Kommentar
17:00 Uhr, 03.05.2022

Die Inflation überschreitet den Zenit - jedenfalls in China

In Europa herrschen Inflationszustände, die man sonst nur aus Emerging Markets kennt. Aus China kommt ein Signal der Entwarnung.

Für Verbraucher ist Inflation inzwischen mehr als nur ein Ärgernis. Das gilt zwar fast überall auf der Welt, allerdings steigen die Löhne in Europa nur sehr langsam. Kaum in einer anderen Region sind die Reallohnverluste so hoch wie hier. Verbrauchern geht es dabei im Vergleich zu Produzenten noch gut.

Erzeugerpreisanstiege im zweistelligen Bereich sind eine Normalität. In Griechenland ist ein Preisanstieg von 50 % auf Jahressicht in greifbarer Nähe (Grafik 1). In vielen anderen europäischen Ländern sind 30 % keine Seltenheit mehr. Lediglich die Schweiz zeigt einen noch verhältnismäßig geringen Anstieg. Eine Aufwertung des Franken hat dabei geholfen.


In vielen europäischen Ländern liegt der Erzeugerpreisanstieg nun auf dem Niveau, welches die Türkei Ende 2021 auswies. Zugegeben, inzwischen liegen die Erzeugerpreise in der Türkei im dreistelligen Bereich (+114 % auf Jahressicht), doch noch vor wenigen Monaten hielt man es für undenkbar, dass es in Westeuropa Zustände wie in der Türkei geben würde. Nun sind sie da.

Deutschland weist den mit Abstand höchsten Preisanstieg der Nachkriegsgeschichte aus (Grafik 2). Dass die zögerliche Haltung der EZB da Kopfschütteln verursacht, ist nachvollziehbar. Man kann die Preisentwicklung auch nicht nur auf explodierende Kohle- und Gaspreise schieben.


Die Inflation, die ihren Ausgangspunkt bei Energie- und anderen Rohstoffen nahm, hat sich längst ausgedehnt. Die Kernrate der Erzeugerpreise liegt in Deutschland ebenfalls im zweistelligen Bereich (Grafik 3). Inflation ist sehr viel mehr als ein Nischenproblem, welches sich auf Energierohstoffe schieben lässt. Preise steigen überall, ob bei Gütern oder Dienstleistungen.

Notenbanken rechneten nicht damit, dass die Inflation auf alle Bereiche der Wirtschaft übergreifen würde. Genau das ist geschehen. Umso schwieriger ist es eigentlich, sie wieder loszuwerden. Da kommt ein Trend aus China sehr gelegen. In China steigen die Erzeugerpreise immer langsamer (Grafik 4).

Im Normalfall sind Erzeugerpreise in Europa und China eng miteinander verknüpft. Einerseits fließen natürlich die gleichen Rohstoffpreise in die Berechnung mit ein. Andererseits stellen beide Regionen füreinander wichtige Vorleistungsgüter her. Steigen die Preise in China immer langsamer oder sinken sogar, wirkt sich das auch positiv auf Europa und den Rest der Welt aus.

Die Trendumkehr haben wir unter anderem neuen Lockdowns zu verdanken. Die Binnennachfrage in China ist schwach. Die Nachfrage aus dem Ausland kann diese Schwäche nicht kompensieren. Zu hohe Kapazität und zu wenig Binnennachfrage wirkt bei der Preisentwicklung Wunder.

Wegen der Wachstumsschwäche in China wertet auch der Yuan ab. Es wird billiger, in China einzukaufen. Da viele Güter aus China importiert werden, wirkt dies positiv. Chinas Wachstumsschwäche allein kann unser Inflationsproblem nicht lösen. Es wird den Preisanstieg jedoch etwas nach unten drücken.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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