Deka-EZB-Kompass: Erwarteter, deutlicher Rückgang
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1. Von revidierten 53,5 Punkten im Juli fällt der Deka-EZB-Kompass im August auf 47,0 Punkte. Damit unterschreitet unser Scoring-Modell zur Beurteilung angemessener EZB-Leitzinsen die neutrale 50-Punkte-Marke. Dies eröffnet Spielraum für expansive Geldpolitik, allerdings ist diese expansive Geldpolitik beim gegenwärtigen Refi-Satz von 1,5 % gegeben. Der starke Rückgang des Kompasswertes im August gegenüber Juli spiegelt die Dynamik der Veränderung des konjunkturellen Umfelds in diesen beiden Monaten wider: Die Frühindikatoren für die Konjunktur sowie die Inflationskomponenten lassen nach. Die Sorge um die Folgen abnehmender Konjunkturdynamik Eurolands reflektiert das im August auf 98,3 Punkte gesunkene Economic Sentiment bzw. das Wirtschaftsvertrauen Eurolands, das auch in unserem Prognosebereich noch weiter sinken dürfte. Der Rückgang der annualisierten 6-Monatsveränderung der Industrieproduktion (von 2,1 % im Juli auf 0,6 % im August sowie -1,4 % in Februar 2012) zeugt von abnehmender Konjunkturdynamik. Die Jahresraten der Inflationskomponenten Erzeugerpreise und Importpreise sind im August deutlich gesunken. Somit sinken konjunktureller und importierter Inflationsdruck zugleich – eine Trendwende im Vergleich zur ersten Jahreshälfte 2011.
2. Abnehmender Inflationsdruck sowie die äußerst konjunkturpessimistischen Einschätzungen an den Finanzmärkten entziehen der EZB ihr bisheriges Argument für ihren Zinserhöhungskurs. Die Inflationsrate Eurolands befindet sich nach ihrem Jahreshoch von 2,8 % im April nun zunehmend auf dem Rückzug und lag im August bei 2,5 %. EZB-Präsident Trichet hat bereits im Vorfeld des September- Zinsentscheids erklärt, dass die Notenbank die Preisrisiken in Euroland neu bewerten wird. Dazu wird sich der EZB-Rat in der kommenden Sitzung auf die neuen Projektionen seines Stabs zu makroökonomischen Entwicklungen im Euro-Währungsgebiet, die Prognosen für Inflation und Konjunktur beinhalten, stützen. Die Inflationsprognose der letzten Stabsprojektion vom Juni lag bei 2,6 % für 2011 sowie bei 1,7 % für 2012, für die Wirtschaft Eurolands prognostizierte der Stab im Juni ein Wachstum von 1,9 % in 2011 sowie 1,7 % für 2012. In der aktuellen September-Projektion dürfte nun angesichts sich abzeichnender Wachstumsverlangsamung Eurolands vor allem die Inflationsprognose nach unten revidiert werden.
3. Das Thema, das die Kapitalmärkte zurzeit am meisten interessiert, sind Hinweise auf eine mögliche Bereitschaft der EZB zu Zinssenkungen. Wir rechnen zwar mit einer gegenüber der letzten Sitzung noch vorsichtigeren Positionierung des Zentralbankrats, wobei die Risiken aber wahrscheinlich weiterhin gleich verteilt in beiden Richtungen gesehen werden. Allerdings wird sich Präsident Trichet ebenfalls hüten, die bereits vorhandenen Zinssenkungserwartungen – ein Zinsschritt nach unten im Verlauf der kommenden 6 Monate ist am Geldmarkt bereits eingepreist – weiter zu bestärken. Vielmehr wird die EZB auch mit den neuen Projektionen keine Rezession oder stark sinkende Inflationsraten vorhersagen, die eine Zinssenkung unausweichlich erscheinen lassen würden. Wir erwarten zunächst eine wait-and-see Haltung der EZB. Da wir gegenwärtig die negativen Kapitalmarktreaktionen als zu heftig für die weiterhin moderate Konjunkturentwicklung ansehen, wird unserer Meinung nach die Zinsdiskussion im kommenden Jahr wieder offener geführt werden.
4. Einen weiteren wichtigen Teil insbesondere in der Pressekonferenz werden die Fragen zur Eurozone einnehmen. Wie wird die Arbeitsteilung beim Anleiheankauf aussehen zwischen der EZB und der EFSF? Was geschieht, wenn sich Schwierigkeiten bei der parlamentarischen Ratifizierung der erweiterten EFSF-Befugnisse ergeben? Was ist in Griechenland los? Wie schätzt die EZB die Refinanzierungslage bei den europäischen Banken ein? Dies werden wieder zum Großteil Fragen sein, die Präsident Trichet an die Regierungen weiterdelegieren muss, wie so oft in den vergangenen Pressekonferenzen. Da die EZB auf diese Weise der gefühlten Zuspitzung der währungspolitischen Spannungen im Euroraum wenig entgegenzusetzen hat, wird sich an den Märkten trotz eines bereits niedrigen Erwartungsstandes tendenziell weiterhin Entmutigung breitmachen.
Quelle: DekaBank
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