Kommentar
10:00 Uhr, 12.11.2007

Die Börsen in Ex-Jugoslawien sind angeschlagen

Lange Zeit kannten die Kurse an den Börsen der Nachfolgestaaten Ex-Jugoslawiens nur eine Richtung: die nach oben. Doch schon in den vergangenen Wochen hat der Elan merklich nachgelassen und die Märkte sind zumindest in Sarajewo und Belgrad in Seitwärtstrends eingeschwenkt. Bis vor kurzem konnten Anleger noch hoffen, dass es sich um eine normale Konsolidierung handelt, schließlich galt es auch einmal, die zuvor eingefahrenen starken Kursgewinne zu verarbeiten. Doch die Hoffnungen auf ein baldiges Wiederumschalten in den Vorwärtsgang haben sich in den vergangenen Tagen zerschlagen. Zumindest wenn man die Charttechnik als Ratgeber heranzieht. Denn die hat sich nachhaltig eingetrübt, wie die abgebildeten Charts zeigen.

Am schlimmsten erwischt hat es bisher den bosnischen SASX10-Index. Der hat gegenüber dem Rekordhoch bereits gut 50 Prozent an Wert verloren. Beim serbischen Belex15-Index steht inzwischen ein Minus von fast 25 Prozent zu Buche und auch in Kroatien und in Mazedonien haben die Kurse zuletzt heftig den Rückwärtsgang eingelegt. So verlor der mazedonische MBI10-Index zur Wochenmitte fast vier Prozent.

Poltische Probleme fordern ihren Tribut

Zur Begründung für die Rückschläge werden in den meisten Fällen politische Einflüsse angeführt. In Serbien sind bisher alle Verhandlungen über den künftigen Status der nach Unabhängigkeit strebenden Provinz Kosovo ergebnislos geblieben und so langsam fragen sich die ausländischen Investoren, ob nicht vielleicht doch die Gefahr einer gewaltsamen Lösung besteht.

In Bosnien lähmt sich die Politik selbst, die viele verschiedene Volksgruppen vertritt, und bestes Beispiel dafür ist die bisher nicht gelungene Umsetzung einer Polizeireform. In der Zwischenzeit ist übrigens auch Ministerpräsident Spiric zurückgetreten. Der Streit zwischen Bosniens Serben auf der einen Seite und dem internationalen Gouverneur in Sarajevo, Lajcak, auf der anderen Seite hat damit einen neuen Höhepunkt erreicht. Spiric sagte, da die Staatengemeinschaft mit Ausnahme Russlands Lajcak stütze, bleibe ihm nur der Rückzug. Serbiens Ministerpräsident Kostunica forderte Lajcak zum Rücktritt auf, da er für die Krise in Bosnien verantwortlich sei.

Was Mazedonien angeht, verkauft sich die dortige Regierung zwar als reformfreudig, doch das von der Notenbank verordnete Aus für die Makedonska Banka und das Vorhaben, dem Unternehmen Fersped wieder einen Teil der bei der Privatisierung erlangten Besitztümer abzunehmen, haben auch dort die Stimmung eingetrübt.

Wie schwierig die Lage auf dem Balkan insgesamt wieder einmal ist, zeigt sich an dem jährlichen Strategiepapier zur EU-Erweiterung, welche die Europäische Kommission in der kommenden Woche vorlegen wird. Denn Meldungen zufolge wird darin vor großen Schwierigkeiten im nächsten Jahr auf dem Balkan gewarnt.

Hohe Bewertungen sind ebenfalls eine Bürde

Als zusätzliche Bürde in einem solchen Umfeld erweisen sich die nach wie vor optisch hohen Bewertungen an den dortigen Börsen. So weist der serbische Belex-15-Index trotz der jüngsten Verluste noch immer ein historisches KGV von mehr als 40 auf und ein Kurs-Buchwert-Verhältnis von fast drei. Das sind natürlich Bewertungsrelationen, die beim Auftreten von Problemen gerne auch als Entschuldigung für Verkäufe herangezogen werden. Zumal es in der Regel auch nach den jüngsten Einbußen noch immer darum geht, die bisher in diesem Jahr eingefahrenen Kursgewinne zu verteidigen. Und außerdem war beispielsweise der kroatische Aktienmarkt einfach auch einmal reif für eine Konsolidierung

Als Optimisten hoffen wir zwar darauf, dass alle Balkan-Länder letztlich die Kurse kriegen und den Anschluss an die EU schaffen. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg und die Wegstrecke, die aktuell durchschritten wird, ist mit vielen Hindernissen gespickt. Das lässt speziell in Bosnien und Serbien keine schnelle Kurswende erwarten. Wer kurzfristig agiert, sollte deshalb über die Möglichkeit von Positionsglattstellungen nachdenken. Das gilt auch für entsprechende Regionenfonds, wie den an dieser Stelle bereits empfohlenen Hypo South Eastern Opportunities Fonds(ISIN: AT0000495908, 203,85 Euro). Denn auch diese Vehikel werden sich den derzeit vorherrschenden Korrekturtendenzen nicht entziehen können. Aufhellen dürfte sich die eingetrübte Lage erst dann, wenn in Serbien die Kosovo-Frage gelöst ist und in Bosnien endlich die dringend erforderlichen Reformen angegangen werden.

Quelle: Ostbörsen-Report

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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