Kommentar
10:09 Uhr, 09.12.2020

Die größte Täuschung für Anleger in diesem Markt

Die Gewinne der Unternehmen sprudeln schon wieder. Hohe Kurse scheinen angebracht. Was aber, wenn diese Gewinne eine Täuschung sind?

Aktienindizes rund um die Welt haben die Erholung der Wirtschaft vorweggenommen. Die Coronakrise wird einerseits als vorübergehendes Phänomen eingestuft und andererseits unterstützen Regierungen und Notenbanken die Wirtschaft, wo sie nur können. Natürlich spielt das Zinsumfeld bei der Bewertung eine Rolle. Hier soll es aber um die Unternehmensgewinne gehen. Die Zinsen spielen eine Rolle, weil zukünftige Gewinne abgezinst werden. Je tiefer der Zins, desto mehr bleibt übrig. Die Frage ist natürlich, was man abzinsen soll. Unternehmen präsentieren ihre Gewinne jedes Quartal. Was man da sieht muss aber nicht unbedingt der Realität entsprechen.

Wie signifikant sich Zahlen unterscheiden können, zeigen die USA. Mit der Wirtschaftsleistung wird auch jedes Quartal der Gewinn aller Unternehmen ermittelt. Eine dieser Datenserien kommt den Gewinnen im S&P 500 relativ nahe. Sie ist in Grafik 1 abgebildet. Was man erkennt, sind schon wieder Rekordgewinne.


Die Lücke zum S&P 500 ist zwar hoch und sogar so hoch wie zuletzt zur dotcom Blase, doch wenn die Gewinne kräftig wachsen, kann das schon gerechtfertigt sein. Die Coronakrise wurde innerhalb sehr kurzer Zeit abgehakt. Anleger können sich freuen.

Ein wenig verwunderlich ist das schon. Viele Unternehmen stehen immer noch am Rande des Zusammenbruchs. Auch die Wirtschaftsleistung liegt noch deutlich unter dem Vorkrisenniveau. Wie kann es da sein, dass Unternehmen schon wieder so viel Gewinn schreiben?

Gemessen am Ausmaß der Krise kann man sich wirklich nur verwundert die Augen reiben. Weitaus weniger schlimme Rezessionen haben die Gewinne häufig um 20 % schrumpfen lassen. In dieser Krise waren es auch nur 22 %. Es gibt zu früheren Krisen aber einen wesentlichen Unterschied. Noch nie wurde Unternehmen so stark unter die Arme gegriffen. Rechnet man diese Hilfen aus den Daten heraus, liegt das Minus nicht bei 22 %, sondern bei 45 % (Grafik 2).


Die Gewinne haben sich vom ersten und zweiten Quartal wieder erholt. Ohne Subventionen dürften sie allerdings noch ein Viertel unter dem Vorkrisenniveau sein. Vor der Krise wies der S&P 500 einen Gewinn je Aktie von 40 aus. Im letzten Quartal waren es 38. Die Gewinn stehen nach Unternehmensangaben also nur 5 % unter dem Vorkrisenniveau.

Wie viel staatliche Hilfen ausmachen, kann man aus den Unternehmensangaben nicht herauslesen. Man kann aber die Gewinne, die für die Wirtschaft berechnet werden, eine Annäherung machen. Dort stehen die Gewinne noch ein Viertel tiefer. Auch der S&P 500 dürfte ohne Hilfe noch ein größeres Minus ausweisen.

Ohne staatliche Hilfen sieht Grafik 1 aus wie in Grafik 3 abgebildet. Es klafft eine enorme Lücke zwischen Aktien und Gewinnen. Unternehmen müssen die in 2020 erhaltenen Hilfen 2021 kompensieren. Das gelingt, wenn die Wirtschaft wieder zur Normalität zurückkehren kann. Andernfalls muss diese enorme Lücke geschlossen werden.


Die derzeit ausgewiesenen Gewinnzahlen sind nicht falsch. Sie sind zu nicht unwesentlichen Teilen von staatlicher Hilfe getrieben. US-Unternehmen mussten allein im zweiten und dritten Quartal 150 Mrd. weniger an Steuern zahlen. Bestimmte Abgaben wurden für 2020 ausgesetzt. Dieser Vorteil dürfte 2021 nicht nur wegfallen, sondern zumindest ein Teil der Abgaben nachgeholt werden. Mit all diesen Sondereffekten sieht die Gewinnentwicklung der Unternehmen positiver aus als sie tatsächlich ist.

Diese Fata Morgana könnte von Anlegern erkannt werden, wenn staatliche Hilfen zu früh enden oder die Wirtschaft 2021 doch nicht so schnell wächst wie angenommen. Die Enttäuschung dürfte dann groß sein.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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