Kommentar
16:16 Uhr, 13.04.2022

Der Realzins ist viel höher, als man denkt

Bis Notenbanken mit Zinserhöhungen die Inflation einholen, dauert es noch. Der Realzins müsste deutlich im negativen Bereich sein, ist er aber nicht.

In den USA deuten sich mehrere Zinsschritte von 0,5 Prozentpunkten an. Bis Jahresende wird ein Leitzins von mindestens 2 % erreicht. Das ist eine sehr schnelle Zinswende, allerdings sind 2 % oder sogar 3 % Leitzins bei einer Inflationsrate von 8,5 % nur ein geringer Trost.

Wer die Inflationsrate vom Leitzins abzieht, sieht einen stark negativen Realzins. Diese Betrachtung ist allerdings etwas zu einfach. Die Inflation ist heute sehr hoch, doch sie wird nicht für immer auf diesem hohen Niveau bleiben. Inflation wird von Rohstoffpreisen bestimmt und Rohstoffpreise werden sich nicht Jahr um Jahr verdoppeln. Je höher der Preis steigt, desto eher fällt die Nachfrage. Höhere Preise wirken, wenn man so will, höheren Preisen entgegen.

Dem Geld auf dem Konto hilft das wenig. Hier sinkt die Kaufkraft aktuell rasant. Ob in den USA oder Deutschland, der Realzins, der in diesem Moment gilt, ist stark negativ. Ein Realzins von -7 % oder -8 % gilt jedoch nur für kurze Zeit, einerseits, weil die Zinsen steigen werden, andererseits, weil auch die Inflation in absehbarer Zeit zurückgehen wird.

Es ist unwahrscheinlich, dass die Kaufkraft von Bargeld Jahr um Jahr um 8 % sinkt. Daher blickt man auf dem Finanzmarkt selten auf den momentanen Realzins (Leitzins minus Inflation). Dieser kann von einem Monat zum nächsten sehr unterschiedlich ausfallen. Will man wissen, wie sich die Kaufkraft mittelfristig entwickelt, ist der momentane Realzins nicht nützlich.

Der Blick richtet sich daher auf Renditen von Staatsanleihen mit längerer Laufzeit. Zieht man die Inflationsrate von 10-jährigen US-Anleihen (T-Note) ab, ist der Realzins immer noch deutlich negativ. Er ist sogar negativer als in den 70er Jahren (Grafik 1).

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Diese Betrachtung hat Tücken. Ein Aspekt hat sich seit den 70er Jahren verändert. Das ist der Steuersatz. Wer Zinszahlungen erhält, muss Steuern zahlen. Die Inflation zieht man von dem, was übrigbleibt, ab. Da der Steuersatz gesunken ist, ist der Nachsteuer-Realzins heute nicht negativer als in den 70er Jahren (Grafik 2).

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Die Betrachtung ist nun immer noch nicht korrekt. Wer die aktuelle Inflationsrate von 8,5 % in den USA von der Rendite 10-jähriger Anleihen abzieht, geht davon aus, dass die Inflationsrate auch bei 8,5 % bleibt. Das ist über einen Zeitraum von 10 Jahren unwahrscheinlich. Korrekt ist es, wenn man die Inflationsrate abzieht, die über die nächsten 10 Jahre erwartet wird.

Tut man dies, ist der Realzins in den USA soeben über die Marke von 0 % gestiegen (Grafik 3, graue Linie). Damit ist der Realzins nicht gerade üppig. Immerhin aber befindet er sich auf einem Niveau, welches in den vergangenen 10 Jahren nicht unüblich war. Da die Wirtschaft heute höher verschuldet ist und sich das Wachstum abschwächen wird, ist ein positiver Realzins bereits eine kleine Sensation.

Der-Realzins-ist-viel-höher-als-man-denkt-Kommentar-Clemens-Schmale-GodmodeTrader.de-3

Ob der Realzins positiv bleibt, hängt von zwei Faktoren ab. Einerseits hängt der Realzins von der Anleiherendite ab und andererseits von den Inflationserwartungen. Die Erwartungen bewegen sich immer noch nicht vom Fleck (Grafik 4). Man kann sich im aktuellen Umfeld kaum vorstellen, dass die Erwartungen korrekt sind. Es wird eine durchschnittliche Jahresinflationsrate von etwas über 2 % über die nächsten 10 Jahre erwartet. Das erscheint optimistisch. Dennoch ist der Realzins weniger negativ, als man vielleicht meint.

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  • Icaro
    Icaro

    Etwas fehlt mir noch bei dieser Betrachtungsweise :

    Der Kurswert für die 10-jährigen Staatsanleihen ist auf dem All- time- high einer Blase.

    Die Zinsen haben im Umkehrschluss das Tal hinter sich.

    Die Notenbanken "müssen" ja schon fast die hohe Inflationsrate mit steigenden Zinsen

    bekämpfen. (s. oben am Anfang des Art.)

    Das haben Sie in den 70 er Jahren auch mit sehr hohen Zinsen erfolgreich

    gemacht. ( 8 - 11 % ?)

    Diese kann sich beim heutigen Schuldenstand der Unternehmen und Staaten Niemand mehr

    leisten ohne pleite zu gehen, oder noch mehr inflationäres Geld zu drucken.

    Wenn die "Sicherheits- orientierten" Kapitalanleger merken, dass Sie im

    festverzinslichen Bereich bei steigenden Zinsen im Kurswert rasant Geld

    verlieren, werden Sie in Scharen davon laufen.

    Ich denke, dass diese Blase im Bund-Future jetzt bereits angestochen ist.

    Kennen Sie den Effekt, wenn jemand einen prallen Luftballon mit offenem

    Mundstück loslässt.( °!°) ? ; da brauchst gar keine Nadel, geht von Selbst.

    Ich frage mich, Wo diese heisse Luft dann eingefangen wird,

    wenn das FIAT Geld immer weniger Wert wird und jeder verstanden hat,

    dass nur Sachwerte ihren Wert erhalten.

    Wird der Kapitalmarkt für Anteile am Betriebsvermögen ( Börse ) eine

    versehentliche Rezession durch mehrere übereifrige Zins-Schritte

    überleben ?

    Der Immobilienmarkt ist es wohl auch nicht, denn der schwimmt ja ebenso

    wie ein zum Platzen aufgepumptes Schlauchboot auf dem

    Meer der Liquidität.

    Wer kauft Schlauchboote zu hohen Zinsen, ?

    wenn sie keine Handbreit Wasser

    mehr unter dem Kiel haben ?

    Man könnte auf die Idee kommen, die Wertbeständigkeit von Gold

    und

    die weltweit kostenlose Transaktion von demokratischen (!) BitCoins zu verbinden.

    Wennn alle BitCoins "gerechnet" sind, fallen auch die Stromkosten auf den

    reinen Verwaltungsbetrieb, - in der hochgelobten BlockChain.

    Denn,

    In einem goldgedeckten digitalem Tauschmittel, das nicht mehr "gedruckt"

    werden kann , steigt die Bewertung, sie fällt nicht .

    Bei den Chinesen heisst diese dort staatlich (!) kontrollierte (WELT-Währung ?)

    bereits CBDC - Central Bank Digital Currency-

    Ich würde sie "Global" nennen.

    14:27 Uhr, 15.04.2022

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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