Der selbst zugefügte Dolchstoß in den Rücken - ein Volk ohne Tribun
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Nun ist das Unvermeidliche eingetreten, KT ist weg, aber das Volk will ihn wieder haben. Was ich teilweise auf Facebook lese löst in mir Mischungen aus Lach-und Weinkrämpfen aus. Da wird zu Demonstrationen gegen den Rücktritt aufgerufen, die Presse als verbrecherisch gebrandmarkt, Verschwörungstheorien aufgebaut (es war alles eine einzige Kampagne!). Nur einer scheint maximal marginal Schuld am Geschehen zu sein: KT zu Guttenberg selber.
Mit seiner in meinen Augen und Ohren unrühmlichen Abschiedsrede hat er der modernen Variante der Dolchstoßlegende auch noch persönlich Munition geliefert. Schluss der Rede: Er war am Ende seiner Kräfte (glaube ich ihm!). Der Punkt ist: das sollte nicht der Grund für seinen Rücktritt sein, sondern die Einsicht, dass er es viel zu bunt getrieben hat mit seiner Titelgeilheit.
Damit komme ich zu einem weiteren Punkt der mich staunen lässt: Denn KT´s Jünger betonen unisono, dass ein Dr. Titel nicht wichtig sei und ohnehin nichts bedeute; somit ist ihnen egal, ob Copy King Karl betrogen hat oder nicht; und überhaupt: Das macht doch jeder!
Abgesehen davon, dass das natürlich genauso ein dümmliches Totschlagargument ist wie das unerträgliche "Gibt es nichts wichtigeres", mit dem man von allem und von jedem Fehler ablenken kann, übersehen die treuen Apostel, dass ihr Messias genau diesen Punkt eben völlig anders sieht: Ihm sind Titel, und insbesondere der Dr., extrem wichtig. Er hat ja nicht nur geklaut und betrogen um den Dr. zu bekommen, sondern - was ich fast noch schlimmer finde - sagte im noch blassen Angesicht der erdrückenden Beweislage: "Die Entscheidung, den Doktortitel nicht zu führen, schmerzt". Da wusste er aber schon seit Jahren, dass er die Arbeit entweder nicht selber geschrieben hat oder aber kopiert, was beides inakzeptabel ist. Aber den Titel (bzw. Grad) nicht tragen zu dürfen schmerzt! Das kann ja wohl nicht wahr sein was er da von sich gibt!
Dem Volk scheint das alles egal zu sein oder es macht die Augen zu. KT zu Guttenberg ist nicht, was die Menschen in ihm sehen. Mit dem gemeinen Volk hat er absolut nichts gemein.
Sie wundern sich vielleicht über diese Worte. Ich habe erst kürzlich geschrieben, dass ich Guttenberg als Kanzler will, auch wenn er über die Affäre stolpert. Das ist nach wie vor so, auch wenn die letzte Woche für mich sehr enttäuschend war. Ich halte ihn für einen sehr fähigen Kopf, und meiner Meinung nach könnte er schon 2013 als Kanzlerkandidat oder aber (nach dem Lauf der Dinge wohl wahrscheinlicher) als Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten in Bayern auflaufen.
Aber ich fand die Pressebearbeitung der Thematik völlig legitim und sehe darin keinesfalls eine Kampagne (ohne die penetrante Presse würde er heute noch behaupten die Vorwürfe seinen abstrus!); und sein vorläufiges Abtreten war nach den Geschehnissen ein Muss. Ich rate jedem der das anders sieht, sich einmal mit der Historie der Abgänge von Verteidigungsministern zu beschäftigen; die meisten sind wegen weniger gegangen!
KT zu Guttenberg sollte ein sehr schnelles Comeback vermeiden, auch wenn das Volk den Tribun lauthals ruft. 2013 ist er 41 Jahre alt - dann ist er immer noch ein sehr junger Ministerpräsident (oder gar Kanzler) und CSU-Chef. Ich wünsche ihm allerdings zwei sehr intensive Jahre der Läuterung.
Ihr
Daniel Kühn
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