Kommentar
07:05 Uhr, 10.07.2017

Der Smallcap-Wikifolio-Wahnsinn

Was im Nebenwerte-Bereich in den vergangenen Monaten „abging“, und anders kann man es fast nicht formulieren, erinnert mich stark an den Hype zu Neuer-Markt-Zeiten. Um André Kostolany zu zitieren: „Es sind sehr viele Greenhorns am Markt". Dass das auf Dauer nicht gut gehen wird, liegt auf der Hand.

Ich bin ein absoluter Fan von Nebenwerten. Abseits vom Mainstream unterbewertete Aktien auszugraben, macht mir persönlich jede Menge Spaß. Meine Stammleser auf GodmodeTrader dürften an der einen oder anderen Smallcap-Analyse in den vergangenen Jahren auch gut verdient haben.

Was im Nebenwerte-Bereich in den vergangenen Monaten aber „abging“, und anders kann man es fast nicht formulieren, erinnert mich stark an den Hype zu Neuer-Markt-Zeiten. Werte, für die sich zuvor niemand interessierte, vervielfachten sich plötzlich innerhalb kürzester Zeit. Ein Chart nach dem anderen wies fahnenstangenähnliche Züge auf. KGVs explodierten auf 25, 30, 40. Die Gier griff um sich. Nun sieht man langsam, wie die Blase platzt. Ein Beispiel dafür ist die Aktie von bet-at-home. Doch was war eigentlich passiert?

Multimillionen-Wikifolios investieren in Smallcaps

Meiner Einschätzung nach ist dieser Hype zu einem Großteil auf den Trend, in Wikifolios zu investieren, zurückzuführen. Hier entstand eine regelrechte Sogwirkung. Bei Privatanlegern sind Nebenwerte sehr beliebt, viele Wikifolio-Trader füllen ihre Depots mit Smallcaps. Die gute Performance so manchen Traders zog weitere Gelder an, die wiederum in die bestehenden Nebenwertepositionen investiert werden mussten. Die Hausse nährt die Hausse, heißt es so schön. Im Falle der Smallcaps könnte man sagen, der Hype nahm stetig zu.

Verwundern kann das keinen, denn auch durch viele Kommentare auf GodmodeTrader sieht man, dass der Blick der Anleger einzig und allein auf die Performancedaten geht. Mit welchem Risiko ein Trader diese Performance erzielt hat, da hört es bei der Analyse der meisten dann auch schon wieder auf. Interessenten gehen also auf die Wikifolio-Seite, suchen sich die besten Performer der letzten drei oder sechs Monate aus und schon ist das Geld investiert.

Die Konsequenzen, die sich daraus ergeben haben, sind nicht zu unterschätzen. Inzwischen haben Smallcap-Wikifolios Volumina von mehreren Millionen Euro erreicht, das Top-Wikifolio nach Volumen liegt bereits über 30 Millionen Euro und hat ebenfalls ausnahmslos Smallcaps gekauft. Warum ist das grenzwertig?

Risiko- und Moneymanagement oftmals kein Thema

Die Trader auf Wikifolio traden ein fiktives Portfolio. Beispielsweise ist dieses Portfolio mit fiktiven 100.000 Euro bestückt. Wenn ein Trader nun 10 Prozent dieses Portfolio in einen Smallcap steckt, wären das 10.000 Euro. Das kann im Einzelfall bei sehr marktengen Werten im „echten Leben“ auch schon viel sein. In der Regel sollte es aber kein Problem darstellen. Nun ist ein Trader über einige Monate hinweg erfolgreich, hat sogar mehrere Millionen Euro an Geldern einsammeln können: Wir gehen einmal von 5 Millionen Euro aus. Behält er nun seine Strategie bei, investiert er fiktiv in seinem vielleicht bei inzwischen 150.000 Euro stehenden Depot erneut 10 Prozent des Volumens, also 15.000 Euro. In der Realität bewegt er damit aber nicht mehr 15.000 Euro, sondern bereits 500.000 Euro.

Trader, die Erfahrung haben und gutes Risiko- und Moneymanagement betreiben, würden nun ihre prozentuale Depotgewichtung natürlich enorm herunterfahren. In der Realität ist es aber so, dass viele Trader in ihren Wikifolios nicht umstellen. Sie investieren weiterhin gleichgewichtet, beispielsweise in 10 Positionen à 10 Prozent.

Müssen nun Positionen verkauft werden, würden auf einen Schlag mehrere 100.000 Euro bewegt. Im Falle eines Verkaufs dürfte das diverse Smallcaps prozentual zweistellig nach unten drücken. Im Falle eines Kaufs macht der Wikifolio-Betreiber sich den Kurs dagegen quasi „selbst“, sorgt durch seine große Order für gehörigen Kaufdruck und einen Kursschub in der Aktie. Andere Trader sehen das, teilweise auch in ihren Wikifolios, springen auf, und der Trend verselbstständigt sich.

Alles auf eine Karte

Einzelne Trader sind mir bereits aufgefallen, die bis zu 40 Prozent (!!!) ihres Portfolios in einen einzigen Wert stecken, in die Aktie und zusätzlich in Optionsscheine. Und das bei einem Portfoliowert von mehreren Millionen Euro.

