Kommentar
14:29 Uhr, 23.02.2011

Die Guttenberg-Dämmerung: Summa cum Gaudi!

Soviel vorab: Ich oute mich an dieser Stelle gerne als Guttenberg-Fan. Meiner Meinung nach wird er Kanzler werden, selbst wenn ihn seine Plagiats-Affäre das Amt des Verteidigungsministers kosten wird. Und das auch verdient: Er hat alles was man dazu braucht, und noch zusätzlich genießt er die - nennen wir es ruhig Bewunderung - des Volkes. Adlig, gebildet, gutaussehend, jung, reich, beliebt, eloquent, usw. - diese Attribute erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Nicht wenige weibliche Wähler träumen vielleicht sogar von einem Schäferstündchen mit Karli. Warum nicht, eine Sünde bleibt selten alleine - abwarten!

Die öffentlichen Reaktionen - also die der Bürger, nicht der Presse - zeigen, dass KT wohl fast alles verziehen würde. Vielleicht freuen sich die meisten sogar unbewusst, dass die Lichtgestalt bewiesen hat: Ich bin nur ein Mensch. Ich mache Fehler, Ich lüge sogar gelegentlich, genau wie ihr alle!

Ganz so einfach darf man - und insbesondere er - es sich aber nicht machen. Die Vorwürfe sind schon starker Tobak, die Reduktion des Geschehenen in der öffentlichen Meinung auf "ein paar Fußnoten" halte ich für grob fahrlässig. Ganz zu Anfang dachte ich auch so, aber nach seinem Eingeständnis Anfang der Woche, er habe "am Wochenende seine Dissertation durchgelesen" und dabei sei ihm aufgefallen, wie viel Unsinn er geschrieben hat, fand ich schon sehr grenzwertig, und ehrlich gesagt auch belustigend. Vielleicht war er an dieser Stelle auch erstmals im Rahmen der Affäre total ehrlich: Die wahrscheinlichste Variante ist doch tatsächlich, dass er diese Arbeit eben nicht "über 7 Jahre in mühevoller Kleinstarbeit" selbst geschrieben hat. Viel eher saßen ein oder mehrere Helferlein für ihn am PC. Die handwerklichen Fehler hätte er dann nicht selbst gemacht, sondern seine Lakaien, die unsauber gearbeitet haben. Der beste Beweis für diese These scheint mir die wörtlich aus der FAZ geklaute Einleitung zu sein - ich bezweifle sehr stark, dass zu Guttenberg selbst das getan hätte. Nicht, weil er ein so toller Wissenschaftler ist oder ein moralisch tadelloser Mensch - sondern ganz simpel weil es ihm zu riskant gewesen wäre. Er war damals schon Spitzenpolitiker, und dass der eine oder andere die FAZ als Lektüre besitzt, wusste er auch.
Gehen wir also einfach von der letztlich nicht beweisbaren Annahme aus, Freiherr zu Guttenberg habe die Arbeit zumindest in Teilen NICHT selber geschrieben. Dann ist es ihm natürlich beinahe unmöglich, dies zuzugeben. Das hätte dann womöglich auch juristische Konsequenzen. Also laviert er umher, und betreibt ein miserables Krisenmanagement, übrigens sehr untypisch für ihn.

Das ist für mich ein weiteres Indiz dafür, dass er selber von dem Geschehen überrascht wurde, da er den Inhalt vielleicht gar nicht so genau kannte. Er kann den Übeltäter noch nicht mal richtig zusammenstauchen, denn der - wenn es ihn gibt - hat ihn für den Rest seiner politischen Karriere in der Hand. Man stelle sich vor, zu Guttenberg wird Kanzler und sein Ghostwriter verrät ihn! Ein Risiko, dass er wohl eingehen muss. Denn er will Kanzler werden, das steht für mich fest. Und seine Partei hat keine Alternative - wenn die Union gegen die wiedererstarkende Gefahr von Rot-Rot-grün bestehen will, geht das nur mit KT. Merkel wird meiner Meinung nach schon bei der nächsten Wahl nicht mehr antreten, allerspätestens aber zur übernächsten ist es soweit. Und wer sonst soll nachfolgen? Es ist doch traurig wer da alles bereitsteht bzw. nicht.

Ich werde hier bestimmt nicht in den Kanon mit einstimmen, der der Wissenschaft jegliche Kompetenz und jedes Gewissen abspricht. In der Bevölkerung verfestigt sich jetzt der Gedanke, dass 99% aller wissenschaftlichen Arbeiten ohnehin nur zusammen kopiert sind. Das ist vielleicht der größte Schaden, den zu Guttenberg angerichtet hat.

Ansonsten muss ich klar sagen: Für mich hat sich Guttenberg nicht für höhere Aufgaben disqualifiziert. Diese Plagiatsaffäre ist zwar sicher kein Kavaliersdelikt, aber ich sehe darüber ganz einfach hinweg. Wie oft hab ich mir schon selber überlegt, mir bei einer im Raum stehenden Dissertation "helfen" zu lassen? Gebe ich ganz offen zu. Ich habe es am Ende nicht getan, weil mir Titel dann doch nicht soviel bedeuten. Und weil ich vermutlich nicht sonderlich stolz darauf gewesen wäre.

Trotzdem finde ich die Solidaritätsbewegungen im Internet schon fast peinlich. Dahinter steckt ein merkwürdiges Pressefreiheits-, Rechts- und Demokratieverständnis. Das mag ja alles als Kampagne rüberkommen, aber die Presse hat jedes Recht (und auch die Pflicht) dazu auf Rechtsbrüche hinzuweisen, auch auf penetrante Weise.

Wir werden alle in einigen Jahren die Gelegenheit bekommen zu Guttenberg auf dem Wahlzettel unsere Zustimmung zu geben - oder zu verweigern. Ich hoffe nur er legt bis dahin nicht noch ein weitere Dissertation vor.

Ihr

Daniel Kühn

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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