Der Fall Timothy Geithner
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Anbei ein Artikel von BörseGo-Redakteur Florian Guckelsberger zu den Verstrickungen des heutigen Finanzministers Timothy Geithner in der US-Finanzbranche.
Der Fall Timothy Geithner
von: Florian Guckelsberger
Timothy Franz Geithner speist mit den Mächtigen dieser Welt. Der neue US-Finanzminister ist seit langem ein gern und hoch angesehenes Mitglied der New Yorker Wall-Street-Clique. Unterlagen aus seiner Zeit bei der Federal Reserve Bank der Stadt belegen eindrucksvoll, wie dicht sein Netz aus Kontakten zu den Finanz-Mogulen, Finanziers und Investoren gewebt ist. Ein mehrere hundert Seiten langes Dokument schlüsselt auf, wann er in den letzten zwei Jahren als Chef der New Yorker Federal Reserve Bank (Fed) mit den Top-Managern der internationalen Bankenwelt verabredet war. Der von der NY Times veröffentlichte Terminkalender gibt dabei detailliert Auskunft über das eindrucksvolle Netzwerk des 47-Jährigen.
Stephen Friedmann, ehemaliger Chef der Investmentbank Goldman Sachs, Jeffrey Immelt CEO von General Electric und Jamie Dimon, CEO von JP Morgan Chase sind nur einige Eckpunkte dieses illustren Bekanntenkreises. Und sie haben etwas gemeinsam. Sie alle sitzen im Aufsichtsrat der New Yorker Fed. Eben jener Behörde, der Geithner von 2003 bis zu seiner Berufung ins Kabinett Obama vorstand. Nun seien solche Treffen erst einmal nichts Ungewöhnliches, schreiben die Times-Autoren Jo Becker und Gretchen Morgenson. Auffällig sei jedoch die Häufigkeit, mit der sich Geithner und die Finanz-Elite zum Stelldichein trafen.
Bernanke: Geithner ist "unbezahlbar"
Solche Treffen können sich in Krisen-Zeiten als zweischneidiges Schwert entpuppen. Für Notenbankchef Ben Bernanke ist die Kontaktpflege seines ehemaligen Kollegen jedoch "unbezahlbar". In einem Interview lobt er die Zusammenarbeit mit Geithner und bezeichnet ihn als "Schlüsselperson" bei der Zusammenarbeit mit vielen verschiedenen Unternehmen. "Er hat seinen Finger auf dem Puls der Zeit", lobt Bernanke.
Doch es gibt kritische Stimmen. Professor Willem Buiter von der London School of Economics beäugt die enge Verbindung zwischen Geithner und bekannten Finanzgrößen mit Argwohn. Die enge Kooperation stelle sicher, so Buiter in einem 2008 veröffentlichtem Papier, das die Wall Street bekomme, was sie wolle: "Jemand der verlässlich und intelligent ist, aber niemanden, der das System reformieren und umkrempeln will."
Von Asien nach Amerika
Dabei war die Karriere des Timothy Franz Geithner nicht vorgezeichnet. Was seinen vorläufigen Höhepunkt in der Pennsylvania Avenue 1500 in Washington erreicht hat, begann für den Nachfahren deutscher Einwanderer zunächst in Indien. Mehr als 10.000 Kilometer von Amerika entfernt geht der junge Timothy zur Junior High School. Sein Vater Peter Franz Geithner arbeitet für die Asien-Abteilung der Henry Ford Stiftung und nimmt seinen Jungen auf allen Stationen seiner Karriere mit. Timothy lebt zeitweise in China und Japan, lernt auch die Landessprachen.
Von Indien geht es nach Thailand. Geithner besucht die International School of Bangkok und trifft dort seine spätere Frau, Carole Marie Sonnenfeld. Zum Studium kehrt er schließlich in sein Geburtsland, die USA, zurück. Am renommierten Elite-College Dartmouth schließt Geithner seine Politik- und Asienstudien 1983 als Bachelor ab. Zwei Jahre später graduiert er zum Master mit dem Studium Internationaler Wirtschaft und Ostasiens an der Johns Hopkins School of Advanced International Studies.
