Null" be­gnügen. Er muss nach Jahren mit Defiziten (die es im­mer wieder geben wird) auch Jahre mit Überschüssen anstreben. Nur so kann ein Anstieg der Staatsverschul­dung und eine Verstaatlichung des Kapitalmarktes ver­mieden werden.

Das ist nicht nur in Deutschland so. In vielen anderen Staaten ist es sogar noch schlechter. Sie haben es nicht einmal geschafft, den Haushalt in normalen Zeiten aus­zugleichen. Der Anstieg der Staatsverschuldung ist also nicht ein vorübergehender "Betriebsunfall". Er ist in un­serem System angelegt. Die öffentliche Verschuldung wird also – leider – weiter ansteigen.

Für den Anleger

Lassen Sie sich nicht von guten Konjunkturzahlen täu­schen. Die Krise ist noch nicht vorbei. Die Staatsschuld steigt weiter und bremst das Wachstum. Schlimmer noch. Sie führt zu immer größeren Volumina an Anlei­hen, die der Staat vor sich herschiebt und regelmäßig refinanzieren muss. Dabei kann es leicht zu Störungen kommen. Vielleicht entsteht die nächste Finanzkrise auch in Ländern mit guter Bonität nicht bei den Privaten, sondern bei staatlichen Schuldnern. Schließlich: Es mag zynisch klingen. Aber das Positive für manche Investor­en ist, dass staatliche Papiere nicht knapp werden. Es sind immer genügend zu haben, selbst wenn die Zen­tralbanken jetzt so viele Staatsanleihen kaufen.

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