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09:37 Uhr, 31.05.2013

Die Sparpolitik hat ausgedient

Frankfurt am Main/Boston (BoerseGo.de) - Mit Ausnahme von Großbritannien hat Europa von der Sparpolitik genug. Immer mehr Länder aus dem Euroraum bekommen zusätzliche Zeit, um ihre Haushaltsdefizite zurückzufahren. Das hat zur Folge, dass diese Länder immer öfter auf drastische Sparmaßnahmen verzichten. Niemand bezweifelt ernsthaft, dass die Politiker in Spanien, Italien, Portugal und selbst Frankreich dies ebenso schätzen wie ihre Wähler. Die Kombination aus Staatsausgabenkürzungen, Strukturreformen und – im Fall von Spanien – anhaltendem Schuldenabbau der Haushalte und Banken führte zu enormen wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen, wie Robert Spector, CFA Portfolio Manager bei MFS Investment Management in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

Es sei nicht gelungen, durch Sparen um jeden Preis nachhaltiges Wachstum, solide Staatsfinanzen und Wohlstand zu erzielen. Auch die Austeritätsbefürworter, mit Deutschland an der Spitze, müssten dies notgedrungen akzeptieren. Seltsamerweise entwickelten sich ausgerechnet die US-Staatsfinanzen viel besser als in Europa. Schließlich hätten das Defizit von einer Billionen US-Dollar und das politische Patt zum Entzug des AAA-Ratings geführt. Zwar hätten sich die USA für keine besonders geordnete Sparpolitik entschieden. Insgesamt jedoch sei die etwas chaotische Vorgehensweise mit immer neuen Krisen erfolgreich gewesen. Das amerikanische Wachstum sei höher als das der anderen G7-Länder, und auch das Haushaltsdefizit auf Bundesebene sei deutlich zurückgegangen. In diesem Jahr könnte es bereits unter 800 Milliarden US-Dollar liegen und damit weniger als fünf Prozent des BIP betragen. In den kommenden Jahren seien sogar weniger als drei Prozent des BIP denkbar, heißt es.

„Aber sind wir nicht vielleicht an einem Punkt angelangt, an dem die Sparmaßnahmen auch in den USA die Wirtschaft dämpfen? Vielleicht. Im ersten Quartal 2013 entsprach das Wachstum nicht den Erwartungen – und zwar nicht aufgrund einer Schwäche im privaten Sektor, sondern weil die Bundesregierung ihre Ausgaben um annualisierte acht Prozent zurückgefahren hat. Bereits im März und April, als der Sequester seine volle Wirkung entfaltete, zeichnete sich die Konjunkturabkühlung ab. Selbst das nur 2,5-prozentige Wachstum im ersten Quartal (annualisiert) dürfte nicht wieder erreicht werden. Ein deutlicher Defizitrückgang geht nun einmal mit weniger Wachstum einher. Während die Regierungen weltweit über die Fortsetzung der Sparprogramme nachdenken, liegen die Konsequenzen für die Geldpolitik auf der Hand: Sie wird auf der ganzen Welt weiter gelockert. Der deutliche Rückgang der Rohstoffpreise (mit Gold an der Spitze, dessen Preis zuletzt um 20 Prozent einbrach) könnte bedeuten, dass die Geldpolitik noch expansiver werden muss. Eine Straffung ist jedenfalls nicht angesagt, da eine höhere Inflation unwahrscheinlich ist“, so Spector.

Die japanische Notenbank habe erklärt, dass sie die Geldbasis in den kommenden Jahren verdoppeln und dadurch endlich die Deflation überwinden will. Damit habe sich eine weitere Notenbank zu sehr radikalen Maßnahmen entschlossen. Auch die EZB hätte ihre Leitzinsen erneut gesenkt und negative Einlagenzinsen ins Spiel gebracht, damit die Banken einen Anreiz zur Kreditvergabe hätten und der Euroraum die Rezession überwinden könne. Wenn Mark Carney im Juli Gouverneur der Bank of England werde, dürfte auch hier eine weiter gelockerte Geldpolitik anstehen. Unterdessen habe die Fed einen Rückzieher gemacht und spreche jetzt nicht mehr von einer Rückführung des Quantitative Easing. Stattdessen habe sie erklärt, möglicherweise sogar noch mehr Wertpapiere zu kaufen. Angesichts einer Arbeitslosenquote von 7,5 Prozent und einer Inflation von gerade einmal 1,1 Prozent befürchtet die Notenbank, beide Ziele ihres doppelten Mandats zu verfehlen. Beim Geldmengenwachstum sei die Fed Weltmeister, heißt es.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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