Die Grundlage für seinen steilen Aufstieg in der Welt der Politik ist gelegt. Er heiratet seine Jugendliebe Carole Marie Sonnenfeld und heuert 1985 bei der jungen Beratungsfirma Kissinger Associates an. Dort soll Geithner dem ehemaligen US-Außenminister Henry Kissinger bei Arbeiten an einem Buch geholfen haben. Der Friedensnobelpreisträger berät nach seinem Ausscheiden aus der Politik eine illustre Schar von Firmen. Der Kissinger-Biograph Walter Isaacson nennt American Express, die Chase Manhattan Bank von David Rockefeller (heute JP Morgan Chase) und die Lehman Brothers als Klienten. Unter anderem arbeitete auch William Simon für Kissinger. Simon war von 1974 bis 1977 US-Finanzminister.
Eine Bilderbuch-Karriere beginnt
Geithner knüpft bei Kissinger wichtige Kontakte zur Geschäftswelt, doch er entscheidet sich für die Politik. 1988 wechselt der parteilose Kosmopolit ins Finanzministerium. Nach wenigen Jahren als Attaché der US-Botschaft in Tokio steigt er rasch in den Reihen des Schatzamts auf. Bereits zehn Jahre später, 1998, berät er die Finanzminister Rubert Rubin und Lawrence Summers aus dem Kabinett Clinton. Die beiden protegieren Geithner. Rubin trifft er später auch in New York, wie sein Terminkalender ergeben wird. Seine Sporen verdient sich Geithner aber in den 90er-Jahren, indem er bei der Bewältigung von Finanzkrisen in Brasilien, Indonesien, Mexiko, Südkorea und Thailand hilft.
2001 ist Geithner schließlich am vorläufigen Ende der Karriereleiter im Finanzministerium angelangt. Er wechselt unter Leitung vom jetzigen deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler zum Internationalen Währungsfonds und betreut für zwei Jahre das Department für Policy Development and Review. Als er 2003 von der New Yorker Fed-Filiale abgeworben wird, findet Köhler zum Abschied nur warme Worte für den Aufsteiger. Als CEO und Präsident der New Yorker Fed, der mächtigsten der zwölf amerikanischen Notenbank-Filialen, vervollständigt Geithner sein Netzwerk schließlich.
Geithner und seine Freunde bei der Citigroup
Die Recherchen der NY Times zeigen dabei, wie eng die Kooperation zwischen Geithner und den großen Instituten der Wall Street ist. Der Fall Citigroup ist besonders hervorzuheben. 2004 monierte die Fed unter Leitung von Geithner die Kreditvergabe-Praxis der damals größten US-Bank und verhängte eine 70-Millionen-Dollar-Strafe. Nach Unregelmäßigkeiten beim Handel untersagte Geithner der Citigroup sogar weitere Übernahmen. Doch 2006 wurden die Restriktionen gelockert, die Bank habe "signifikante Kontrollinstrumente" eingeführt. Tatsächlich, so die NY Times, stieg das Risiko damals stark an, vertraute die Citigroup doch immer mehr auf hypothekarisch gesicherte Wertpapiere.
Als Mitte 2007 die ersten Kredite ausfielen und die US-Regierung die Öffentlichkeit zu beschwichtigen versuchte, traf sich Geithner regelmäßig mit dem Top-Management der in Schieflage geratenen Citigroup. Er trank Kaffee mit Bankchef Charles Prince, Vize-Chef Lewis Kaden und anderen hochrangige Mitarbeitern. Doch Geithner konnte oder wollte die sich ankündigende Krise nicht wahrhaben, vermutet die NY Times. 2007 versicherte er bei einer Rede in der Federal Reserve Bank of Atlanta, die großen Geldhäuser des Landes seien stabil. Noch im Herbst desselben Jahres wurde offensichtlich, dass alleine die Citigroup 45 Milliarden Dollar zur Stützung des Geschäfts benötigen würde.
