Der 144-Wochen-Zyklus am Beispiel des Dow Jones Industrial
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Ende März 2002 toppte der Dow Jones Industrial Average (DJIA). Deutliche Hinweise auf ein mögliches Top zu dieser Zeit lieferte ein Clash zahlreicher Tages-, Wochen- und Intra-Year-Zyklen. Gleichzeitig befand sich der DJIA an einem kritischen Punkt, nämlich 180 Grad entfernt von seinem September 2001-Tief, sowohl in der Zeit als auch im Preis. Dazu zögerte er an einem wichtigen Retracement-Level, dem 0.786 Retracement seiner Mai – September-Talfahrt. Längerfristig betrachtet erschien dieses Top genau am 0.618 Split eines 71 bis 72-Wochen-Zyklus. 72 ist die Hälfte von 144.
Und 144 lautet die Zahl, die es besonders zu beachten gilt. Warum, sei im Folgenden erläutert:
1997 und 1998 bildetet der DJIA drei aufeinanderfolgende Zwischentiefs. Diese Zwischentiefs sind perfekt durch den „Goldenen Schnitt“ (Phi = 1.618) geteilt. Die gesamte Spanne zwischen dem ersten und dem dritten Tief beträgt auch hier 72 Wochen. 144 ist die einzige Fibonacci-Zahl, die zugleich ein Quadrat ist ( 12², s.a. Gann’s „Square of Twelve“) und noch einen anderen Bezug hat.
Der DJIA legte einen großen Anstieg hin. Das Hoch dieses Anstiegs erschien genau 71 Wochen später, nämlich im Januar 2000 [also nicht genau 72 Wochen später, aber innerhalb einer Abweichungstoleranz von 1 bis 2 Wochen].
71 bis 72 Wochen vom 14. Januar 2000 ergeben den 21. Mai bis 1. Juni 2001. Auch hier erschien wieder ein bedeutendes Hoch.
43 Wochen später, der 19. März 2002: Hier entsteht ein High. Was hat es mit den 43 Wochen nun auf sich? Nun, 43 Wochen entsprechen dem 0.618%-Fibonacci-Retracement von 72 Wochen [genauer: 44 Wochen, aber innerhalb einer Abweichungstoleranz von 1 bis 2 Wochen).
Der 22. Oktober 2002 ist nun 144 Wochen vom Allzeithoch des DJI am 19. Januar 2000 entfernt, siehe Abbildung 1. Wird dieses Datum einen Umkehrpunkt andeuten? Die Antwort auf diese Frage hängt noch von einigen anderen Zyklen, Variablen und Faktoren (u.a. dem Preis) ab und kann und soll in dieser Lesson nicht beantwortet werden.
Zyklen
Der Faktor „Zeit“ zieht sich durch die gesamte Thematik der Technischen Analyse. Zyklus-Analysten glauben daran, dass Zeitzyklen der ultimative Schlüssel zum Verständnis des Marktgeschehens darstellen und wollen so periodische oder wiederkehrende Kursmuster finden. Die Anwendung von Zyklen gehört wahrscheinlich zu den am meisten missverstandenen Methoden aus dem Bereich der Technischen Analyse, wie schon in der letzten Lesson angedeutet. Diese Aussage gilt für ein breites Spektrum an Zyklentheorien, seien es astrologische Zyklen, Elliott Wave-Zyklen oder Kondratieff-Zyklen.
Was ist ein Zyklus? Das Börsenlexikon beschreibt ihn wie folgt: Ein Zyklus ist eine beobachtbare Preisentwicklung, die mit einem bestimmten Grad an Regelmäßigkeit innerhalb eines spezifischen Zeitabschnitts immer wieder auftaucht. Ein Markt, eine Aktie oder ein Indikator, der mit relativ guter Beständigkeit seine Tiefstkurse in beispielsweise 6-Wochen-Intervallen erreicht, unterliegt nach dieser Definition einem 6-Wochen-Zyklus. Gemessen wird dabei in der Regel(!) der zeitliche Abstand von Wellental zu Wellental, also der zeitliche Abstand von Tief zu Tief (sie werden aber auch von Wellenkamm zu Wellenkamm (auch Wellengipfel genannt), also den Zyklushochs gemessen.
Dass aufeinanderfolgende Tiefs höher als vorangegangene liegen können, ist dabei ohne Bedeutung für die Trendbestimmung. Wichtig ist, dass ein klar definierbarer Tiefpunkt alle sechs Wochen auftaucht, der von seinem Vorgänger durch einen Hochpunkt, der als Zyklushoch bezeichnet wird, getrennt ist.
Die Zeit, welche benötigt wird, einen kompletten Zyklus zu durchlaufen, wird Periode genannt. Demgegenüber ist die Wiederholungsrate des Zyklus die Frequenz.
An den Kapitalmärkten existieren viele bekannte Zyklen. In den meisten Fällen gibt es fundamentale Erklärungen für das Vorhandensein dieser Zyklen, beispielsweise für die saisonalen Preisschwankungen von Agrarpreisen (Tiefe Preise während der Haupterntezeit). Diese saisonalen Effekte haben eine Periodenlänge von zwölf Monaten.
