Kommentar
12:06 Uhr, 12.09.2017

Der Gaul wird geritten, bis er tot ist

Die Zentralbanken haben den Märkten ein Land versprochen, in dem Milch und Honig fließen. Und jetzt scheinen wir wirklich dort angekommen zu sein! Welch Schlaraffenland!

Angriffe auf Demokratie und Rechtsstaat? Für Anleger kein Thema. Der türkische ISE-Index kratzt am Rekordhoch von 110.000 Punkten. Nun denkt man darüber nach, den Kurs durch 100 zu teilen – und erhofft sich davon eine optische Vergünstigung - ein Taschenspielertrick, der neue Anleger anlocken soll. 1100 Punkte würden schließlich günstiger aussehen als 110.000 Punkte - geklappt hat das schon mal: Vor gut 40 Jahren brachte der „Index-Split“ zweistellige prozentuale Kursgewinne.

Blickt man an andere eher illiquide und normalerweise nicht im Anlegerfokus stehende Börsen, erkennt man eine ähnliche Renaissance. Ob diese Börsen-Renaissance mit Aufklärung zu tun hat oder mit der bloßen Angst, etwas zu verpassen, muss jeder für sich selbst beantworten. Osteuropäische Börsen sind ein Beispiel. Polen scheint gerade aus der EU zu stolpern, aber Anleger treiben Aktien dort in die Höhe, schließlich sind sie im Bewertungsvergleich mit deutschen Aktien günstig.

Und auch wenn ich mir vor meinem geistigen Auge bereits emotional aufgeladenen Protest bei einigen Lesern vorstellen kann (der mich wiederum in meiner These bekräftigt) sehe ich den Anlagenotstand auch durch Kryptowährungen bestätigt.

Hier wie in jeder Hausse wird der Gaul geritten bis er tot umfällt – alle genannten Beispiele zeigen die zunehmend aufwendige und risikoträchtige Suche der Anleger nach noch verbleibenden Renditen, wobei immer illiquidere Märkte angesteuert werden, die wie bei der Reise nach Jerusalem wahrscheinlich nur unter Schmerzen (Verlusten) abtretbar sein werden, wenn die letzten Plätze vergeben sind und man als einziger am Ende dasteht und keinen Käufer mehr gefunden hat.

Ich bin gewiss kein Perma-Bär, kein Untergangsorakel und warum sollte man die Hausse und Trends nicht spielen, solange sie laufen. Ich sehe nur unverkennbar die Wiederholung von Mustern, die sich immer wieder in der gleichen Form abspielen und sich wahrscheinlich schon so lange abspielen, wie es Börsen gibt. Anleger tauschen Liquides durch Illiquides (hier ist nichts Alkoholisches gemeint), Chancen werden übermäßig betont, Risiken ausgeblendet, anlagesuchendes Kapital greift nach jeder nur denkbaren Alternative.

Das alles weist darauf hin, dass irgendwann die Parte enden könnte. Natürlich ist das auch nur wieder eine weitere Phrase – Anleger sollten sich aber des Umstands gewahr sein, dass wir mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit im letzten Drittel der Hausse angekommen sind, die vor fast einer Dekade begonnen hatte.

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14 Kommentare

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  • RoadyO
    RoadyO

    Die Blase wird sogar so kräftig platzen, dass alle global verflochtenen Währungen danach nicht mehr existieren werden. Ob das 2017,2023 oder erst 2040 passiert ist allerdings die große Frage und ob die Aktienkurse vor dem großen Knall überhaupt noch fallen auch. Schließlich sind Aktien von Unternehmen die diesen Knall überleben eine Möglichkeit sein Vermögen zu sichern wenn das Bargeld nur noch zum heizen taugt, Kontostände genullt werden, Gold verstaatlicht wird, Staatsanleihen zum einem Umrechnungskurs von 1 zu 0,000001 bedient werden etc..

    Persönlich halte ich das Platzen für lange überfällig, da es auch zu einer gewissen Normalisierung der Vermögensverteilung in der Gesellschaft beitragen wird und das sehe ich persönlich als größtes Problem der heutigen Zeit.

