Deka-EZB-Kompass: In Wartestellung
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1. Auf der Pressekonferenz dieser Ratssitzung dürften Staatsanleihekäufe der EZB erneut im Mittelpunkt des Interesses stehen. Seitdem EZB-Präsident Draghi Ende Juli zum ersten Mal einen solchen Schritt angedeutet hatte, sind die Renditen von Anleihen aus den Peripherieländern der Eurozone massiv zurückgegangen. Seit der letzten EZB-Sitzung am 6. September hat diese Erholung jedoch an Kraft verloren. Denn Präsident Draghi hatte klargestellt, dass die EZB als Voraussetzung für Interventionen auf den Staatsanleihemärkten von den Regierungen der betreffenden Länder relativ strenge wirtschaftspolitische Auflagen verlangen wird. Zwar ging er dabei nicht ins Detail. Die Regierungen Spaniens und Italiens, auf die das Instrument der Outright Monetary Transactions in erster Linie zugeschnitten ist, zeigten bisher jedoch wenig Bereitschaft, sich einer solchen Konditionalität zu unterwerfen. Vor diesem Hintergrund dürfte Präsident Draghi noch einmal hervorheben, dass Konditionalität ein ganz wesentlicher Bestandteil des neuen Staatsanleiheankaufprogramms der EZB ist. Er dürfte die Regierungen in Madrid und Rom vor dem Versuch warnen, angesichts der im Augenblick relativ günstigen Bedingungen auf den Staatsanleihemärkten ohne die Unterstützung der EFSF und der EZB auszukommen, um einer Einmischung in die nationale Wirtschafts- und Finanzpolitik zu entgehen. Denn ein zu langes Zögern könnte an den Finanzmärkten grundsätzliche Zweifel an der Reformbereitschaft der Regierungen aufkommen lassen und damit die Erholung der vergangenen Wochen konterkarieren. Von daher dürfte Präsident Draghi seinen Appell an die Regierungen der Peripherieländer wiederholen, die Voraussetzungen für ein schnelles Eingreifen der EFSF zu schaffen, falls neue Risiken für die finanzielle Stabilität auftreten. Mit anderen Worten: Die EZB wünscht, dass die spanische und die italienische Regierung zeitnah in ein makroökonomisches Anpassungsprogramm einwilligen. Eine solche verbindliche Festlegung auf zukünftige Reform- und Konsolidierungsmaßnahmen wäre der EZB genug, um bei Bedarf auf den Staatsanleihemärkten dieser Länder zu intervenieren.
2. Neben der Verringerung der Finanzierungskosten von Staaten kommt den Outright Monetary Transactions aber auch eine wichtige geldpolitische Bedeutung zu. Die Zielsetzung der EZB besteht darin, dass die Reduktion der Risikoprämien von Staatsanleihen auch auf andere Märkte ausstrahlt, wie etwa die für Unternehmensanleihen und Bankschuldverschreibungen. Und letztlich sollen private Schuldner in den Peripherieländern einen wieder günstigeren Zugang zu Bankkrediten erhalten. Anders als bei einer quantitativen Lockerung kommt es dabei nicht unbedingt darauf an, ob und wie viele Staatsanleihen die Zentralbank tatsächlich kauft. Wichtig ist vielmehr, dass sie es jederzeit könnte, um einer unerwünschten Entwicklung entgegenzuwirken. Wenn dies bereits genügt, um die Risikoprämien von Staatsanleihen zu begrenzen, sollten sich auch günstige Effekte auf andere Finanzmärkte ergeben.
