Kommentar
15:31 Uhr, 02.11.2009

Die Rezession ist vorbei – lang lebe die Rezession

Bis Mitte Oktober wurden viele Anleger auf dem falschen Fuß erwischt, die auf die mutmaßlichen Gewinner einer schwarz-gelben Regierung im DAX setzten: die Versorger (z.B. RWE, e-on). Außer am Tag eins nach der Wahl, als diese rund 4 Prozent zulegen konnten, entwickelten sich Versorger gegenüber dem bis zum 20. Oktober noch sehr positiven Gesamtmarkt (DAX + 4,8 Prozent) äußerst schlecht (e-on: - 6,9 Prozent). Der Hauptgrund lag im defensiven Charakter dieser Titel, welche in der allgemeinen Euphorie bis Mitte Oktober nicht wirklich gefragt waren. Dann wendete sich das Blatt jedoch grundlegend: Massive Gewinnmitnahmen setzten am breiten Markt ein und während der DAX von seinem Hoch am 20. Oktober bei 5.888 bis Ende des Monats auf 5.414 gut 8 Prozent abgab, konnten sich Versorger wie e-on weitgehend halten. Alles in allem enttäuschte jedoch, dass die aus Börsensicht optimal gelaufene Wahl dem DAX vorerst zu keinerlei relativer Stärke verhelfen konnte. Der einzige Wahlprofiteur schien der Euro zu sein, dessen Stärke mit zeitweise über 1,50 Dollar/Euro und der damit einhergehenden Belastung für Exporttitel mit ein Grund für das mäßige Abschneiden des DAX im Oktober gewesen sein dürfte.

Korrektur der Aktienmärkte unterschiedlich stark

Die US-Indices konnten sich in diesem Zeitraum weit besser schlagen. Der Dow landete exakt auf dem Schluss-Niveau vom 30. September, der Nasdaq 100 tat es ihm gleich und der S&P 500 gab rund 2 Prozent nach. Brasilien konnte sich im abgelaufenen Monat gerade noch ins Plus retten und andere wichtige Emerging Market-Regionen wie China und Russland kamen sogar 7 bzw. 5,5 Prozent voran. Doch auch diese vermeintlichen Monatsgewinner schlossen rund 8 bis 10 Prozent unter ihren Monats-Höchstständen von Mitte Oktober.

Turbulente zweite Oktoberhälfte

Zunächst wurden die Börsen am Mittwoch vergangener Woche vom Einbruch des USVerbrauchervertrauens um immerhin 5,7 Punkte (auf 47,7) geschockt. Donnerstag herrschte dann aufgrund eines deutlich stärker als erwarteten Wirtschaftswachstums blanke Euphorie. Nun sei sie vorbei, die Rezession, dachten anscheinend viele Marktteilnehmer, ob des 3,5- prozentigen US-BIP-Wachstums im dritten Quartal. Am letzten Handelstag wurden diese durch den überraschend starken Einbruch der privaten Konsumausgaben um 0,5 Prozent (nach + 1,4 Prozent im August) wieder auf den Boden der Realität zurückgeholt. Vielleicht sollte man angesichts der Faktenlage die Rezession nicht für beendet, sondern für im dritten Quartal kurzzeitig abwesend erklären. Denn es war klar, dass das dritte Quartal rein umsatz- und gewinntechnisch nicht so schlecht werden würde. Die Abwrackprämie (in USA „Cash-for- Clunkers“ genannt) und Förderprogramme für den Immobilienmarkt (z.B. 8.000 USD Steuerersparnis beim Ersterwerb eines Eigenheims in den USA) sorgten für Nachfrage und Preisstabilisierung sowie massive Kostensenkungsprogramme (Entlassungen, Kurzarbeit) für Gewinnsteigerungen. Es scheint aber sehr voreilig, auf ein einziges – künstlich gepuschtes – Quartal mit Sekt anzustoßen. Die meisten Förderprogramme sind bereits ausgelaufen oder werden bald enden, wie das US-Immobilienförderprogramm (im November).

