Kommentar
14:26 Uhr, 23.02.2007

Deutschland: Mehrwertsteuerdelle wie aus dem Lehrbuch

1. Das deutsche ifo Geschäftsklima für die gewerbliche Wirtschaft ist im Februar nach seinem gesamtdeutschen Allzeithoch vom Jahresende 2006 nun zum zweiten Mal in Folge gesunken. Im Berichtsmonat verschlechterte es sich von 107,9 auf 107,0 Punkte. Damit wurden die Erwartungen der von Bloomberg befragten Volkswirte (Median: 107,5 Punkte) sowie die unseren (107,6 Punkte) abermals enttäuscht. Beide Komponenten des Geschäftsklimas gaben nach: die Lagebeurteilung um 1,2 Punkte auf 111,6, die Geschäftserwartungen für die nächsten sechs Monate nur halb so stark auf 102,6 Punkte.

2. Die Eintrübung des Geschäftsklimas fand über alle Branchen hinweg statt. Am stärksten fiel sie im Februar beim Bau und beim Einzelhandel aus. Hier kam es anscheinend zu einer Korrektur nach der Euphorie des von Sondereffekten geprägten Januars. Denn sowohl das milde Wetter als auch die stark beworbenen Rabattaktionen des Einzelhandels hatten zu Jahresanfang der aufkommenden Nachfragelücke, die die Mehrwertsteuererhöhung nun gerissen hat, entgegengewirkt. Diese dämpfenden Effekte dürfen im Februar jedoch weggefallen sein.

3. Dass die Rabattaktionen im Januar so gut angenommen wurden, ist relativ schnell erklärt: Spätestens seitdem „Geiz geil“ ist, kaufen die (weiterhin) preissensiblen Verbraucher nämlich zunehmend während der ehemaligen Schlussverkäufe, die seit der Abschaffung des Rabattgesetzes immer weitere Kreise ziehen. Nicht mehr nur Bekleidung und Schuhe werden spürbar verbilligt angeboten, sondern auch Unterhaltungselektronik oder gar Möbel. Dieses Phänomen ist nicht nur hierzulande, wo die Reallöhne sogar im Boomjahr 2006 gesunken sind, sondern auch in unserem Nachbarland Frankreich zu beobachten. Dort erfreuen sich die Arbeitnehmen zwar einer besseren Einkommensentwicklung, doch ist die Sorge um schwindende Kaufkraft jenseits des Rheins sogar größer. Dementsprechend sind die realen französischen Konsumausgaben für Industrieprodukte im Januar, in dem auch in Frankreich ein aggressiver Winterschlussverkaufs stattfand, atemberaubend um 0,6 % mom bzw. 7,1 % yoy angestiegen, wie heute Morgen vermeldet wurde.

4. Aber auch in den beiden anderen Branchen, dem Großhandel und dem verarbeitenden Gewerbe, verschlechterte sich das Geschäftsklima. Dabei war der Großhandel aber bereits im Januar merklich eingeknickt – im Nachhinein wohl als Vorbote der Februar-Entwicklung im Einzelhandel zu deuten. Im laufenden Monat nun war die Klimaeintrübung relativ gering. Ähnlich sah es im verarbeitenden Gewerbe aus, das sich insgesamt jedoch mit Abstand am besten hält. Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass die heutige Abkühlung des ifo Geschäftsklimas im Wesentlichen durch die Mehrwertsteuererhöhung verursacht ist. Denn von den vier die gesamte gewerbliche Wirtschaft ausmachenden Branchen ist das verarbeitende Gewerbe diejenige, die am wenigsten vom privaten Konsum und der Bauaktivität in Deutschland abhängig ist. Und genau diese beiden Nachfragekomponenten werden durch die Anhebung der Umsatzsteuer belastet. Die Exportaussichten des verarbeitenden Gewerbes haben sich indes ebenfalls leicht eingetrübt. Allerdings ist auch diese Entwicklung als eine Normalisierung zu interpretieren. Denn seit gestern wissen wir, dass der Außenhandel mit 2,1 Prozentpunkten einen seit der Wiedervereinigung noch nie da gewesenen Wachstumsbeitrag zum Bruttoinlandsprodukt geliefert hat. Eine Wiederholung oder gar Steigerung einer solchen Dynamik bei den Ausfuhren erscheint unrealistisch.

5. Angesichts der Schere, die sich bei den Geschäftsklimata der Eurozone zwischen dem deutschen und denen der anderen Volkswirtschaften im letzten Jahr aufgetan hat, ist die heutige negative Überraschung beim ifo Index nicht als dramatisch, sondern als Normalisierungsprozess zu bezeichnen. Erfreulich ist sogar, dass sich die Geschäftsklimata der deutschen Handelspartner in der Eurozone im Februar wieder aufgehellt haben – Frankreich, Italien, die Niederlande und Belgien hatten jeweils Anstiege der entsprechenden Indikatoren zu verzeichnen. Die Mehrwertsteuererhöhung wird die deutsche Wirtschaft und damit das ifo Geschäftsklima noch bis in das zweite Quartal hinein negativ beeinflussen. Die relativ stabilen Geschäftserwartungen – im Einzelhandel sind sie sogar den dritten Monat in Folge gestiegen – sind aber ein untrügliches Zeichen dafür, dass sich der zuletzt sehr kräftige Aufschwung danach fortsetzen und wohl auch den privaten Konsum erreichen wird. In dieses Bild passt beispielsweise auch die aktuelle Konjunkturumfrage des DIHK, die vergangene Woche veröffentlicht wurde: Dort gaben sich die rund 25.000 befragten Unternehmen bezüglich ihrer Beschäftigungspläne so optimistisch wie seit 1991 nicht mehr, überdies strebten sie an, ihre Investitionen abermals auszuweiten.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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