Kommentar
12:33 Uhr, 23.12.2011

Der Blick in die Glaskugel - so wird das Zertifikatejahr 2012

Es ist wieder soweit, das Jahr 2011 schließt in wenigen Tagen seine Pforten und hinterlässt bei der Anlegerschar eine Unsicherheit wie selten zuvor. Kaum jemand rechnet nach dem Eskalieren der Euroschuldenkrise in den vergangenen Monaten und den bislang relativ erfolglosen Bemühungen der Politik, die Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen, ernsthaft damit, dass 2012 ein weniger volatiles Jahr werden wird. Anleger stehen dabei vor dem nie gekannten Problem, dass eigentlich keine Asset-Klasse mehr als sicher gelten kann, nicht einmal Renten. Eine Ausgangssituation, die so ganz nach dem Geschmack des Zertifikatemarktes sein dürfte, der sich wie kein anderer schnell und flexibel an die jeweiligen Gegebenheiten anpassen und Investoren jeglicher Couleur mit dem individuell passenden Produkt bedienen kann. Wenn da nicht die existenzielle Gefahr des Emittentenrisikos über allen schweben würde.

Zertifikategeschäft lahmt

Die große Unsicherheit spricht auch aus den Antworten der heuer wieder vom Deutschen Derivate Verband (DDV) durchgeführten jährlichen Befragung von 24 Emittenten, die immerhin 98 Prozent des Marktes für strukturierte Produkte repräsentieren. So antworteten auf die rückschauende Frage, wie sich das Zertifikategeschäft in den vergangenen sechs Monaten entwickelt hat, allein drei Viertel der Anbieter mit „schlechter“. Vor einem Jahr sahen das gerade einmal 4,17 Prozent so und damit genauso viele, wie diesmal für eine bessere Entwicklung votierten. Die Beurteilung der Geschäftslage hat sich also innerhalb eines Jahres komplett umgedreht. Dass Besserung in Sicht ist, kann darüber hinaus angezweifelt werden, da gut 58 Prozent der befragten Emittenten auch in der ersten Jahreshälfte 2012 mit keiner Veränderung zum Positiven rechnen. Diese Meinung wird leider nur von einem Drittel vertreten.

Preis verschärft den Wettbewerb

Ein weniger gutes Geschäft eines Großteils der Branche dürfte auch die Wettbewerbsbedingungen weiter verschärft haben. Kein Wunder, dass nahezu 74 Prozent der Zertifikatehäuser dies für das bald zu Ende gehende Jahr bestätigten. Dass bei einem stärker werdenden Wettbewerb auch der eine oder andere Anbieter „auf der Strecke“ bleiben dürfte, ist klar. Fast 61 Prozent der Befragten erwarten deshalb, dass es im nächsten Jahr weniger Konkurrenten auf dem Markt geben wird. Bei der Vorjahreserhebung war zum Vergleich nur ein Sechstel dieser Ansicht. Doch auf welchem Feld wird die Schlacht wohl entschieden, sprich worauf wird sich der Wettbewerb vor allem konzentrieren. Zur Wahl standen der angesichts der vorherrschenden „Geiz-ist-geil“-Mentalität immer wieder beliebte Preis, über den sich einzelne Anbieter voneinander unterscheiden können, sowie der in der Vergangenheit immer wichtigere Service und letztendlich auch die Produktqualität bei gleichbleibenden Konditionen. Stellt man auch bei dieser Frage wiederum einen Vorjahresvergleich an, so wird schnell klar, dass der Wettbewerb immer mehr über den Preis entschieden wird. Fast 48 Prozent der Emittenten erwarten dies gegenüber nur rund 17 Prozent bei der letzten Befragung. Dagegen dürfte der Service seine mit 50 Prozent im Vorjahr noch erreichte Spitzenstellung als wichtiger Abgrenzungsfaktor verlieren, wofür nur noch ein Voting von gut 30 Prozent spricht.

Hohes Produktaufkommen erwartet

Eine Frage, die ebenfalls jedes Jahr vom DDV an die Experten gestellt wird, ist die nach der Selbstentscheider-Quote unter den Anlegern. Genauso wie im vergangenen Jahr geht die Branche hier zur guten Hälfte lediglich von einem Anteil von bis zu einem Viertel aus. Deutlich spannender gerade vor dem Hintergrund der in diesem Jahr explodierenden Produktanzahl - Ende November waren unglaubliche 878.525 Papiere gelistet- die nächste Frage: „Wie viele Produkte wird es Ihrer Einschätzung nach Ende 2012 geben?“ Mit „deutlich weniger als 850.000“ Papieren am Markt rechnet nur ein Viertel der befragten Zertifikate-Spezialisten, was angesichts der rasanten Entwicklung auch kaum verwundert. Dagegen schätzt mit „deutlich mehr“ (33,33 Prozent) und „etwa gleichbleibend“ (41,67 Prozent) der Großteil der Emittenten die Lage wohl etwas realistischer ein.