3. In der vergangenen Woche zeigte sich EZB-Präsident Draghi erfreut über die ersten positiven Signale. Allein die Ankündigung des neuen Staatsanleiheankaufprogramms habe die Zuversicht an den Finanzmärkten spürbar erhöht. Dies zeige sich unter anderem auch darin, dass Banken und nichtfinanzielle Unternehmen in den letzten Wochen in großem Umfang neue Anleihen emittieren konnten. Die vollen Effekte der Outright Monetary Transactions auf die Realwirtschaft werden sich aber erst mit der Zeit einschätzen lassen. Wichtige Indikatoren sind in dieser Hinsicht die Kreditvergabe der Banken und die Stimmung im Unternehmenssektor. Ähnlich wie nach der Ankündigung der beiden Längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte im Dezember 2011 dürfte sich die EZB nun etwas Zeit nehmen, um die Wirkung ihrer neuen unkonventionellen Maßnahmen zu beurteilen. Wir gehen deshalb nicht mehr davon aus, dass die EZB den Hauptrefinanzierungs- und den Einlagensatz schon bei dieser Ratssitzung senken wird. Für die kommenden Monate rechnen wir aber nach wie vor mit einem solchen Schritt, sofern deutliche Anzeichen für eine bevorstehende wirtschaftliche Erholung ausbleiben. Für einen wahrscheinlichen Termin halten wir die Ratssitzung im Dezember.
4. Auch der EZB-Kompass spricht für eine zunächst abwartende Haltung der Notenbanker. Im September stieg er zum zweiten Mal in Folge und entfernte sich damit zumindest etwas von seinen jüngsten Tiefständen. Mit 27,4 Punkten liegt er aber nach wie vor in einem Bereich, der der EZB eine weiterhin sehr expansive Geldpolitik nahelegt. Zudem gehen wir auch für die kommenden Monate von keinem allzu starken Anstieg des EZB-Kompass aus. Denn erstens rechnen wir mit einer sehr langsam einsetzenden wirtschaftlichen Erholung in der Eurozone. Zweitens dürfte der starke Anstieg des Ölpreises seit Mitte des Jahres mit der Zeit an Einfluss auf die in den Kompass einfließenden Inflations- und Kostenindikatoren verlieren. Diese beiden Entwicklungen dürften zur Folge haben, dass der EZB-Kompass in sechs Monaten in etwa auf dem gleichen Niveau liegen wird wie derzeit. Erst für den späteren Verlauf des Jahres 2013 rechnen wir mit einer deutlicheren Bewegung nach oben.
5. Die Konjunkturdaten hatten in den letzten Monaten einen divergierenden Einfluss auf den EZB-Kompass. Die Industrieproduktion der Eurozone zeigte weiterhin eine hohe Volatilität. Ihr Abwärtstrend, gemessen an der annualisierten Veränderungsrate über die zurückliegenden sechs Monate, hat jedoch spürbar nachgelassen. Es ist allerdings zu beachten, dass der letzte Datenpunkt aus dem Monat Juli stammt. Für die nähere Zukunft gehen wir davon aus, dass das schwache konjunkturelle Umfeld in erneuten Rückgängen der Industrieproduktion zum Ausdruck kommen wird. Hierfür sprechen insbesondere die Frühindikatoren. Sowohl die Einkaufsmanagerindizes als auch das Economic Sentiment gaben im September auf niedrigem Niveau weiter nach. Seit Beginn seiner Amtszeit hat Präsident Draghi Stimmungsindikatoren, vor allem aus dem Unternehmenssektor, eine hohe Aufmerksamkeit beigemessen. Dies dürfte vorerst so bleiben, denn diese Frühindikatoren könnten die ersten sein, die positive Effekte der Outright Monetary Transactions auf die Realwirtschaft widerspiegeln. Dies ist bislang jedoch noch nicht der Fall. Während auf zahlreichen Finanzmärkten seit Ende Juli eine spürbare Erholung zu beobachten war, dominiert bei den Unternehmen nach wie vor die Skepsis. Sollte eine Besserung der Stimmungsindikatoren auch in den nächsten Monaten ausbleiben, würde dies die Erwartung der EZB einer im Jahr 2013 beginnenden wirtschaftlichen Belebung in Frage stellen. Der Handlungsdruck auf die Notenbanker würde erneut zunehmen.