Ich kann mich dem Eindruck nicht erwehren, dass hier Trader ihr Unwesen treiben, die vielleicht offiziell eine Trading-Erfahrung von 15 oder 20 Jahren angeben, aber nicht einmal durch eine Korrektur erfolgreich durchgekommen sind. Einen anderen Eindruck kann man auch nicht gewinnen, wenn man deren Risiko- und Moneymanagement betrachtet.

Weitere „nette" Beiwerke des Wikifolio-Hypes: Trotz Marktmissbrauchsverordnung werden Wikifolios mit Werten bestückt, die anschließend von den Redakteuren in diversen Börsengazetten künstlich nach oben getrieben werden. Auch machen Research-Reports zu den in Wikifolios gehaltenen Werten die Runde. Für diese sollen Trader, die ja eigentlich sowieso schon durch erhöhte Nachfrage die Kurse der Portfoliowerte des Erstellers nach oben treiben und ihm so in die Hände spielen, auch noch Geld bezahlen.

Die nächste Korrektur kommt bestimmt

Das Projekt „Wikifolio" existiert seit 2012. Seit 2011 kennen die Märkte eigentlich nur eine Richtung: nach oben. Keines der Portfolios musste folglich bislang einen echten Crash überstehen. Ich bin seit 1999 am Markt. Ich habe einige Crashs erlebt. Wenn ich mir die Portfoliostruktur der Millionen-Wikifolios ansehe, so lässt sich eine einfache Prognose abgeben: Die nächste Korrektur werden viele Depots nicht überleben, Millionen Euro werden vernichtet werden. In den vergangenen Wochen wurden bereits Hunderttausende von Euro vernichtet.

Bildlich vor mir sehe ich das Börsen-Urgestein André Kostolany, der am 4. September 1998 in einer NDR-Talkshow loswetterte, viele Greenhorns seien am Markt, der Neue Markt Betrug und manipuliert, und das werde böse enden. Er würde sich angesichts der einen oder anderen aktuellen Entwicklung am Markt wohl auch im Grabe umdrehen.

Über die Marktmissbrauchsverordnung wurde im vergangenen Jahr viel diskutiert. Vielleicht sieht sich die Bafin ja das Gebaren rund um die Smallcap-Wikifolios in Zukunft etwas genauer an. Ich würde es auch begrüßen, wenn die Wikifolio-Verantwortlichen bei der Gestaltung der Portfolios strengere Regeln etablierten.

Grundsätzlich bin ich gespannt, wie es ausgehen wird. Wobei, den Ausgang kenne ich eigentlich schon ...

Auf Diskussionen zum Thema Smallcaps im Allgemeinen und natürlich auch zur angesprochenen Thematik im Speziellen freue ich mich auf meinem Guidants-Desktop.

29 Kommentare

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  • Terraformer
    Terraformer

    wusa

    16:52 Uhr, 09.02.2018
  • Sascha Huber
    Sascha Huber Experte für Kryptowährungen

    Ansonsten, Sober Burak, halt die Rezeption in Schuss, für mehr reichts halt bei Dir nicht!!

    14:13 Uhr, 11.07.2017
  • 1 Antwort anzeigen
  • Bastian Galuschka
    Bastian Galuschka Chefredakteur

    Ich wurde gebeten, noch etwas mehr ins Detail zu gehen. Einige Punkte daher ergänzend zu diesem Artikel noch auf meinem Guidants-Stream:

    https://www.guidants.com/share/streampost/,133006

    21:37 Uhr, 09.07.2017
  • kopfsache
    kopfsache

    kann da herrn kühn und herrn galuschka nur zustimmen und ja! es wird ein böses ende nehmen, dass ist mal sicher.

    sicher lassen sich l&s nicht in die karten kucken und verraten ihre hedge-strategie. klar ist aber dass sie real im markt aktive sein MÜSSEN! den zerti-schwachsinn werden sie wohl über bestimmte optionsstrategien mit fdax-gehedge abbilden, aber die aktienwerte müssen sie teilweise real kaufen/verkaufen, da der optionssmarkt da oft auch nix hergibt.

    sehr problematisch ist auch, dass l&s gleichzeitig als market maker auftritt und er eigentlich ein massives interesse daran hat, dass die anleger ihr geld verlieren. allein aus dieser tatsache heraus würde ich niemals ein wikifolio-zerti kaufen, obwohl ich selbst zertifikate handle bei wikifolio und in diesen zeitweise über ne halbe mille investiert war.

    10:50 Uhr, 09.07.2017
  • Ludwig van B.
    Ludwig van B.

    Generell ist es gut auf Gefahren hingewiesen zu werden. Ich finde es nur etwas problematisch sich nur auf " Smallcap Wikifolio" Wahnsinn zu beziehen.

    Nebenwerte sind eben von Haus aus handelstechnisch sensitiver als die Dax-Titel.

