Deka-EZB-Kompass: Entwarnung bei Inflationsgefahren - geldpolitische Normalisierung geht weiter
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1. Die Werte des Deka-EZB-Kompass setzen ihren Abwärtstrend fort. Im Juni ist der Kompass auf 53,4 Punkte von revidierten 57,7 Punkten im Mai gesunken. Inflationsdämpfender Zinserhöhungsbedarf bleibt damit bestehen, wenngleich in abgeschwächter Form gegenüber Mai. Insgesamt ähnelt das gesamtwirtschaftliche Bild im Juni dem des Vormonats: Auch wenn der Aufschwung in Euroland langsam an Fahrt verliert, so hält er dank seines soliden Wachstumskerns weiter an. Der Einkaufsmanagerindex (53,6 Punkte) sowie das Economic Sentiment (105,1) haben zwar gegenüber Mai nachgelassen. Ihre Werte liegen aber weiterhin im Expansionsbereich, auch in unserem Prognosezeitraum für die nächsten 6-18 Monate. Die Moderierung des Aufschwungs zeichnet sich ebenfalls in der sinkenden annualisierten 6-Monatsveränderung der Industrieproduktion ab (2,8 % im Juni, 0,3 % im Dezember 2011). Auch bei den Inflationskomponenten (Kernrate der Erzeugerpreise: 2,5 % im Juni; Importpreise: 6,9 %) rechnen wir mit abnehmenden Wachstumsraten im Prognosezeitraum, bedingt durch die Moderierung der Rohstoffpreise sowie einen gegenüber dem US-Dollar aufwertenden Euro. Sinkende Inflationserwartungen zeichnen sich zukünftig sowohl bei den professionellen Markteilnehmer (Consensus Economics: 2 %) als auch bei den Konsumenten (EUKommission) ab. Bei den Letzteren ist der Saldo im Juni auf 24,7 von 27,4 im Mai gesunken, was bedeutet, dass im Vergleich zum Mai weniger Befragte von zukünftig steigenden Preisen ausgehen. Insgesamt liefert unser Kompass wieder eine plausible Rechtfertigung für eine weitere Zinserhöhung durch die EZB. Der intakte Aufschwung in Euroland kühlt keineswegs bedrohlich ab. Der potentielle Druck auf die Konsumentenpreise seitens der Produzenten- und Importpreise verliert zwar an Stärke. Aber angesichts der seit Jahresbeginn über der 2-%-Marke verharrenden Inflationsrate (2,7 % im Juni) gilt es für die EZB nun, nicht nur die Inflationserwartungen, sondern auch ihre Glaubwürdigkeit zu festigen. Dies dürfte die EZB mit der Fortsetzung ihres Normalisierungskurses am kommenden Donnerstag in Angriff nehmen. Wir rechnen mit einer Zinserhöhung auf 1,50 %.
2. Nachdem Griechenland sich noch einmal bis zum Ende dieser Finanzierungsrunde durchhangeln konnte, ohne k.o. zu gehen, kann die Europäische Zentralbank sich weiter ihrem Ziel zuwenden, die Inflationserwartungen in Schach zu halten. Für die EZB ist es wichtig, ihre durch die Verstrickung in die Staatsschuldenkrise angekratzte Reputation wieder aufzubauen. Sollte Griechenland im September tatsächlich ein weiteres Überbrückungskreditpaket erhalten, wird sich auch das direkte Engagement der EZB in Griechenland-Anleihen vermindern, da auslaufenden Anleihen wahrscheinlich keine neuen Käufe mehr gegenüberstehen werden. Wir gehen zwar davon aus, dass auch die Einwände der Rating-Agenturen gegen die Roll-Over-Pläne die neuen Kredittranchen für Griechenland nicht zu Fall bringen werden. Trotzdem bleibt das Sicherheitenproblem gravierend. Bei einem Default-Rating griechischer Anleihen kann die EZB diese nicht mehr als Sicherheiten akzeptieren, also müssen Gespräche mit den Ratingagenturen ausloten, welche Veränderung bei den bisherigen Plänen ein solches Rating vermeiden kann, zumal die Auslegung der Default-Kriterien (keine Kapitalwertveränderung) in dem bisherigen Kommentar von S&P unverständlich streng ausfiel.
3. Unser Kompass zeigt es: Inflationsgefahren sind zwar nicht akut, aber weiterhin sorgfältig zu beobachten. Zwar hat der Druck etwas nachgelassen, dies aber vor dem Hintergrund rückläufiger Rohölpreise. Ob sich solche Aktionen wie die temporäre Freigabe von Teilen der strategischen Rohölreserven einiger Industriestaaten nachhaltig auf den Preis auswirken können, ist fraglich, erst recht wenn sich die weltwirtschaftliche Abschwächung nur als eine Zwischenepisode in einem weiter intakten Aufschwung darstellen sollte, wofür nach unserer Auffassung immer noch die meisten Anzeichen sprechen. Wir rechnen bei der Sitzung am Donnerstag mit einer weiteren Anhebung des Refisatzes um 25 Bp.
4. Wichtiger aber als die Zinsentscheidung wird der Ausblick sein, den die EZB am Donnerstag geben wird. Unsere Erwartungen bezüglich der für die Geldpolitik relevanten Parameter lassen sich an unserer Projektion für die Werte des EZB-Kompass ablesen. Danach lässt der Druck auf die EZB in den kommenden Monaten etwas nach: die Inflationsentwicklung dürfte sich leicht moderieren, die Konjunkturindikatoren werden zwar wieder einen Gang hochschalten, aber nicht in eine ausgeprägte Rallye einmünden wie dies in den ersten Monaten dieses Jahres der Fall gewesen ist. Zweitrundeneffekte der Rohstoffpreissteigerungen vom ersten Halbjahr lassen sich ebenfalls noch nicht feststellen. Mit der Holz- und Kunststoffindustrie hat jetzt in Deutschland eine erste Branche einen Tarifabschluss von über 4 Prozent vorgelegt, alle anderen 11 Abschlüsse dieses Jahren fielen noch relativ moderat aus, so dass die Tariflohnsteigerungen des laufenden Jahres in Deutschland – der dynamischsten der großen Euroland Regionen – im Durchschnitt moderat ausfallen sollten. Trotzdem rechnen wir Richtung 2012 mit Abschlüssen über der 4-Prozent-Marke. Solange keine eindeutigen Anzeichen für ein Abbrechen der konjunkturellen Erholung vorhanden sind, sollte die EZB mit ihrem Kurs der geldpolitischen Normalisierung fortfahren, der aus unserer Sicht zunächst ein Etappenziel von 2 Prozent beim Refi-Satz Anfang nächsten Jahres beinhaltet. Das heißt aber automatisch auch, dass Präsident Trichet an diesem Donnerstag den Ausblick von „starker Wachsamkeit“ wieder auf „Wachsamkeit“ zurücknehmen wird. Denn mit dem nächsten Zinsschritt rechnen wir dann erst wieder im Oktober. Bis dahin ist es noch zu lange hin, als dass eine Zentralbank sich heute schon zu deutlich verpflichten könnte.
Quelle: DekaBank
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