6. Auch die Kreditvergabe der Banken könnte Aufschluss über die Wirkungen der Outright Monetary Transactions geben. Die in den EZB-Kompass eingehende Jahresrate der Buchkredite liegt mit -0,6 % mittlerweile annähernd so niedrig wie nach der schweren Rezession 2008/2009. Zudem sind im August die für die konjunkturelle Entwicklung sehr aussagekräftigen Kredite an nichtfinanzielle Unternehmen deutlich zurückgegangen. Bis vor kurzem noch führte Präsident Draghi das träge bis rückläufige Verhalten der Kreditaggregate vor allem auf eine konjunkturell bedingt schwache Kreditnachfrage zurück. Mittlerweile ergänzt er jedoch, dass zumindest in einigen Ländern der Eurozone auch angebotsseitige Beschränkungen eine Rolle spielen. Als wesentliche Ursache hierfür betrachtet Draghi eine Fragmentierung oder auch Renationalisierung der Finanzmärkte in der Eurozone, die mit Hilfe der Outright Monetary Transactions überwunden werden soll. Insofern erwartet die EZB allein aufgrund der Ankündigung dieses neuen Instruments eine Stärkung des Kreditangebots vor allem in den Peripherieländern der Eurozone. Für die Kreditvergabe der Banken gilt damit Ähnliches wie für die Stimmungsindikatoren: Sollte eine Belebung in den kommenden Monaten ausbleiben, wäre dies für die EZB ein Argument für eine weitere Lockerung ihrer Geldpolitik.
7. Der Anstieg des EZB-Kompass in den vergangenen zwei Monaten geht zum größten Teil auf die Inflations- und Kostenindikatoren zurück. Man kann diese Größen grob nach dem Grad ihrer Abhängigkeit von Rohstoffpreisen einteilen. Sowohl die Inflationserwartungen der Konsumenten als auch die deutschen Importpreise reagierten sehr kräftig auf den Anstieg des Ölpreises. Auch die von Consensus Economics befragten Volkswirte haben ihre Inflationsprognosen für 2012 und 2013 leicht angehoben. Neben der Verteuerung von Rohöl dürften sich hierin auch die Effekte der Mehrwertsteuererhöhung in Spanien widerspiegeln. Demgegenüber bringen die Erzeugerpreise für Vorleistungsgüter und die Lohnkosten zum Ausdruck, dass der zugrundeliegende Trend des Preisauftriebs äußerst moderat ist. Es sind gerade diese mittelfristigen Indikatoren, auf die die EZB ihre Erwartung stützt, dass die Inflationsrate im kommenden Jahr wieder unter die Zielmarke von 2 % fallen und über den politikrelevanten Zeithorizont dort verbleiben wird.
8. Fazit: Während das niedrige Niveau des Kompass der EZB nach wie vor eine sehr expansive Geldpolitik nahelegt, lässt sich aus ihm eine erneute Leitzinssenkung zumindest nicht eindeutig ableiten. Es ist unseres Erachtens mehr der von uns erwartete äußerst langsame Anstieg des EZB-Kompass, der für eine weitere Lockerung der Geldpolitik spricht. Ob dies auch eine Senkung des Hauptrefinanzierungs- und des Einlagensatzes beinhaltet, hängt im Wesentlichen davon ab, ob und wie schnell sich positive Auswirkungen der Outright Monetary Transactions auf die Realwirtschaft zeigen. Mit ausschlaggebend hierfür ist auch die weitere Entwicklung auf den Finanzmärkten und damit nicht zuletzt das Verhalten der Regierungen in Madrid und Rom. Insofern ist der Zeitpunkt des nächsten Zinsschritts sehr schwer vorherzusagen. Wir gehen jedoch davon aus, dass der EZB – um die Leitzinsen nicht zu senken – sehr deutliche Hinweise vorliegen müssten, dass die Outright Monetary Transactions zu einer spürbaren Belebung der wirtschaftlichen Aktivität in der Eurozone führen. Dies würde sich auch darin niederschlagen, dass der EZB-Kompass in den kommenden Monaten stärker ansteigt als von uns erwartet.
Quelle: DekaBank
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