Kein nachhaltiger Konjunkturaufschwung in Sicht

Im Gegenteil – eigentlich bleibt Selters angesagt. Über 7,5 Mio. Arbeitsplätze sind allein in den USA seit Beginn der Finanzkrise 2007 vernichtet worden und die Suche nach neuen Jobs gestaltet sich zunehmend schwierig. Dies zeigten die US-Arbeitsmarktdaten, die Ende September auf einem 26-Jahres-Tief verharrten. Viele Ökonomen weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Arbeitsmarkt spätzyklisch sei und die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen zum aktuellen Zeitpunkt nicht überbewertet werden dürfe. Mag sein, dass die Ökonomen Recht haben, doch viele Firmen kündigten an, weitere Jobs und damit Kosten abzubauen. Dies geschieht nicht aus Lust und Laune oder blanker Profitgier, sondern weil Kapazitäten trotz der Stabilisierung (auf niedrigem Niveau) immer noch schlecht ausgelastet sind. Gleichzeitig ist der Margendruck hoch – einerseits aufgrund der Billigimporte, wie das Minus von 11 Prozent bei den Einfuhrpreisen und 6 Prozent bei den Erzeugerpreisen bestätigen. Hinzu kommen die zuletzt doch deutlich angesprungenen Energiekosten (Ölpreis bei aktuell knapp 80 Dollar).

Hoffnung liegt auf Weihnachtsgeschäft

Die Frage ist ferner, wo – wenn überhaupt – neue (Massen-)Jobs im verarbeitenden Gewerbe entstehen: in den Industrieländern oder doch in den Billiglohnländern wie China, Indien, Russland? Der relativ starke chinesische Aktienmarkt scheint eher für Letztere zu sprechen. So lange der Export in diese Emerging-Market-Regionen brummt, gut. Wenn dieser jedoch einknickt, brechen die Arbeitsplätze hierzulande weg und in der Folge der Binnenkonsum. Sollten nun die neuen Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe eher in Billiglohnländern geschaffen werden, wächst die Gefahr, dass die Arbeitslosigkeit hierzulande auf Dauer hoch bleibt und Geld für den heimischen Konsum fehlt. Die letzten Zahlen aus den USA zeigen jedenfalls, dass die Verbraucher in den Industrieländern massiv verunsichert sind. Wenn sich diese Bremsspuren bis in das Weihnachtsgeschäft ziehen, droht 2010 die nächste Entlassungswelle im Einzel- und Großhandel. Zusätzlich droht die zweite Runde des Jobabbaus bei Banken und Maschinenbauern (z.B. Autozulieferern) wenn Geschäftsmodelle und Exporte weiter Hinken sowie Kurzarbeiterregelungen auslaufen.

Die aktuelle Pleite des größten US-Mittelstandsfinanziers CIT und damit die größte Bankpleite seit Lehman bestätigt dies einmal mehr. Wenn gleichzeitig die Medien von Rekord-Boni der staatlich gestützten US-Investmentbanken berichten und ein Hedgefondsskandal den anderen jagt, legt dies auch den Verdacht nahe, dass die Reformen in der Finanzbranche noch nicht wirklich weit gediehen sind. Und nachdem Kapital bekanntlich scheu ist wie ein Reh, gibt es schon wieder eine neue Liquidierungsrunde bei den Hedgefonds, wodurch dem Markt natürlich Liquidität entzogen wird. Auch wenn die Dimension (noch) nicht mit der des Vorjahres verglichen werden kann, bleibt Vorsicht weiterhin die Mutter der Porzellankiste – auch in Richtung 2010.

Quelle: Gecam

Als unabhängiger Finanzdienstleister hat sich die GECAM AG auf das Investmentgeschäft spezialisiert. Das Unternehmen bündelt die fünf für das Investmentgeschäft essenziellen Bausteine Investmentdach, Vermögensverwaltung, Produkte, Partner-Portal und Dienstleistungskonzept in einem Haus. GECAM verwaltet in ihren vier Dachfonds aktuell ein Gesamtnettovermögen von 150 Millionen Euro.

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