Kommentar
11:00 Uhr, 02.02.2018

Die China-Falle und was sie bedeutet

China hat eine sehr beeindruckende wirtschaftliche Entwicklung hinter sich. Nun droht das Land in eine Falle zu geraten, aus der es nicht mehr herauskommt.

  • China blickt auf Jahrzehnte sehr starken Wachstums zurück
  • Einige Effekte, die Chinas Wachstum befördert haben, ebben nun ab
  • China befindet sich in einer Übergangsphase. Das Bevölkerungswachstum geht zu Ende, es folgt die Überalterung der Gesellschaft
  • Es "droht" eine ähnliche Entwicklung wie in Japan
  • China muss seine Wirtschaft umbauen, zumal die Arbeitskosten für die "Werkbank der Welt" inzwischen zu hoch sind

Viele Entwicklungsländer blicken neidisch auf China. Es ist eines der wenigen Länder, welches über Jahrzehnte rapides Wachstum ausweisen konnten. Hunderte Millionen Menschen wurden so aus der Armut geholt und können sich nun zur globalen Mittelklasse zählen.

Diese Entwicklung ist nicht nur Zufall. Einen Teil kann man der rigiden Politik durchaus zuschreiben. Es gibt aber auch einen Teil, der mehr dem Zufall zu verdanken ist. Diese zufälligen positiven Effekte ebben jetzt ab und damit könnte China in eine Falle tappen. Es handelt sich dabei um die mittlere Einkommensfalle (middle income trap).

Grafik 1 zeigt, was unter dieser Falle zu verstehen ist. Es ist die Stagnation der Einkommen relativ zu weit entwickelten Ländern. Mexiko hat es zum Beispiel nicht geschafft, den Abstand zu den USA zu verkleinern. Obwohl Mexiko solides Wachstum vorweisen kann, hat es das Land nicht geschafft, zu Staaten mit hohen Einkommen aufzuschließen.

Es gibt eine ganze Reihe an Ländern, die ihre Einkommen und damit auch den Lebensstandard im Vergleich zu weit entwickelten Ländern nicht schließen können. Ihr relatives Einkommen stagniert seit Jahrzehnten. So sind etwa Argentinien und Südafrika heute immer noch dort, wo sie schon vor fast 30 Jahren waren.

China ist eines der wenigen Länder, die den Abstand seit Jahrzehnten verringern konnten. Nun befindet sich das Einkommen jedoch auf dem Niveau vieler anderer Länder und es muss sich erst noch zeigen, ob der positive Trend eine Fortsetzung finden kann.

Ein Grund für die Stagnation in vielen Ländern ist einfach gefunden. Der Aufstieg von niedrigen zu mittleren Einkommen wird durch Produktion erreicht. Die Löhne sind niedrig und solange es die Infrastruktur und Institutionen hergeben, werden diese Länder zur Werkbank. Dies ermöglicht hohes Wachstum. Irgendwann aber sind die Löhne soweit gestiegen, dass sie keinen Wettbewerbsvorteil mehr darstellen. Die Produktion wandert weiter.

Geschieht das und hat das Land nicht ausreichend in Bildung, Innovation, Forschung und Entwicklung usw. investiert, bleiben die Einkommen, wo sie sind. Die Entwicklung ist festgefahren. China hat viel investiert, um dies zu vermeiden. Die Voraussetzungen für eine weiterhin robuste Entwicklung sind gegeben. Trotzdem zeigen sich erste Probleme.

Viele Güter werden global zu absoluten Schleuderpreisen auf den Markt geworfen. Produkte sind teils subventioniert oder werden gar unter den Produktionskosten verschleudert. Das zeigt die Not. Viel zu viele Jobs hängen an der Produktion von relativ einfachen Produkten, die eigentlich in anderen Ländern kostengünstiger hergestellt werden könnten.

China befindet sich in einer Übergangsphase. Ob der Übergang schnell genug gelingt, muss man abwarten. Gegenwind gibt es jedenfalls. Chinas Bevölkerung wird voraussichtlich bis in die späten 20er Jahre hinein wachsen und dann schrumpfen, doch schon jetzt zeigen sich die ersten Schwierigkeiten.

Grafik 2 zeigt dazu die Altersgruppen. Die Erwerbsbevölkerung (15-65-Jährige) hat gerade ihren Zenit überschritten, nachdem sie jahrzehntelang stark wuchs. Das war die Zeit der demographischen Dividende. Dabei stiegt die Zahl der Erwerbstätigen im Verhältnis zu Kindern und Personen über 65 schnell an.

Diese Phase wird als Dividende bezeichnet, weil ein immer kleinerer Teil der Bevölkerung von der Erwerbsbevölkerung abhängig ist. Im Jahr 2010 kamen 2,8 arbeitende Personen auf eine nicht arbeitende Person (Grafik 3). Das ist rekordverdächtig hoch. Japan und Deutschland hatten das in ihren besten Jahren nicht.

Nun beginnt die Bevölkerung aber zu altern. Immer weniger junge Menschen kommen nach. Dafür steigt die Zahl der Rentner. Immer weniger Arbeitnehmer kommen auf immer mehr nicht arbeitende Menschen.
Steigt das Verhältnis an, kann mehr gespart und investiert werden. Beginnt das Verhältnis zu sinken, kommt es zu immer geringerem Produktivitätswachstum und dem Abbau von Ersparten. Der Konsum wächst immer langsamer und Investitionen lassen sich schwerer finanzieren.

Chinas Bevölkerung beginnt gerade in extremen Tempo zu altern. Die Schulden sind allerdings schon jetzt sehr hoch. Im Normalfall verläuft es wie in Japan. Erst kommt der Boom und dann die große Stagnation mit sich auftürmenden Schulden. Die Schulden hat China bereits. Immerhin boomt das Land noch.

In den kommenden Jahren wird eine kleiner werdende Erwerbsbevölkerung zur Belastung. Gleichzeitig muss es China gelingen, die Wirtschaft umzubauen. Die Löhne sind für eine Werkbank einfach zu hoch. Das wird ein schwieriges Unterfangen. Der Falle zu entkommen ist die größte Herausforderung der nächsten Jahre. Gelingt dies nicht, sitzt China in der Falle. Das ganze System ist aber so aufgebaut, dass die Politik für Entwicklung sorgen muss. Gelingt das nicht mehr und ist keine Verbesserung des Lebensstandards mehr erkennbar, wird auch die Politik unter Druck kommen.

Clemens Schmale

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4 Kommentare

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  • Sebastian Solter
    Sebastian Solter

    Ein sehr guter Artikel, der zeigt, dass es nicht ausreicht, "nur" Werkbank der Welt oder von einzelnen Ländern zu sein, sondern dass die Werkbank-Länder diese Zeit nutzen müssen.

    13:21 Uhr, 02.02. 2018
  • rktrader
    rktrader

    China blickt auf Jahrzehnte sehr starkes Wachtum zurück

    richtig wäre:

    China blickt auf Jahrzehnte sehr starken Wachtums zurück

    derweil auf wen blickts zurück und das ist der Akkusativ

    😆

    11:11 Uhr, 02.02. 2018
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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