Kommentar
07:52 Uhr, 03.06.2015

Die Börse im Wandel: Wie sich der Zweck von IPOs gewandelt hat

Börsen haben eine wichtige Funktion. Unternehmen können sich benötigtes Kapital beschaffen, um zu investieren und weiter zu wachsen. Anleger können im Gegenzug für die Bereitstellung von Kapital am Erfolg von Unternehmen partizipieren. Dieses einfache und gute Modell steht nun immer mehr unter Beschuss.

Selten war die Börse für Unternehmen so unbeliebt wie jetzt. Dabei geht es nicht um Unternehmen, die bereits an der Börse notieren, sondern um Unternehmen, die sich Geld beschaffen wollen. Immer weniger Unternehmen besorgen sich Kapital über die Börse, sei es durch Kapitalerhöhungen oder durch Börsengänge.

Grafik 1 zeigt die Anzahl an Börsengängen in den USA seit 1980. Seither sind über 9.000 Unternehmen an die Börse gegangen. Bis zum Jahr 2000 waren es über 7.000. Seitdem hat die Anzahl dramatisch abgenommen. Im Durchschnitt der Jahre 1980 bis 2000 gingen über 300 Unternehmen jedes Jahr neu an die Börse. Seit dem Jahr 2000 sind es im Durchschnitt nur noch 145. Das ist mehr als eine Halbierung.

Die absoluten Beträge, die durch Börsengänge eingenommen werden, sind ebenfalls leicht rückläufig, aber nicht ganz so stark wie die Anzahl der Börsengänge. Bis zum Jahr 2000 wurden pro Jahr durchschnittlich 56 Mrd. USD eingenommen. Seit dem Jahr 2000 sind es im Durchschnitt 38 Mrd. Das ist zwar eine Reduktion des absoluten Betrages, doch jeder einzelne Börsengang für sich genommen wird größer. Der durchschnittlich eingenommene Betrag lag vor der Jahrtausendwende bei etwas über 100 Mio. USD. Heute sind es mehr als 300 Mio.

Man kann getrost feststellen, dass heute weniger Unternehmen an die Börse gehen als früher und dass die Beträge, die pro Unternehmen eingenommen werden, steigen. Es sieht nicht so aus als würde sich dieser Trend schnell ändern. Die Zahlen für 2015 sind nur Schätzungen, basierend auf den Zahlen der ersten viereinhalb Monate. Sollten nicht noch größere Börsengänge angekündigt werden, dann ist die Aktivität dieses Jahr ziemlich gering.

Die Kapitalbeschaffung an der Börse funktioniert nicht nur über Börsengänge. Unternehmen können sich ebenso über Kapitalerhöhungen Geld besorgen. Hier ist der Trend jedoch nicht anders als bei Börsengängen. Die Nettoausgabe von Eigenkapital ist negativ. Das bedeutet, dass Unternehmen mehr Eigenkapital von der Börse nehmen als sie neu ausgeben. Diesen Trend zeigt Grafik 2. Die Beträge beinhalten Kapitalerhöhungen, Börsengänge und Aktienrückkäufe. Aktienrückkäufe nehmen Eigenkapital von der Börse weg.


Der Trend der Nettoeigenkapitalausgabe ist ähnlich zu dem Trend der Börsengänge. Bis zum Jahr 2000 wurden pro Jahr durchschnittlich 70 Mrd. von der Börse genommen. Seither sind es knapp 300 Mrd. jedes Jahr, die verschwinden.

Was sagt uns das, wenn Unternehmen immer seltener an die Börse gehen und mehr Eigenkapital zurücknehmen als ausgeben?

Unternehmen beschaffen sich offensichtlich immer weniger Kapital über die Börse. Firmen brauchen nach wie vor Geld wie eh und je, um zu investieren und zu wachsen. Für die großen Unternehmen wie General Electric oder Apple gilt das nicht. Diese Unternehmen haben so viel Bargeld, dass sie gar nicht wissen, wohin sie damit sollen. Die Kapitalbeschaffung über die Börse war allerdings für viele jüngere Unternehmen fast die einzige Möglichkeit sich zu finanzieren. Heute tun sie das nicht mehr über die Börse. Aber woher bekommen sie dann ihr Geld?

Im Gegensatz zu den Jahren bis 1990 haben Unternehmen heutzutage alternative Kapitalquellen. Die folgende Grafik zeigt, wie viel Geld Private Equity und Venture Capital Unternehmen jedes Jahr von Investoren einsammeln, um es anzulegen. Bis zum Jahr 1990 war die Summe vernachlässigbar klein. Im Durchschnitt wurden jährlich 7 Mrd. USD eingesammelt. Das hat sich schlagartig geändert. In den letzten Jahren lag der Durchschnitt bei fast 400 Mrd.

Vergleicht man diesen Trend mit der Nettoeigenkapitalausgabe, dann lässt sich ein enger Zusammenhang kaum bestreiten. Grafik 4 stellt den Zusammenhang her. Je höher die Summen, die Private Equity und Venture Capital Unternehmen einsammeln, desto negativer ist die Eigenkapitalausgabe an der Börse.

Unternehmen brauchen nach wie vor Eigenkapital. Sie beschaffen es sich jedoch immer weniger an der Börse, sondern bei Private Equity Unternehmen. Diese stellen das Eigenkapital zur Verfügung, sodass Firmen nicht mehr an die Börse gehen müssen.
Inzwischen sind die von Private Equity Unternehmen zur Verfügung gestellten Summen enorm groß. Grafik 5 zeigt diesen Trend. Über 2 Billionen wurden an Eigenkapital an Unternehmen zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig wartet noch sehr viel Cash darauf ebenfalls investiert zu werden. Die meisten Unternehmen brauchen die Börse einfach nicht mehr, um sich zu finanzieren.

Einzelne Unternehmen bevorzugen noch den Weg über die Börse. Viele der interessanten Unternehmen kommen jedoch erst an die Börse, wenn sie schon sehr groß und reif sind. Firmen wie Uber, Alibaba oder Facebook werden bzw. wurden von Investoren jenseits der Börse finanziert. Facebook und Alibaba gingen an die Börse als die bisherigen Investoren aus ihren Investments aussteigen wollten. Das bis zum Börsengang zur Verfügung gestellte Kapital wurde durch das Kapital von vielen Privatanlegern ersetzt.

Zum Zeitpunkt des Börsengangs ist ein Großteil der Wachstumsstory bereits vorbei. Ein gutes Beispiel ist Uber. Das Unternehmen beschafft sich inzwischen Milliardenbeträge über Private Equity Unternehmen und hat einen Marktwert von 50 Mrd. Wenn das Unternehmen dann an die Börse geht, dann wahrscheinlich mit einer Bewertung von 75 oder 100 Mrd. Private Equity Unternehmen haben dann lange vor dem Börsengang von dem Wachstum profitiert. Privatanleger gehen leer aus. Sie zeichnen dann bei Börsengang Aktien und zahlen die Private Equity Unternehmen aus. Diese können mit einem Gewinn von hunderten Prozent das Investment beenden, während Privatanleger vielleicht noch die Chance auf ein paar Prozent haben.

Die Finanzierung über Private Equity führt dazu, dass Unternehmen vor allem an die Börse gehen, um die Private Equity Investoren auszuzahlen und nicht, um sich frisches Geld zu beschaffen. Damit hat sich der ursprüngliche Sinn der Börse inzwischen stark gewandelt – für Privatanleger sicherlich nicht zum Besseren.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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