Je einfacher desto besser

Wenn man in die Zertifikate-Glaskugel schaut, möchte man natürlich vor allem wissen, was sich bei den Produkten verändert, beispielsweise bei der Struktur. Hier gab es ein ganz eindeutiges Votum mit 75 Prozent für eine einfachere Struktur bei den meisten Papieren. Der Rest entfiel auf „keine Veränderung“. Wie im vergangenen Jahr hüteten sich auch diesmal die Anbieter davor, für komplexere Produkte zu stimmen. Ein gebranntes Kind scheut ja bekanntlich das Feuer.

Das Produkt 2012 ist sicher und indexbezogen

Welche Zertifikate-Typen werden 2012 am beliebtesten sein, ebenfalls eine interessante Frage. Vor dem Hintergrund einer nicht einmal ansatzweise gelösten Schuldenkrise konnte die Antwort eigentlich nur lauten „Garantie-Zertifikate“. Da bei der diesjährigen Befragung neben Kapitalschutz-Papieren erstmals auch noch die zweite Gruppe im Sicherheits-Segment, die zinstragenden strukturierten Anleihen in den Kreis der Auswahlkandidaten aufgenommen wurden, fiel auch hier das Ergebnis für den „sicheren“ Typus ähnlich wie es das real ausstehende Volumen bereits ausdrückt, überwältigend aus. Denn jeweils 37,50 Prozent entfielen allein auf beide Garantie-Kategorien. Damit blieb nicht mehr viel für die übrigen Produkt-Sparten übrig, von denen mit den Aktienanleihen ein weiterer Aufsteiger der vergangenen Jahre mit 16,67 Prozent fast den Rest der Stimmen auf sich zog. Gerade einmal 4,17 Prozent der Antworten konnten jeweils noch Express- und Bonus-Zertifikate auf sich vereinen. Kein Votum gab es dagegen in diesem Jahr mehr für Discounter, auf die die Vertreter der Emissionshäuser vor der Kamera doch allzu gerne hinweisen, wenn es an den Märkten wieder drunter und drüber geht und davon kann man im nächsten Jahr mit ziemlicher Sicherheit ausgehen. Kaum nachvollziehbar, dass das Vola-Produkt schlechthin gegenüber den wirtschaftlich gesehen nahezu deckungsgleichen Aktienanleihen den Kürzeren zog und von keinem einzigen Befragten mehr präferiert wurde. Das Wissen um den sicher ausgezahlten Kupon bei den „Hochprozentern“ scheint bei Anlegern eine deutlich größere Wirkung zu erzielen als die Gewissheit mit einem Rabatt-Papier, erheblich günstiger in den jeweiligen Basiswert investieren zu können. Auch mag der Begriff „Anleihe“ den Investor wohl in allzu große Sicherheit wiegen, die de facto gar nicht besteht. Deutlich plausibler dagegen die hohe Stimmenzahl mit über 83 Prozent für Indizes als beliebteste Basiswerte 2012. Dahinter folgen Aktien mit 12,50 Prozent und Zinsen mit 4,17 Prozent.

Auch wenn das kommende Zertifikate-Jahr weniger von aufsehenerregenden Innovationen geprägt sein dürfte, verspricht es dennoch wieder viel Spannung, muss sich der Markt angesichts der schwierigen Gemengelage doch wohl auch 2012 wieder neuen Herausforderungen stellen.

Autor: Armin Geier, http://www.godmode-trader.de/zertifikate

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Über den Experten

Armin Geier
Armin Geier

Armin Geier beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren sehr intensiv mit Anlage-Zertifikaten. Begonnen hat sein berufliches Interesse im Jahr 2000, als er bei einem Münchner Internet-Portal über mehrere Jahre die erste Datenbank für diese spezielle Materie aufbauen konnte und dadurch die rasante Entwicklung dieser Spezies damals noch ganz hautnah Produkt für Produkt mitbekam. Wie sehr sich die Zeiten seitdem verändert haben, kann man allein an der Explosion der Produktzahl von anfangs nicht einmal 3.000 auf heute über eine Million Stück erkennen. Bei seinen nächsten Stationen wechselte er dann ganz in den journalistischen Bereich über, ohne seine Vorliebe für die diversen Produktstrukturen aufzugeben, an denen ihm nach wie vor gerade wegen ihrer asymmetrischen Chance-Risiko-Profile sehr gelegen ist. Insbesondere interessiert ihn dabei die Möglichkeit, aus Einzelansätzen langfristig funktionierende Strategien zu entwickeln. Leider wird dieser Zielsetzung seit Lehman vor dem Hintergrund einer immer kurzfristigeren Denkweise an den Märkten von Emittentenseite immer weniger entsprochen. Bei der BörseGo AG/Godmode-Trader ist Armin Geier seit sechs Jahren mit journalistischen Beiträgen in diversen Rubriken und Publikationen als Experte für Anlage-Zertifikate präsent.

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