Prognostizierbarkeit
Auch wenn Zyklen Ihnen erlauben, akkurat Ereignisse in der Zukunft vorherzusagen:
Vogelwanderungen, die Gezeiten, Plattenbewegungen und vieles mehr, Sie können die Zyklenanalyse auch verwenden, um Änderungen an den Finanzmärkten zu prognostizieren, obwohl nicht immer mit dem Erfolg, wie in der Natur, denn es kommen noch einige Dinge hinzu. Der Grund? Nun, Zyklen beziehen sich natürlich auf die Zeit, müssen aber auch auf den Preis und andere dynamische Faktoren bezogen werden. Man kann keine Investment- oder Tradingentscheidungen lediglich aufgrund des Faktors Zeit treffen.
Wir wissen, dass Preise die Übereinstimmung menschlicher Erwartungen
sind. Diese Erwartungen ändern sich und verschieben das Angebot/Nachfrage-Verhältnis und somit bewegen sich die Preise zwischen überkauften und überverkauften Niveaus. Fluktuationen in den Preisen sind ein natürlicher Prozess sich verändernder Erwartungen und führen zu zyklischen Formationen.
Die 72-Wochen-Sequenzen beziehungsweise die 144-Wochen-Zyklen des DJIA könnte man mit Halbbögen darstellen. Dies ist eine häufig zu beobachtende Darstellung von individuellen Zyklen in Chartprogrammen. Hierbei werden Zeiträume von statistischer Länge (u.a.) über eine Preiskurve gelegt. Die Gefahr bei dieser Vorgehensweise besteht darin, dass Zyklen in aller Regel keine(!) konstante Länge besitzen, sondern sich vielmehr dynamisch verändern. Wie dieser Tatsache Rechnung getragen werden kann, wollen wir in einer der nächsten Lessons beobachten.
Einer der erfolgreichsten Trader aller Zeiten, W.D. Gann, verfolgte zur Prognose von Tops und Böden bei Weizen seiner eigenen Aussage nach die Kurse bis ins 12. Jahrhundert zurück und dabei nicht nur die Kurse an sich, sondern auch die Daten der Tops und Böden. Die Daten und die Zeitspannen zwischen diesen zyklischen Daten - von Top zu Top, von Top zu Boden, von Boden zu Boden und von Boden zu Top – waren bei seinen Überlegungen von fundamentaler Bedeutung. Aus diesen Recherchen bezog er wichtige Informationen für seine Analyse, und diese Daten waren der Schlüssel zu seinem Marktansatz: den Zeitzyklen. Doch in Gann’sche „Sphären“ wollen wir uns diesmal noch nicht begeben.
Schlussbemerkung
Viele Trader erleiden Schiffbruch, weil sie versuchen, Zyklen unter der Annahme, dass die Umkehrpunkte des Marktes exakt mit den gefundenen Zyklen übereinstimmen müssten, als Trading-Tool zu verwenden. In der Praxis trifft man auch bei gültigen Zyklen, die weiterhin funktionieren auf zwei grundsätzliche Probleme:
1. Marktbewegungen sind nicht symmetrisch
Bei den mathematischen Kurven, die für die schematische Darstellung von Zyklen verwendet werden, geht man davon aus, dass die Aufwärts- und Abwärtsbewegung des Marktes von gleicher Dauer sind. In Wirklichkeit verlaufen die Marktbewegungen jedoch wesentlich dynamischer und zeitlich versetzt. Wenn Aufwärtsbewegungen länger dauern als Abwärtsbewegungen, bezeichnet man den Zyklus als rechtsversetzt (rechte Translation), umgekehrt als links versetzt (linke Translation) – siehe Abbildung 2.
2. Zyklenhochs und -tiefs können zu früh oder zu spät auftreten:
Es ist wichtig, dass man weiß, dass ideale Zyklen, wie sie durch Zyklenanalyse-Methoden gefunden werden, tatsächlich eine Zusammenfassung(!) an historischem Auftreten des Zyklus ist. Es gibt keinen Grund, zu erwarten, dass zukünftige Umkehrpunkte exakt mit den theoretischen Zyklenphasen übereinstimmen.
...Natürlich, wer möchte nicht schon im Voraus die Hoch- und Tiefpunkte des Aktienmarktes kennen!? Bedenken Sie aber stets, dass Zyklen nur eine Komponente von vielen in der Marktanalyse ist und zeitweilig von anderen Einflüssen überlagert werden kann. Selbst die konstantesten Zyklen weichen von ihren mathematischen Berechnungen ab. Deshalb führt die sture Anwendung zyklischer Projektionen für Handelsentscheidungen zwangsläufig direkt ins Verderben.
Autor: Frank Thönnißen - Co-Investment Advisor bei STRADIVARI (Luxemburg)
http://www.trading-lehrgang.de
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