Geithner: "Will mich nicht beeinflussen lassen"
Als Bankchef Prince Ende 2007 seinen Rücktritt ankündigen musste, hatte Citigroup-Gründer Sanford Weill dann auch schnell einen Nachfolger ausgespäht: Timothy Geithner. Als Mitglied im Aufsichtsrat der New Yorker Fed kannte Weill Geithner schon seit Jahren. Die beiden arbeiteten außerdem ehrenamtlich für die von Weill gegründete National Academy Foundation und sammelten Spenden für die gemeinnützige Stiftung. Geithner betont jedoch, dass er den unbezahlten Posten erst nach Weills Rückzug aus der Citigroup angenommen habe. Weills Angebot, CEO der Citigroup zu werden, lehnte er dennoch ab. Er würde sich niemals in eine Position begeben, so Geithner später, in der seine Handlungen durch eine persönliche Beziehung beeinflusst werden könnten.
Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen weht Geithner mittlerweile ein rauer Wind entgegen. Er soll bereits im Sommer 2007 seinem Vorgänger Henry Paulson vorgeschlagen haben, mit Steuergeldern die Milliardenlöcher der Banken zu stopfen. Was damals auf wenig Gegenliebe stieß, ist nun seit mehreren Monaten Praxis. Dabei mehren sich Stimmen, die die Höhe des Banken-Rettungspakets kritisieren. Finanzexperten, Ökonomen und sogar ehemalige Fed-Mitarbeiter sind der Ansicht, Washington sei zu großzügig gegenüber den Banken gewesen. Und der New Yorker Wall-Street-Jurist Rodgin Cohen bezeichnet Geithner als "treibende Kraft" hinter den Beschlüssen. Damit könnte der Fall auch für Präsident Obama erneut unangenehm werden, kam doch bereits kurz nach Geithners Ernennung zum Finanzminister heraus, dass er seine Steuern nicht ordentlich gezahlt hatte.
Vita
18. August 1961: Geboren in Brooklyn, New York, als Timothy Franz Geithner
1961-1983: Junior High in Indien und dann an die International School of Bangkok, Thailand
1983: Bachelor in Politik und Asienstudien am Dartmouth College
1985: Master in Internationaler Wirtschaft und Ostasien-Studien an der Johns Hopkins School of Advanced International Studies
08.06.1985: Heirat mit Carole Marie Sonnenfeld, Mitarbeiterin der Bürger-Lobbyorganisation Common Cause
1985-1988: Mitarbeiter bei der Beratungsfirma Kissinger Associates
1988-2002: Mitarbeiter im Finanzministerium, Abteilung Internationale Angelegenheiten
- 88-95: Attaché an der US-Botschaft in Tokio
- 95-96: Deputy assistant secretary for international monetary and financial policy
- 96-97: Senior deputy assistant secretary for international affairs
- 97-98: Assistant secretary for international affairs
- 98-01: Under Secretary of the Treasury for International Affairs
2001 – 16.11.2003: Direktor im Policy Development und Review Department des IWF
17.11.2003 – 28.01.2009: CEO und 9. Präsident der NY FED
seit 29.01.2009:75. Finanzminister der USA im Kabinett Obama
Interessante Fakten
- Die Familie emigrierte 1908 von Zeulenroda (Thüringen) in die USA. Mit der Kaiser Wilhelm II ging es direkt nach New York, wo auch Timothy mehr als 50 Jahre später geboren wird (Brooklyn)
- Sein Vater, Peter Franz Geithner, arbeitete für das Asien-Programm der Henry Ford Stiftung. Sein Großvater mütterlicherseits, war Berater von Präsident Dwight D. Eisenhower und Vize-Chef der Ford Motor Company.
- Geithner verbrachte seine Jugend aufgrund des Jobs seines Vaters in vielen verschiedenen Ländern (Indien, Thailand, China, Japan und Ostafrika). Er spricht chinesisch und japanisch.
- Seine Frau, Carole Marie Sonnenfeld, muss Geithner in Thailand kennen gelernt haben. Beide besuchten dort die International School of Bangkok. 1985 heiratete sie. Das Paar hat zwei Kinder, Elise (18?) und Benjamin (15?).
- Nach seinem Master-Abschluss an der Johns Hopkins School of Advanced International Studies beginnt Geithner bei der Beratungsfirma Kissinger Associates. Angeblich hilft er dem Ex-Präsidenten Kissinger bei Buch-Recherchen.
