Deka-EZB-Kompass: Lange genug gewartet
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1. Der Deka-EZB-Kompass hat seinen Abwärtstrend weiter fortgesetzt. Nachdem der Wert für März rückwirkend um über einen Punkt nach unten revidiert werden musste, gab er im April nochmals um 1,4 Punkte nach. Auf einem Niveau von nur noch 19,8 weist der Kompass immer stärker darauf hin, dass die EZB – trotz des ohnehin sehr niedrigen Leitzinsniveaus – ihre Geldpolitik weiter lockern sollte. Wir erwarten daher bei der bevorstehenden Ratssitzung eine Senkung des Hauptrefinanzierungssatzes um 25 Basispunkte auf ein neues Rekordtief von 0,50 %. Den Einlagensatz dürfte die EZB dagegen unverändert bei 0,0 % belassen. Dies ist auch der Grund dafür, dass die obige Grafik die vom Geldmarkt erwarteten Leitzinsniveaus tendenziell zu hoch ansetzt.
2. Zwar gehen wir für die kommenden Monate von einem wieder leicht steigenden EZB-Kompass aus. Sein erwarteter Verlauf allein bringt jedoch nicht zum Ausdruck, womit sich der EZB-Rat im Augenblick beschäftigt. Es sind vor allem die konjunkturellen Abwärtsrisiken, die darin bestehen, dass sich die von der EZB für die zweite Jahreshälfte erwartete allmähliche wirtschaftliche Erholung noch weiter verzögert. Denn die im EZB-Kompass zusammengefassten Daten deuten bislang nicht auf eine bevorstehende Belebung hin. Auch Anfang vergangenen Jahres sprach die EZB von einer wirtschaftlichen Erholung in der zweiten Jahreshälfte. Als sich immer deutlicher abzeichnete, dass ihre Erwartungen enttäuscht werden, hat sie schließlich im Juli die Leitzinsen gesenkt. Mit dieser Erfahrung im Hinterkopf dürfte die Geduld des EZB-Rats begrenzt sein. Das bedeutet, die Notenbanker dürften diesmal nicht so lange mit einem Zinsschritt warten.
3. Die konjunkturellen Stimmungsindikatoren belasteten den EZB-Kompass im April nur geringfügig. Die Einkaufsmanagerindizes entwickelten sich seitwärts und das Economic Sentiment gab etwas nach. Aber auch dies ist für die EZB enttäuschend genug, denn gerade bei diesen Indikatoren hätte man am ehesten die Vorzeichen einer konjunkturellen Erholung erwarten können. Auf der EZB-Pressekonferenz im März erläuterte Präsident Draghi, man habe sich unter anderem aufgrund der günstigen Signale von Seiten der Stimmungsindikatoren gegen eine Leitzinssenkung entschieden. Eine Ratssitzung später Anfang April signalisierte er, die EZB sei „zum Handeln bereit“. Aufgrund der weiterhin schwachen Stimmungsindikatoren wäre eine Leitzinssenkung daher nun folgerichtig. Dies gilt umso mehr, weil die zuletzt niedrigen Werte der Einkaufsmanagerindizes vor allem von Deutschland und Frankreich ausgingen. Präsident Draghi hat bereits hervorgehoben, dass die EZB Anzeichen für eine konjunkturelle Abschwächung in denjenigen Ländern beobachte, die nicht unter starken Verwerfungen auf den Finanzmärkten leiden. Auch dies ist eine Parallelität zum Jahr 2012. Präsident Draghi begründete die Leitzinssenkung im Juli damit, dass sich der wirtschaftliche Ausblick für die gesamte Eurozone verschlechtert habe. Die angemessene Reaktion hierauf seien nicht unkonventionelle Maßnahmen, sondern eine Senkung des Zinsniveaus.
