Kommentar
09:27 Uhr, 05.09.2007

Deka-EZB-Kompass: Pause im Zinserhöhungszyklus

1. EZB-Kompass: Der bei 50 Punkten neutrale EZB-Kompass lag im August bei 68,5 Punkten nach 68,4 Punkten im Vormonat. Der Kompass setzt folglich seine seit Monaten andauernde Seitwärtstendenz um 68 Punkte fort. Sowohl die monetäre Säule (94,5 nach 95,3 Punkten) als auch die wirtschaftliche Säule (59,8 nach 59,4 Punkten) sprechen für ein restriktives Zinsniveau. Bei beiden Säulen erwarten wir für die nächsten sechs Monate eine Seitwärtstendenz, sodass die Argumente für steigende Leitzinsen bestehen bleiben.

2. Die Kreditkrise und die Liquiditätsproblem am Geldmarkt sind in den bis August vorhandenen bzw. teilweise fortgeschätzten Makrodaten nicht erkennbar. Auch haben wir unser Konjunkturbild für Euroland im vergangenen Monat nicht wesentlich verändert. Gestiegen sind allerdings die Risiken unseres Konjunkturszenarios. Insbesondere besteht die Möglichkeit, dass einige Banken ihre Kreditvergabestandards erhöhen und so zu einer geringeren Investitionstätigkeit beitragen. Dies könnte mittelfristig das Wachstum etwas dämpfen. Der wichtigste Unterschied zum Vormonat lässt sich damit zusammenfassen, dass das Finanzierungsumfeld nicht mehr als günstig eingeschätzt werden kann. Noch im letzten Monatsbericht hieß es: „Overall financing conditions remain favourable, money and credit growth vigorous, and liquidity ample.” Dies ist nicht mehr der Fall und sollte dafür ausreichen, dass die EZB von einer Zinserhöhung in diesem Monat absieht.

3. Strategische Position der EZB bleibt gleich – aber veränderte Taktik. Der fast unveränderte EZB-Kompass, der die mittelfristige EZB-Strategie, wenngleich nicht das Timing einzelner Zinserhöhungen prognostizieren soll, zeigt eine unveränderte Notwendigkeit steigender Leitzinsen. Dies werden auch die neuen Stabsprojektionen der EZB für BIP und Inflation nahe legen. Wir gehen davon aus, dass die BIP-Projektionen für 2007 und 2008 unverändert bei 2,6 % und 2,3 % bleiben. Dies ist auch für die Inflationsprojektionen von jeweils 2,0 % wahrscheinlich. Hier besteht allenfalls ein leichtes Abwärtsrisiko. Ein starkes Wachstum und um 2,0 % liegende Inflationsraten bedeuten, dass die mittelfristigen Inflationsgefahren hoch bleiben. Anders als in den USA ist das Potenzial für sinkende Leitzinsen damit nicht gegeben. Die Argumente für höhere Leitzinsen bestehen also prinzipiell fort.

Die EZB wird aufgrund der aktuellen Kreditkrise ihre Taktik allerdings verändern müssen. Dies ist mit ihrer Kommunikationspolitik übrigens kompatibel. Immerhin ist Trichet nie müde geworden zu betonen, dass die EZB sich mit keiner Formulierung im vor hinein für zukünftige Zinsentscheidungen festlegt. Ein wohlbegründetes Aussetzen einer quasi geplanten Zinserhöhung würde die Kommunikationspolitik der EZB sogar stärken und zeigen, warum der manchmal etwas penetrant wirkende Hinweis auf die nicht vorhandene Vorfestlegung wichtig ist. Allerdings wird die EZB versuchen zu vermeiden, den Signalcharakter ihrer „Wachsamkeits-Formulierung“ gänzlich zu verwässern. Sie wird in ihrem neuen Pressestatement daher nicht mehr auf ihre Wachsamkeit hinweisen – denn sie kann nicht ausschließen, dass bis zur nächsten EZB-Ratssitzung schlechte Unternehmensnachrichten die Liquiditätsproblematik mancher Häuser und Anlagevehikel nochmals verschärfen und zu erneuten Verwerfungen am Geldmarkt führen. Bei der wahrscheinlichen Zinssenkung der Fed von unserer Prognose nach 50 Basispunkten im September und 25 Bp im Oktober und einer daraus möglicherweise folgenden Euroaufwertung würde die EZB zusätzliche taktische Gründe gegen eine Zinserhöhung im Oktober und der „Wachsamkeits-Formulierung“ in dieser Woche erhalten. Da auch die bisherige Lohnentwicklung keine akute Gefahr für die Stabilität der Inflationserwartungen signalisiert, halten wir es aus taktischen Gründen für am besten, mit einer weiteren Zinserhöhung bis Dezember zu warten. Voraussichtlich dann über 2 % liegende Inflationsraten, ein positiver Wirtschaftsausblick für 2008 und erstmals vorliegende Wachstumsprojektionen für 2009 werden eine Leitzinserhöhung auf 4,25 % zu der Zeit viel verständlicher erscheinen lassen.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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