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10:22 Uhr, 16.04.2013

Die neue Energieunabhängigkeit der USA – Fakt oder Fiktion?

London (BoerseGo.de) - Seit der „State of the Union“ Rede von Richard Nixon im Jahre 1974 als Reaktion auf das arabische Ölembargo ist die Energieunabhängigkeit ein oft wiederholtes Mantra der US Politik. Lange jedoch schien die Energieunabhängigkeit der USA, vor allem bei den fossilen Energieträgern Erdöl und Gas, mehr Wunschdenken als machbare Wirklichkeit zu sein. Dies hat sich geändert, nachdem mit der Einführung neuer Fördermethoden, genannt Fracking, die Produktionsraten von Erdöl und Flüssiggas seit 2005 massiv ansteigen.

Die gesteigerten US Produktionsraten haben zu einer wahren Euphorie und zu einem fast schon unrealistischen Optimismus geführt. So gehen die meisten Konsens-Schätzungen heute davon aus, dass die USA spätestens 2020 von einem Nettoimporteur zu einem Nettoexporteur von Erdöl und Gas werden. Verschiedenste Medienberichte sprechen gar von einem neuen „Saudi-Arabien des Westens“. Eine neue Studie von Investec Asset Management zeigt jedoch, dass diese Vorhersagen mit Vorsicht zu genießen sind.

Charles Whall und Tom Nelson, Co-Portfolio Manager des Investec Global Energy Funds und Autoren der Studie, glauben nicht an eine baldige Energieunabhängigkeit der USA. Ihrer Meinung nach beruhen wesentliche Konsens-Schätzungen auf zwei unwahrscheinlichen Prämissen: Einerseits dass die USA die Produktion von Flüssiggas und von sogenanntem „thight oil“, also von Öl, das erst durch das Schaffen von künstlichen Wegsamkeiten aus seinem „dichten" Gestein befreit werden muss, bis 2020 um mindestens fünf Millionen Barrel pro Tag gegenüber 2012 steigern werden. Die Studie geht dem gegenüber von einer Erhöhung in diesem Zeitraum von zwei Millionen Barrel pro Tag aus, was bedeutet, dass die USA weiterhin rund 25 Prozent ihres Bedarfs an flüssigen fossilen Brennstoffen importieren müssen.

Der zweite Grund, warum das Erreichen einer Selbstversorgung im Bereich der fossilen Brennstoffe Whall und Nelson unwahrscheinlich scheint, ist die Abhängigkeit des Verkehrs vom Erdöl. Denn während die USA bei Kohle bereits heute und bei Erdgas aufgrund der einfacheren Förderung von Schiefergas bis 2020 zum Nettoexporteur werden könnten, sei die amerikanische Automobil-Flotte zu über 97 Prozent auf Erdöl angewiesen. Dies dürfte sich aufgrund fehlender politischer Anreize und einer völlig unzureichenden Infrastruktur für den alternativen Brennstoff Erdgas auch in absehbarer Zukunft nicht ändern. Die Konsensschätzungen gingen aber genau von einer solchen teilweisen Substitution von Erdöl durch Erdgas aus, heißt es.

Obwohl die USA auf absehbare Zeit keine Energieunabhängigkeit erreichen wird, bewertet Investec den Sektor äußerst positiv. „Denn die allzu optimistischen Prognosen zu den Förderraten heutiger Quellen unkonventionellen Öls haben dazu geführt, dass Infrastruktur-Investitionen aufgeschoben wurden. Dies wird nach Meinung der Studienautoren dazu führen, dass 2013 Erdöl-Serviceunternehmen deutlich an Attraktivität gewinnen werden. Da das organische Wachstum beschränkt ist, wird außerdem die Übernahmetätigkeit im laufenden Jahr steigen. Investoren sollten ihr Portfolio dementsprechend positionieren, um von diesen Entwicklungen profitieren zu können“, so Whall und Nelson.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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