Kommentar
12:15 Uhr, 09.10.2007

Die Börse in Prag braucht neue Impulse

Zuletzt konnten sich die Notierungen zwar wieder etwas befestigen, per saldo geht es mit den Aktienkursen an der Prager Börse aber seit mehr als fünf Monaten fast nur noch seitwärts. Seit Jahresanfang sieht die Bilanz mit einem Kursplus von rund 15 Prozent beim PX Index zwar besser aus. Aber im internationalen Vergleich ist das in diesem Jahr trotzdem nur Mittelmaß. Gebremst wird der Aufwärtsschwung nicht zuletzt durch die Bewertung. Denn im Durchschnitt kommen die elf im PX Index vertretenen Aktien auf Basis der für 2007 erwarteten Gewinne immerhin auf ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von gut 17.

„Damit sind tschechische Aktien billiger als polnische, aber teurer als ungarische", sagt Analyst Jakub Zidon von Ceská Sporitelna. Relativiert wird die auf den ersten Blick optisch hohe Bewertung durch die steigenden Unternehmensgewinne - bei der Raiffeisen Centrobank wird das Gewinnplus der PX-Vertreter im Durchschnitt für das Jahr 2007 auf 20,2 und für 2008 auf 18,9 geschätzt - sowie die andauernde positive wirtschaftliche Dynamik. So hat das tschechische Finanzministerium eben erst die Prognose für das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr von 5,8 Prozent auf 5,9 Prozent angehoben und für 2008 wird mit einem Zuwachs von 5 Prozent gerechnet. Und nachdem das Bruttoinlandsprodukt im ersten Halbjahr kräftig gestiegen ist, scheinen diese Vorgaben auch erreichbar zu sein.

Verhalten optimistische Kursprognosen

Während die Aktienkurse vom Wirtschaftswachstum weiter Rückenwind bekommen, erweist sich die Inflation zusehends als Bürde. Lange Zeit spielte das Thema Teuerung in Tschechien überhaupt keine Rolle, doch allein im August sind die Lebenshaltungskosten um 2,4 Prozent gestiegen. Und der Preisdruck dürfte nicht zuletzt wegen der Anfang 2008 fällig werdenden Mehrwertsteuererhöhung andauern. Die Volkswirte bei der Komercní Banka sehen die Inflationsrate bis ins erste Quartal 2008 bis auf 4,5 Prozent steigen. Daher verwundert es kaum, dass Beobachter mit weiteren Zinserhöhungen rechnen. Zumal der Leitzins mit 3,25 Prozent auch nach den in diesem Jahr bereits beschlossenen drei Zinsanhebungen noch immer relativ niedrig ist.

Positiv aus Sicht der Börsianer sind sicherlich die fallenden Unternehmenssteuern zu werten. Der Steuersatz von derzeit noch 24 Prozent sinkt im Jahr 2008 auf 21 Prozent und in den beiden Jahren danach noch einmal um jeweils einen weiteren Prozentpunkt. „Unter dem Strich neutralisieren sich aber die aus der Steuerreform resultierenden Effekte", erklärt Josef Nemý, Analyst bei der Komercní Banka.

Nennenswerte Kursimpulse, um den zuletzt zu beobachtenden Seitwärtstrend zu überwinden, dürften daraus folglich nicht resultieren. Die meisten Marktteilnehmer blicken aber dennoch verhalten optimistisch nach vorne. „Da die Gewinnaussichten für 2008 gut sind, rechnen wir im Zuge der anstehenden Berichtssaison mit einer Wiederaufnahme des Aufwärtstrends", prognostiziert etwa Aaron Alber von der Raiffeisen Centrobank. Dem PX Index, der aktuell bei 1.858 Punkten liegt, wird Ende 2007 ein Niveau von 1.900 Punkten zugetraut und im September 2008 ein Niveau von 2.000 Punkten.

Bisher nur eine Neuemission in diesem Jahr

Richtig in den Fokus der in Osteuropa aktiven Investoren wird der tschechische Aktienmarkt bei Eintreffen dieser verhaltenen Prognose vermutlich nicht rücken. Sehr hilfreich für die mit einer Marktkapitalisierung von rund 64 Milliarden Euro noch immer relativ kleine Börse wäre mehr Elan im Bereich Neuemissionen. Mit dem Gebrauchtwagenhändler AAA Auto wird seit dem 26. September zwar ein Unternehmen neu an der Börse notiert (der Kurs pendelt derzeit noch um den Emissionspreis von 55 Kronen je Aktie). Das ist aber lediglich der erste Kandidat, der in diesem Jahr den Sprung an die Börse wagt. Und mit einem anfänglichen Börsenwert von rund 139 Millionen Euro ist dieser Titel auch nicht dazu angetan, institutionelle Anleger anzulocken - zumal nur ein Teil der Aktien verkauft wird und der Wert mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 16 zudem nicht gerade günstig ist.

Ein ganz anderes Kaliber wäre da schon New World Resources, Muttergesellschaft des Kohleproduzenten OKD. Hinter dem Bergbaukonzern steckt eines der 20 größten tschechischen Unternehmen, und wenn es tatsächlich demnächst etwas werden sollte mit der bereits angedeuteten Börsennotiz, dann würde dies sicherlich der Prager Börse allgemein zugute kommen. Interesse an einem Börsengang haben außerdem einige Gesellschaften aus dem Immobiliensektor erkennen lassen. „Bis zu drei Neulinge könnten wir in diesem Jahr noch sehen", hofft Zidon. Aber bevor es nach AAA Auto zum nächsten Börsengang kommt, muss der tschechische Aktienmarkt vielleicht zunächst sogar erst noch den Abgang eines Vertreters aus dem PX verkraften. Denn die Abspaltungspläne für das internationale Tabakgeschäft, die der amerikanische Tabakkonzern Altria hegt, könnten letztlich auch zu einem Delisting von Philip Morris Czech Republic führen.

Quelle: Ostbörsen-Report

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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