    10:22 Uhr, 14.09. 2017
  • Löwe30
    Löwe30

    Central Banks Have Purchased $2 Trillion In Assets In 2017

    central bank balance sheets have grown by $11.26 trillion since Lehman to $15.6 trillion.

    http://www.zerohedge.com/news/2017-09-08/central-banks-have-purchased-2-trillion-assets-2017

    Wenn man mit Geldschöpfung Wohlstand schaffen könnte, wären die Bürger von Zimbabwe die reichsten Menschen in der Welt. Und natürlich auch in den 1920er Jahren die Bürger in Deutschland, während der Hyperinflation.

    Die Geldschöpfung der Zentralbanken hat dazu geführt, dass die großen Volkswirtschaften inzwischen auf einem riesigen Meer von Schulden schwimmen - durch keynesianisches deficit spending verursacht - und zwar sind in den Volkswirtschaften sowohl die Staaten, wie die Unternehmen und Privatpersonen, die drohen im Schuldenmeer zu ertrinken. Der vermeintliche Wohlstand (Nach dem Motto: uns geht es doch gut) und das Vermögen vieler, ist nichts als eine hoch überbewertete und aufgeblasene Aktiva, bedingt durch die Geldschöpfung ex nihilo. Dem stehen z.B. in Deutschland bereits jetzt als Passiva die Target2-Salden in Höhe von rund 850 Milliarden € gegenüber sowie alle sonstigen Staatsschulden und Verpflichtungen, die unserer Regierung eingegangen ist. Beim Platzen der Blase wird nicht nur auf das Vermögen der kleinen Leute gnadenlos zugegriffen, gleichzeitig werden Häuser und Grundstücke zügig mit einer hohen Grundschuld belastet, sodass die Lasten für die Eigentümer nicht mehr tragbar sind. Und diese Blase wird platzen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

    11:28 Uhr, 13.09. 2017
  • Löwe30
    Löwe30

    Meiner Meinung nach zielt der Artikel von Jochen Stanzl dahin, dass jetzt Vorsicht angebracht ist. Natürlich können die Aktienpreise noch weiter steigen. Das mag beim DAX der derzeitigen guten Konjunktur in Deutschland geschuldet sein. („Gute Konjunktur – Zahl der Erwerbstätigen erreicht neuen Höchststand“ - spiegel.de, 17.8.2017) Diese Konjunktur steht aber in Deutschland auf keinem tragfähigen Boden. Denn sie wurde zum einen getragen durch die über einen Million Flüchtlinge, die versorgt wurden und zum andern auf den niedrigen Zinsen der EZB.

    Die Flüchtlinge werden auf absehbare Zeit kaum etwas zur Wirtschaftsleistung betragen, sondern von dem leben, was andere erwirtschaften, ebenso lebt die Asylindustrie von dem was andere erwirtschaften. Es handelt sich demnach ökonomisch um nicht ertragreiche Investitionen, also Fehlinvestitionen.

    Die niedrigen Zinsen verleiten ebenfalls Unternehmen zu nicht nachhaltig ertragreichen Investitionen. Siehe dazu 2008 den Immobilienmarkt in den USA. Das wird der Gaul der jetzt geritten wird nicht lange tragen können. Die Geschichte hat gezeigt, dass auf solche Art ausgelösten Boom immer ein Bust folgte.

    Man schaue sich dazu auch mal an, wie viele der Investitionen in Aktien auf Kredit gekauft wurden. Womit das Risiko natürlich auch wächst, dass bei nachgebenden Kursen, eine Verkaufswelle losgetreten wird.

    Es könnte sich lohnen, die Geschichte der Großen Depression – Märchen, Ursachen und Folgen noch mal in Erinnerung zu rufen. Dazu ist sehr lesenswert der Artikel hier: https://kaisertv.de/2016/05/07/depression-kapitalismus/

    11:15 Uhr, 13.09. 2017
  • Zukunft21
    Zukunft21

    Die Welt ist im Umbruch dazu muss man kein Hellseher sein und für mich stellt suich nicht die Frage ob sondenr wann es zum großen Kollaps kommt und dieser wird kommen beginnend mit der Zinswende der EZB !

    Mann muss sich nur das treiben auf dem ERdball ansehen und ein wenig zwischen den Zeilen lesen um zu verstehen was da auf die Menschheit zurollt.