4. Unkonventionelle Maßnahmen erwägt die EZB vor allem mit Blick auf die Kreditvergabe an kleine und mittlere Unternehmen. Angebotsbeschränkungen in den Peripherieländern thematisiert die EZB schon seit einiger Zeit. Der von ihr wahrgenommene Handlungsdruck hat jedoch zugenommen. Sagte Präsident Draghi noch im März, die EZB plane „nichts Spezielles“, wurde auf der Ratssitzung Anfang April über ein Programm zugunsten kleiner und mittlerer Unternehmen zumindest diskutiert. Seither hat sich die Datenlage allenfalls minimal verbessert. Der vierteljährliche Bank Lending Survey der EZB deutet darauf hin, dass sich die Kreditrestriktionen ein wenig entspannt haben, weil die Banken die gesamtwirtschaftlichen Aussichten und die individuellen Risiken ihrer Kunden nicht mehr ganz so negativ beurteilen wie noch Ende letzten Jahres. Im März verzeichnete die Kreditvergabe wieder einen leichten Anstieg im Monatsvergleich, auch im konjunkturell wichtigen Bereich der Kredite an nichtfinanzielle Unternehmen. Die in den EZB-Kompass eingehende Jahresrate der Buchkredite blieb mit -0,8 % aber unverändert gegenüber dem leicht nach oben revidierten Vormonatsniveau. Eine breite Mehrheit der Mitglieder des EZB-Rats dürfte Maßnahmen zur Belebung der Kreditvergabe grundsätzlich befürworten. Die kritische Frage ist jedoch, was die EZB im Rahmen ihres Mandats unternehmen könnte. Eine reine Wiederholung der Dreijahrestender von Dezember 2011 und März 2012 wäre wohl unzureichend, weil die Refinanzierung der Banken nicht den limitierenden Faktor für die Kreditvergabe darstellt. Hilfreich wären demgegenüber Maßnahmen, die den Banken zusätzlichen Spielraum geben, Kreditrisiken durch Verbriefung aus ihren Bilanzen zu manövrieren. Einige Ratsmitglieder haben in diesem Zusammenhang angedeutet, die EZB könnte zu diesem Zweck den Sicherheitenrahmen bei ihren geldpolitischen Geschäften zugunsten solcher Verbriefungen lockern. Eine wichtige Gegenstimme hierzu kommt von Bundesbankpräsident Weidmann. Er sieht nicht die EZB, sondern eher Förderbanken wie die Europäische Investitionsbank in der Pflicht, den Zugang von kleinen und mittleren Unternehmen zu Krediten zu erleichtern. Wertpapierkäufe betrachten die meisten Ratsmitglieder als wenig effektiv zur Belebung der Kreditvergabe. Aufgrund dieser divergierenden Einschätzungen über Möglichkeiten und Grenzen des Mandats ist es denkbar, dass die EZB im Mai noch nicht mit konkreten Beschlüssen aufwartet. Wir würden dann aber davon ausgehen, dass sie bei einer der folgenden Ratssitzungen zumindest kleinere Maßnahmen zur Stimulierung der Kreditvergabe ankündigt.
5. Von den sogenannten harten Konjunkturdaten ging zuletzt sogar ein leicht positiver Effekt auf den EZB-Kompass aus. Man sollte sich hiervon aber nicht täuschen lassen. So bewegte sich die Veränderungsrate der Industrieproduktion vor allem deshalb leicht nach oben, weil die sehr schwachen Werte aus dem Herbst 2012 nun sukzessive aus dem rollierenden Sechsmonatsfenster herausfallen. Die von uns berechnete Outputlücke als Maß für die wirtschaftliche Auslastung der Eurozone hat sich auch in den vergangenen Monaten weiter nach unten geöffnet, nur eben mit einer nicht mehr ganz so stark negativen Jahresrate.
6. Die meisten Kosten- und Inflationsindikatoren waren zuletzt erneut nach unten gerichtet. So schlug sich der Rückgang des Ölpreises vor allem auf die deutschen Importpreise nieder. Der geringe Anstieg sowohl der Lohnkosten als auch der Erzeugerpreise von Vorleistungsgütern bringt dagegen zum Ausdruck, dass auch der trendmäßige Preisauftrieb eher schwach ist. Von Consensus Economics befragte Volkswirte haben ihre Inflationsprognosen für das kommende Jahr um ein weiteres Zehntel auf nur noch 1,6 % nach unten revidiert. Dies steht in Einklang damit, dass die EZB die Preisentwicklung „genau beobachtet“. Auch wenn sie die Risiken nach wie vor als ausgeglichen bezeichnet, beschäftigt sie sich offensichtlich verstärkt mit der Gefahr unerwünscht niedriger Inflationsraten. Auch dies spricht für eine erneute Leitzinssenkung.
7. Abschließend bleibt nur noch die Frage, was ein solcher, notwendigerweise kleiner Zinsschritt bringen soll, zumal er nicht einmal den für den Geldmarkt wichtigen Einlagensatz umfassen dürfte. Unseres Erachtens sollte man diese Zinssenkung im Kontext mit der Kommunikation der EZB sehen. Indem sie den Hauptrefinanzierungssatz reduziert, untermauert sie ihre Zusage, so lange wie nötig an der akkommodierenden Geldpolitik festzuhalten. Sie entfaltet damit eine Wirkung vor allem auf die längerfristigen Geldmarktsätze, die schon seit der EZB-Pressekonferenz Anfang April weiter zurückgegangen sind. Das Ausbleiben einer Zinssenkung würde als Enttäuschung gewertet und damit zu wieder steigenden Geldmarktätzen, also einem weniger akkommodierenden finanziellen Umfeld führen. Insofern handelt es sich durchaus um etwas mehr als eine rein kosmetische Maßnahme. Angesichts der mittlerweile sehr flachen Zinskurven am Geldmarkt besteht nach diesem Schritt jedoch wenig Potenzial, den monetären Stimulus auf ähnliche Weise noch weiter zu verstärken. Die dann noch verbleibenden Optionen wären eine Senkung auch des Einlagensatzes oder zusätzliche unkonventionelle Maßnahmen.
Quelle: DekaBank
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