Die geldpolitische Flut hebt alle Boote
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Für eine kurze Zeit – zwischen Anfang Februar und Anfang März – waren die langfristigen Zinsen in den USA und Großbritannien gestiegen. Dann allerdings begann die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrem Quantitative Easing. Die Anleihekäufe drückten die Renditen europäischer Anleihen auf noch niedrigere Niveaus als zuvor – und ließen auch die Renditen von US-Staatsanleihen und britischen Gilts wieder sinken. Diese Ansicht vertritt Chris Iggo, CIO Fixed Income bei AXA Investment Managers. Er stellt einen direkten Zusammenhang zwischen der lockeren Geldpolitik in Europa und Japan und der Entwicklung an den Anleihemärkten der USA und Großbritanniens her: „Die vergangenen Wochen haben gezeigt, wie schwierig es für die Federal Reserve und die Bank of England ist, sich von den Krisen-Zinssätzen zu lösen, wenn der Rest der Welt inmitten von Sorgen wegen Disinflation und lauem Wirtschaftswachstum eine Politik der Lockerung betreibt.“ Als die Renditen italienischer Staatsanleihen auf ein Niveau fielen, das einen ganzen Prozentpunkt unter dem von US-Staatsanleihen lag, reagierten die Anleger seiner Ansicht nach schnell – und investierten mehr Mittel in den Märkten, die höhere Renditen boten. „Die geldpolitische Flut des Quantitative Easing hebt weiterhin alle Boote“, so der Experte.
Dafür spricht Iggo zufolge schon das schiere Volumen der EZB-Anleihekäufe: Als die Fed und die Bank of England ihre Quantitative-Easing-Programme betrieben, hätten sie rund die Hälfte des Neuemissionsvolumens ihrer Regierungen aufgekauft. „Für das EZB-Programm wird dagegen erwartet, dass sein Volumen mehr als doppelt so hoch wie das der Neuemissionen im Euroraum ist“, erläutert Iggo. „Damit wird der Gesamtwert der außerhalb der Eurozone gehaltenen Euro-Staatsanleihen sogar sinken.“ Dadurch könnten die Renditen eines immer größeren Teils der Euro-Anleihen künftig auf ein Niveau unterhalb der Nulllinie fallen. Ein weiteres Abflachen der Zinsstrukturkurve wäre die Folge.
„Man kann nun der Ansicht sein, dass diese Bewegungen eine völlig normale technische Reaktion sind, getrieben von Angebot und Nachfrage“, so Iggo. „Oder man kann sie rationalisieren, indem man darauf verweist, dass eine Laufzeitprämie bei Euro-Anleihen unnötig ist – schließlich könnte es sein, dass die EZB die Zinsen eine ganze Generation lang nicht anhebt.“ Darüber hinaus gebe es aber auch keinen Bedarf mehr für eine Risikoprämie für Anleihen weniger solider Staaten, denn das Quantitative Easing bedeute, dass die Eurozone nie auseinanderbrechen werde und die Staatsverschuldung innerhalb des Währungsraumes de facto sozialisiert werde. „Um es deutlich zu sagen: Das Kreditrisiko Italiens ist genauso hoch wie das von Deutschland“, erklärt Iggo.
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