Kommentar
16:10 Uhr, 22.09.2017

Die Türkei ist zurück

Putschversuch? Referendum? Flüchtlingskrise? Ausbleibende Touristen? Alles kein Problem für die türkische Wirtschaft.

Es ist nur ein gutes Jahr her, da stand die Türkei kurz vor einer großangelegten Krise. Dabei ging es nicht nur um den Putschversuch, auch wenn dieser zweifellos das Ereignis war. Schon lange vor dem Putschversuch begann sich die Wirtschaft weniger dynamisch zu zeigen.

Das Wirtschaftswachstum begann sich im zweiten Quartal 2015 (Grafik 1) abzuschwächen. Damals wuchs die Wirtschaft mit einer Jahresrate von 7,1 %. Im dritten Quartal 2016, dem Quartal des Putschversuchs, wuchs die Wirtschaft nur noch um 1,2 %.

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Nichts ist leichter als nachzuvollziehen, weshalb das Wachstum einbrach. Ein Putschversuch bringt viel Unsicherheit mit sich. Die Aufregung war zwar schnell vorbei, doch die Folgen hielten monatelang an. Immerhin wurden zehntausende Menschen entlassen, befragt, eingesperrt usw.

Die Regierung steuerte den negativen Effekten dieser Aufräumbemühungen mit hohen Staatsausgaben entgegen. Die Notwendigkeit dafür kam vermutlich nicht ungelegen. Staatsausgaben machen sich vor wichtigen Abstimmungen immer gut und der Präsident musste eine solche Abstimmung im April 2017 überstehen. Er gewann das Referendum, aber nur knapp.

Der Tourismus, der eine wichtige Stütze der Wirtschaft ist, brach nach dem Putschversuch ein. Wer macht schon gerne in einem Land Urlaub, in dem Panzer durch die Straßen rollen könnten... 2016 kamen so 10 Mio. weniger Gäste als im Jahr zuvor. 2017 scheint der Tourismus ein Comeback zu feiern. Der Trend ist positiv und für das Gesamtjahr können gut 30 Mio. Gäste erwartet werden.

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Das Comeback des Tourismus hilft dem Wachstum. Es ist aber nicht allein der Tourismus, der wieder aufblüht. Die Industrie befindet sich gerade im Höhenflug (Grafik 3). Gegenüber dem Vorjahr wuchs die Industrieproduktion gleich um 15 %. Das ist der beste Wert seit Ende 2010.

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Man kann es auch anders sagen: die Türkei ist zurück, wirtschaftlich zumindest. Die Stimmung unter Unternehmen befindet sich im Aufwind, die Staatsausgaben sprudeln, die Arbeitslosigkeit ist rückläufig und die Inflation wird so langsam wieder kontrollierbar. Das ist für Anleger eigentlich ein Hingucker.

Gut profitieren kann man als Anleger von dem Aufschwung leider kaum. Es gibt zwar Anlageinstrumente wie den iShares MSCI Turkey ETF, doch für langfristige Anlagen ist das nichts. Der türkische Leitindex steht mit 110.000 Punkten zwar so hoch wie noch nie und hat allein auf Jahressicht 50 % zugelegt, doch beim Anleger kommt davon wenig an.

Grund dafür ist die Währung. Die türkische Lira wertet tendenziell ab. Das schmälert den Gewinn. So steht der ETF heute nicht wie der türkische Leitindex auf einem Allzeithoch, sondern 34 % darunter. Der Markt ist also eher etwas für Trader und nicht so sehr für Investoren – ganz abgesehen natürlich von der politischen Unsicherheit.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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