    Die ganze Sache ist aus dem Ruder gelaufen und nimmand weiß wiee man es wieder einfangen (bändigen) soll wie auch wenn es nur zu einem 1% igem Zinsanstieg im Euroraum kommt wird dieses Dilemma sichtbar werden.

    Staatsreformen in den betroffenen Ländern null und so wird es unweigerlich im Desaster enden.

    So meine Meinung !

    11:07 Uhr, 13.09. 2017
  • AndrewBa
    AndrewBa

    DIe Zentralbanken versuchen ja gerade dem entgegenzusteuern, aus der Vergangenheit gelernt und verbessert...

    Seit 2 Jahren wird vor diesem Spagat, den die Z-Banken anstreben, gewarnt... es werden steigende Zinsen kommen etc.

    Es passiert kaum was.

    Gerade habe ich von einem Analysten der UBS bei n-tv genau das gegenteilige zu ihren Überlegungen gehört, nämlich dass der DAX noch auf lange Zeit Luft nach oben hat und die Aktien sehr gut betitelt sind / Potential bieten.

    Was ist denn nun richtig?!

    [Und in einem halben Jahr unterhalten wir uns über das gleiche Thema, ohne dass sich etwas stark geänder hätte - schonmal an eine Seitwärtsphase gedacht?]

    10:24 Uhr, 13.09. 2017
  • Ridicule
    Ridicule

    @Stanzl ... ich habe Ihre Artikel bei GMT immer geschätzt, da sie von einer effektiven Neutralität geprägt waren. Seit Sie bei CMC sind, kommen nur noch Permabär-Artikel von Ihnen; die früher geschätzte Neutralität ist völlig abhanden gekommen. Ich habe eine App von Finanzen100 auf dem Tablet, die schreiben auch jeden Tag von Weltuntergang und was weiß der Himmel für Katastrophen; in eine ähnliche Richtung gehen Ihre Artikel. Finanzen100 und Ihre Artikel sind sehr gute Kontra-Artikel. Nehmen Sie es nicht persönlich, weil es so nicht gemeint ist, aber vielleicht besinnen Sie sich mal wieder Ihrer Wurzeln. Gruß

    21:03 Uhr, 12.09. 2017
  • JürgenSK
    JürgenSK

    Ja, wird höchste Zeit, dass mal alles richtig zusammenklappt..dann alles umgraben und neu ansäen....heisst anfangen bei Null....es ist Zeit die Menschheit zu erden..... egal ob Lebensversicherung oder andere Versprechen, das wird alles zu Staub werden...

    15:11 Uhr, 12.09. 2017
  • stevo977
    stevo977

    Ihr Disclaimer bringt mich im Zusammenhang mit Thema auch zum schmunzeln... es gibt viele Wirkungsverstärker.

    15:00 Uhr, 12.09. 2017
  • tschak
    tschak

    So einfach, wie das da oben beschrieben wird - is aber wohl nicht. Nur weil früher immer Alles nach 6 bis 8 Jahren endete, wird es jetzt NICHT nur um Zeit allein gehen. Ich empfehle, als alter VWL / Makro / Big-Picture-Jünger (bin unter 40 Jahre alt) auch UND INSBESONDERE auf die Zinslandschaft zu schielen.
    Weiters empfehle ich auch die Lektüre von Finanzmagazinen gar noch aus dem Jahr 2001 (!), in welchen Aktien mit einem KGV von 25 oder 29 als OK bewertet - betitelt wurden.
    Hier empfehle ich nun einen Blick auf das KGV des S&P 500 zu werfen - oder die Dividendenrenditen einiger Dow Jone-Werte etc…
    p.s.
    ich bin seit dem Jahr 2017 dabei und sehe meine relevantesten Paratmenter in
    a) Zinslandschaft (TINA) und
    b) Rückenwind durch Mittelschicht(sanstieg) in Asien...

    14:29 Uhr, 12.09. 2017
    1 Antwort anzeigen
  • dhaebi
    dhaebi

    Die von Ihnen beschriebenen sich in jedem Börsenzyklus wiederholenden Muster sind durch insb. A. Kostolany umfassend gewürdigt worden.

    14:02 Uhr, 12.09. 2017

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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