Kommentar
12:14 Uhr, 11.04.2013

Deutsche sind ärmer als Italiener, Spanier, Griechen!

Von wegen „arme“ Südländer und „reiches Deutschland“! Der typische deutsche Privathaushalt hat ein deutlich geringeres Nettovermögen als Haushalte in ALLEN anderen Euro-Ländern. Das ist das Ergebnis einer EZB-Studie, die in dieser Woche vorgestellt wurde. Die Bundesbank hatte einen Teil der Studienergebnisse bereits vor einigen Wochen veröffentlicht.

Ein typischer deutscher Haushalt hat laut Studie nur ein Nettovermögen von 51.400 Euro, während in Frankreich der mittlere Haushalt ein Nettovermögen von 113.500 Euro, in Italien von 163.900 Euro und in Spanien sogar von 178.300 Euro hat. Auch der typische griechische Haushalt kommt auf ein Nettovermögen von 104.000 Euro und hat damit ein doppelt so großes Nettovermögen wie der typische deutsche Haushalt! In Portugal (in den Medien zum Teil als „ärmstes Land Westeuropas“ bezeichnet) kommt der mittlere Haushalt auf ein Vermögen von 153.000 Euro. Das Vermögen des typischen Portugiesen ist also drei Mal so groß wie das Vermögen des typischen Deutschen!

Die oben genannten Werte entsprechen allerdings nicht dem arithmetischen Mittel, bei dem das Gesamtvermögen einfach durch die Anzahl der Haushalte geteilt wird, sondern dem sogenannten Median. Bei der Berechnung des Medians werden gedanklich alle Haushalte eines Landes nach ihrem Nettovermögen sortiert. Der Median entspricht dann dem Haushalt, der in der Verteilung genau in der Mitte liegt. 50% der Haushalte haben also weniger Vermögen als der Medianhaushalt und 50% haben mehr Vermögen. Die Verwendung des Medians hat den Vorteil, dass Extremwerte nicht so stark ins Gewicht fallen wie bei der Verwendung des „normalen“ Durchschnitts (arithmetisches Mittel).

Nimmt man statt des Medianvermögens das arithmetische Mittel, fallen die Unterschiede deutlich geringer aus, aber deutsche Haushalte sind auch bei Verwendung des arithmetischen Mittels ärmer als Haushalte in vielen anderen Euro-Staaten. Demnach kommt der durchschnittliche deutsche Haushalt auf ein Vermögen von 195.000 Euro, während das Netto-Durchschnittsvermögen in Frankreich 233.000 Euro, in Italien 275.000 Euro und in Spanien 291.000 Euro beträgt. Der durchschnittliche griechische Haushalt ist mit 148.000 Euro aber etwas ärmer als der durchschnittliche deutsche Haushalt.

Was ist die Erklärung dafür, dass deutsche Haushalte typischerweise ein deutlich geringeres Vermögen haben als Haushalte in anderen Euro-Staaten? Einer der wichtigsten Gründe ist die Wiedervereinigung. Der Medianhaushalt in Westdeutschland hat nämlich ein Nettovermögen von 78.900 Euro, der in Ostdeutschland nur von 21.400 Euro. Ein weiterer wichtiger Grund ist nach Angaben der Bundesbank der unterschiedlich stark ausgeprägte Immobilienbesitz. „Während in Frankreich 57,9 %, in Italien 68,4 % und in Spanien 82,7 % der Haushalte zu den Immobilienbesitzern zählen, sind es hierzulande gerade einmal 44,2 %“, stellt die Bundesbank fest. Immobilienbesitz geht aber im Schnitt mit einem höheren Vermögen einher. Das gilt nicht nur, weil man ein größeres Vermögen benötigt, um überhaupt eine Immobilie erwerben zu können. Menschen, die eine Immobilie erwerben wollen, sparen im Schnitt deutlich mehr als Menschen, die diesen Wunsch nicht verspüren. In vielen Ländern wohnen fast alle Angehörigen der Mittelschicht in eigenen Immobilien, während in Deutschland Mietwohnungen auch bei Angehörigen der Mittelschicht vielfach üblich sind. Der Zusammenhang zwischen Immobilienbesitz und Wohlstand macht sich extrem am Vermögen der deutschen Haushalte bemerkbar: Der mittlere Haushalt mit Immobilienbesitz hat in Deutschland ein Median-Nettovermögen von 160.200 Euro, der mittlere Mieterhaushalt nur ein Vermögen von 10.290 Euro.

Neben Wiedervereinigung und schwach ausgeprägtem Immobilienbesitz könnten noch weitere Gründe für das geringe Vermögen der Deutschen verantwortlich sein, z.B. die vergleichsweise hohe Steuern- und Abgabenlast in Deutschland und die umfangreiche Zerstörung von Vermögen im Zweiten Weltkrieg.

Der Grund dafür, dass Deutschland der Unterschied zwischen Median-Haushaltsvermögen und durchschnittlichem Vermögen größer ausfällt als in anderen Ländern, hat mit der deutlich ungleicheren Vermögensverteilung zu tun. Die reichsten 10 Prozent der Deutschen besitzen 59,2% des gesamten Nettovermögens der deutschen Haushalte! In anderen europäischen Ländern ist die Ungleichverteilung insgesamt deutlich schwächer ausgeprägt.

Oliver Baron

Links:

Pressemitteilung der Bundesbank

Studienergebnisse der EZB (englisch)

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Über den Experten

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Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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