- Das Unternehmen berät illustre Firmen. Unter anderem sind dort American Express, die Chase Manhattan Bank (JP Morgan Chase) und Lehman Brothers über die Jahre Kunde gewesen (Quelle: Walter Isaacson in „Kissinger: A Biography). Unter anderem arbeitete dort William Edward Simon, 63. US-Finanzminister von 1974 bis 1977, sowie andere ehemalige hohe politische Beamte und Minister.
- Nur drei Jahre später wechselt Geithner ins Finanzministerium. Nach einigen Jahren in der US-Botschaft in Tokio steigt er rasch auf. In der Abteilung Internationale Angelegenheiten wird er schnell Berater der Finanzminister Rubin und später Summers.
- In den späten 90-ern macht er sich einen Namen, in dem er zahlreiche Finanzkrisen mit Rettungspaketen abschwächt, unter anderem in Brazilien, Mexiko, Indonesien, Süd-Korea und Thailand (Quelle: Washington Post)
- 2001 wechselt Geithner vom Finanzministerium zum Internationalen Währungsfonds. Dort wird er Direktor des Policy Development and Review Department.
- 2006 verleiht ihm seine ehemaligen High-School in Thailand (SAIS) den "Johns Hopkins University Woodrow Wilson Award for Distinguished Government Service"
- Nur drei Jahre später wird er zum Chef der New Yorker Zentralbank berufen, einer der wichtigsten der 12 US-Zentralbanken. Chef Horst Köhler sagt zum Abschied: "Tim Geithner has informed me that he has been offered, and has decided to accept, the Presidency of the Federal Reserve Bank of New York. I congratulate Tim wholeheartedly for being selected for this challenging job and very much look forward to working with him in his new capacity. Tim's work at the IMF—as Director of the Policy Development and Review Department—combined with his policy-making experience before he came to the Fund, prepares him well to take on this challenging task. There will be many occasions later for me to record my appreciation of Tim's service to the IMF. In a very short time after joining the Fund, Tim Geithner was able to lead PDR with great effectiveness. I have relied on Tim for his counsel which has been thoughtful, solid and balanced even in the most challenging of times. Needless to say I and the Fund will miss him but I also know that the Fund is being honored by the selection of one of its senior staff to head this important institution."
- Dort bleibt er, bis Obama ihn als Finanzminister ins Kabinett ruft.
- Obama Zitat: “With stellar performances and outstanding results at every stage of his career, Tim has earned the confi dence and respect of business, fi nancial and community leaders; members of Congress; and political leaders around the world—and I know he will do so once again as America’s next Treasury secretary, the chief economic spokesman for my administration.“
Mitgliedschaften
- Council on Foreign Relations (US Think Tank), 2001 bereits als Senior Fellow for International Economics (siehe IWF-PM). Das Council gilt vielen Journalisten als extrem einflussreiche Privatorganisation, mit vielen berühmten Persönlichkeiten. Sein Geld bezieht das Council aus Spenden. Es ist eng verbunden mit den Namen Rockefeller (Sogar Direktoren des Council) und JP Morgan (s. Kissinger Associates). Fast alle amerikanischen Präsidenten seit Gründung des Council waren schon einmal Gast.
- Gruppe der 30,
Verstrickungen
- Auf Anfrage wurde der NY Times der Kalender von Geithner während seiner Zeit als Chef der NY-FED ausgehändigt. Das über 600 Seiten starke Dokument notiert seine Treffen mit zahlreichen Größen aus der Finanzbranche, darunter viele Manager von Goldman Sachs, der Citigroup und anderen wichtigen Investoren.
- Er traf Bänker zum Essen, deren Geschäfte er als FED-Chef überwachen sollte.
- Laut NY Times schlug er in seiner damaligen Position als Reaktion auf die Krise vor, dass der Staat für alle Bank-Verbindlichkeiten Garantien übernehmen solle. Die Idee ging unter, niemand wollte Billionen Steuer-Dollar dafür ausgeben.
- Dennoch haben FED und Finanzministerium seitdem durch eine Reihe von Maßnahmen endlos Geld ins System geschossen. Geithner war einer der maßgeblichen Architekten diverser Rettungspläne (s. Vita).
- FED-Chef Bernanke sagt, Geithners Kontakte in die Wirtschaft seien „unbezahlbar“
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