Kommentar
16:48 Uhr, 02.01.2019

Die Angst regiert!

Wer jetzt nicht bärisch ist, ist selber schuld, immerhin soll ja der ganz große Zusammenbruch des Marktes kommen. Das heißt: es regiert Angst

Der Titel dieses Artikels ist als maßlose Übertreibung zu verstehen. Eigentlich bin ich sogar wieder verhalten bullisch. Ein Grund dafür ist, dass viele andere extrem bärisch sind. Wenn man nicht den Weltuntergang prophezeit, muss man sich ja schon fast entschuldigen. Da kann das Tief nicht mehr weit sein.

Sentiment ist eine Möglichkeit für die Marktanalyse. Sie ist aber nicht unbedingt die zuverlässigste. Die Stimmung kann von Woche zu Woche oder sogar von Tag zu Tag enorm schwanken. Manchmal sieht es am Montag nach Weltuntergang aus und am Dienstag schon wieder nach Rallye. Optimal ist das nicht, wenn man zuverlässige Indikatoren sucht.

Schlechte Stimmung kann sich auch lange halten. Das war etwa 2008 der Fall. Die Internetsuche nach „Bärenmarkt“ erreichte schon im Frühsommer ein Hoch (Grafik 1). Danach ging es aber noch höher. Als das Tief des Bärenmarktes dann erreicht war, flaute das Interesse am Thema schon ab.


Wer hier also mit dem Interesse versuchte, den Markt zu timen, scheiterte. Dennoch ist es ein guter Sentimentindikator. Aktuell schlägt er wieder aus und erreicht Höhen, die seit 2008 nicht mehr erreicht wurden. Anleger sind schon in Panikmodus.

Persönlich favorisiere ich ein weiteres Verlaufstief. Ich bin also nicht so bullisch, dass ich sofort von einer Rallye ausgehe. Vielmehr spitzt sich die Lage rund um den Brexit und Government Shutdown in den USA weiter zu, so dass wir noch einmal tiefere Kurse sehen. Ein solches Tief ist eine exzellente Kaufgelegenheit, denn fundamental war der Markt schon lange nicht mehr so attraktiv.

Die Dividendenrendite des S&P 500 ist wieder an der oberen Range der letzten 10 Jahre angekommen und das Kurs-Gewinn-Verhältnis ist so niedrig wie seit 2013 nicht mehr (Grafik 2). Es geht natürlich immer noch günstiger. Das zeigt die Historie. 1980 lag das KGV bei weniger als 10 und die Dividendenrendite lag bei 5 %.

Die Zeiten waren allerdings auch andere. Der Leitzins war zweistellig, die Inflation ebenso. Bei so hohen Zinsen ist ein KGV von 18 einfach nicht gerechtfertigt. Heute ist das anders und es wird immer offensichtlicher, dass die Zinsen zumindest innerhalb der nächsten Jahre nicht auf 5 % oder gar 10 % steigen werden.

Die US-Notenbank wird, wenn sie Glück hat, noch 3 % erreichen. In der Eurozone gibt es, wenn überhaupt, nur homöopathische Schritte. Der Markt ist aus diesen Gesichtspunkten nicht unattraktiv bewertet. Schlimmer geht freilich immer. Und ganz ehrlich, ein Bärenmarkt, der Aktien 50 % verbilligt, wäre grandios. Wann erhält man schon solche Gelegenheiten?

Persönlich fürchte ich aber, dass es eine solche Gelegenheit nicht geben wird. Vielmehr halte ich es für wahrscheinlich, dass sich der Markt im ersten Quartal fängt und dann noch einmal kräftig steigt. Anleger preisen eine Rezession ein, die 2019 nicht kommt. Das wird in Q1 erkannt werden und führt zu einer Rally. 2020 werden die Karten neu gemischt. Die Rezession kommt ja auch, nur eben noch nicht jetzt.

Clemens Schmale

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18 Kommentare

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  • Glattsteller
    Glattsteller

    @Gutschi es gibt eben Leute, die kennen anscheinend nur Aufwärtsbewegungen. Und wenn die Kurse mal runter gehen, gibs pippi in den Augen.

    22:42 Uhr, 03.01.2019
  • Gutschi
    Gutschi

    Immer diese Panikmache.. wenn alles fällt bzw der Chart bärisch ist, dann wird halt geshortet.. ka, wo das Problem sein soll

    22:24 Uhr, 03.01.2019
  • MDADVISORY
    MDADVISORY

    Aktueller Crash des ISM sagt alles

    16:21 Uhr, 03.01.2019
  • MDADVISORY
    MDADVISORY

    Wer jetzt long geht hat sie doch nicht alle im Oberstübchen. Der downturn hat erst gerade begonnen.

    16:19 Uhr, 03.01.2019
  • Dragoslav
    Dragoslav

    Zusätzlich sollte bedacht werden, dass die Distributionsphase, welche im Sommer 2017 langsam begann, ein volles Jahr dauerte. Der Abschwung ist mit ein paar Monaten also noch sehr jung und viele sitzen mit Verlusten in den Positionen und versuchen nun zu verbilligen. Interessant ist auch die Terminmarktpositionierung im S&P 500. Kleinspekulanten massiv long, Hedgefonds ebenfalls. Nur die commercials bauten die Shortpositionen bei fallenden Kursen weiter aus, was völlig atypisch für diese Akteure ist.

    13:51 Uhr, 03.01.2019
  • Dragoslav
    Dragoslav

    Attraktiv fände ich dann eher so die 80 Jahre. Mit 2% Dividendenrendite lockt mich keiner. Interessant ist der Doppelchart S&P Kurs / Googlesuche Bärenmarkt. Nach dem 2008 nach etwa 15-20 % Kursverlust erstmals ein ähnlicher Wert erreicht wurde, halbierte sich der Index später noch einmal. Heutige Situation: Der S&P erlitt etwa 16% Kursverlust.......

    12:58 Uhr, 03.01.2019
    1 Antwort anzeigen
  • Gänseblümchen
    Gänseblümchen

    S&P versus Google Suche Bärenmärkte- langsam aber sicher bleibt mir die Spucke weg wenn ich den Herrn Schmale lese

    18:08 Uhr, 02.01.2019
  • Glattsteller
    Glattsteller

    Ich glaube bei einem "echten Crash" spielen diese ganzen Diskussionen mit Bär und Bulle überhaupt keine Rolle mehr. Ein Crash oder eine übertriebener Bullenmarkt sind wie ein Schwarzes Loch, dort sind alle Gesetzmäßigkeiten aufgehoben. Und das was wir zur Zeit haben ist eine Korrektur nicht mehr und nicht weniger. Von einem Crash sind wir noch entfernt.

    Bei einem echten Crash wollen alle nur noch raus aus dem Markt und Cash horten, da spielt es keine Rolle mehr, ob die Mehrheit zu pessimistisch ist, oder nicht. Wenn es in einem Gebäude brennt, wollen auch alle bloß raus, da interessiert es auch keinen, ob das Feuer evtl unter Kontrolle gebracht werden kann. So einfach ist das.

    18:07 Uhr, 02.01.2019
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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