    Die Fondsmanager für Nebenwerte, die ETF's-Anpassungen auf Nebenwerte, alle können ordentlichen Einfluß auf den Kursverlauf haben. ....

    Soll man jetzt von jedem "Social Trader" (Wikifilio, Ayondo, etc. einen qualifizierten Befähigungsnachweis verlangen. Der Besitz eines Führerscheins macht einem nicht automatisch zu einem verantwortungsbewußten Fahrer. Was ist mit Robo Advicern? Wie stellt man sich ein passendes Regelwerk vor um Mißbrauch zu verhindern?

    Was ist mit den perversen Short Attacken ala Godham z.B. auf Aurelius. Richtig wäre es den Short-Handel zu verbieten, oder ..... ?

    Wertpapierhandel ist mit Risiken verbunden und noch einmal - es ist gut auf Gefahren aufmerksam gemacht zu werden.

    "Börse ist Wahnsinn - bei diesen Manipulationen, die da täglich ablaufen" - da braucht man sich nicht auf "Wikifolio" und Nebenwertewahnsinn zu beziehen.

    P.S.

    Der Betreiber des 30 Mio. Wiki hat , soviel ich weiß, auch Sonderregeln mit L&S vereinbart ( wegen der Größe). Direkt im Nachhinein folgt dann der Satz "Risiko und Moneymanagement..."

    Gerade dieses Wiki handelt nach einem strikten Regelwerk (Levermann) . Jetzt kommt vielleicht gleich die Bemerkung auf das Wort "oftmals". Vielleicht war das Timing zufällig.

    Niemand wird wohl abstreiten, dass Sascha Gebhart mit seinem Nebenwerte- Wikifolio (9.4Mio.) verantwortungsbewußt umgegangen ist ;-) und ich kenne zumindest aus Foren einige seriöse Social Trader von Nebenwerten. Nebenwerte sind einfach spannend - leider halt auch riskanter

    14:56 Uhr, 08.07.2017
    1 Antwort anzeigen
  • 1 Antwort anzeigen
  • TraderOnkel
    TraderOnkel

    Lang und Schwarz kauft definitiv die Aktie im Hintergrund, dies habe ich an meinem eigen Wikifolio an den Börsenumsätzen nachvollziehen können. Was passiert wenn das größte Wikifolio eine Position liquidiert sah man kürzlich an der Aktie von Accentro und hier wurde die Position lediglich reduziert und die Aktie verloren zweistellig an einem Tag...

    14:19 Uhr, 08.07.2017
    1 Antwort anzeigen
  • Markus F.
    Markus F.

    Hallo Herr Kühn, danke,ich lerne gerne dazu! Je kleiner die Werte, umso eher sind sie dann im Zertifikat enthalten! Sehe ich das richtig. Die Antwort von Lang&Schwarz damals auf meine Frage, ob die Werte des Wikifolios im Zertifikat enthalten sind lautete aber: Es ist keine Bedingung, das überhaupt ein Wert des Wikifolios im Zertifikat enthalten ist. Danke für die Info.

    09:14 Uhr, 08.07.2017
    1 Antwort anzeigen
  • Markus F.
    Markus F.

    Sehr geehrter Herr Galuschka , in Bezug auf den Smallcap - Hype gebe ich ihnen absolut Recht. Das diese Wikifolio-Trader oftmals keine große Erfahrung haben und das dies gründlich schief gehen kann und wird, auch da gebe ich ihnen Recht! Allerdings wird der Hype weniger durch die Investitionen in die Wikifolios angeheizt , da Wikifolios ja rein virtuelle Portfolios sind ! Und die darauf basierenden Zertifikate von Lang&Schwarz bilden diese Indizes nach. Das so ein Zertifikat als Derivat im Gegensatz zum Fonds oder ETF möglicherweise keinen einzigen Wert des Wikifolios ( der Emittent fährt unterschiedliche Absicherungsstrategien) beinhaltet, brauche ich ihnen wohl nicht zu sagen. Deshalb hat es auch keinen Einfluss, ob in dem Zertifikat 10 € oder 10 Millionen € investiert sind, da die Werte des Wikifolios nicht im Zertifikat gehandelt werden. Wohl aber können die Werte durch den Informationsfluss gehypt werden.

    Das soll keine Kritik sein, sie machen tolle Arbeit

    08:58 Uhr, 08.07.2017
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Bastian Galuschka
Bastian Galuschka
Chefredakteur

Bastian Galuschka ist seit über 20 Jahren an der Börse aktiv. Er entdeckte bereits zu Schulzeiten seine Leidenschaft für die Börse. Über fünf Jahre lang war der Diplom-Volkswirt als Redakteur bei einem bekannten Anlegermagazin tätig und verantwortete dort den Bereich Charttechnik. Seit März 2013 verstärkt er die Redaktion der stock3 AG. Bastian Galuschka kombiniert bei seinen Analysen gerne Fundamentaldaten mit charttechnischen Aspekten. Gerade im Smallcapbereich hat sich der Analyst über viele Jahre ein fundiertes Wissen aufgebaut. Seit Juni 2023 ist Galuschka Chefredakteur von stock3.

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