Deka-EZB-Kompass: Die Lockerungsdebatte ist wieder eröffnet
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1. Der Rückgang des Deka-EZB-Kompasses hat sich weiter fortgesetzt. Der Wert für Februar musste rückwirkend um über einen Punkt nach unten revidiert werden. Anschließend ist der Kompass im März nochmals um knapp einen Punkt gefallen. Mit 22,5 Punkten liegt er nun niedriger als im Juli 2012, als die EZB den Hauptrefinanzierungssatz zuletzt um 25 Basispunkte gesenkt hatte. Die Debatte um eine potenzielle weitere Lockerung der Geldpolitik ist damit spätestens jetzt wieder voll eröffnet. Dies spiegelt sich auch an den Finanzmärkten wider, beispielsweise in Form zeitweise negativer Renditen zweijähriger Bundesanleihen. Für die kommenden Monate rechnen wir mit einem wieder langsam ansteigenden EZB-Kompass. Wichtige Triebfedern hierfür sind eine sich allmählich anbahnende konjunkturelle Erholung, eine wieder zunehmende Kreditvergabe und ein mittelfristig wieder etwas stärkerer Preisauftrieb. In diesem Fall dürfte die EZB von einer Leitzinssenkung oder weiteren unkonventionellen Maßnahmen Abstand nehmen. Allerdings ist der zukünftige Verlauf des EZB-Kompasses im Augenblick mit einer außergewöhnlich großen Unsicherheit behaftet. Auf der ersten EZB-Pressekonferenz dieses Jahres hatte Präsident Draghi die Einschätzung abgegeben, dass die wirtschaftlichen Abwärtsrisiken für die Eurozone erheblich abgenommen hätten. Er begründete dies vor allem mit einer deutlichen Verbesserung des finanziellen Umfelds seit Ankündigung der Outright Monetary Transactions. Die Entspannung an den Finanzmärkten wird nun jedoch durch die Ereignisse rund um Zypern und die politische Unsicherheit in Italien bedroht. Sollte es zu erneuten schwerwiegenden Marktverwerfungen kommen, würde sich dies auch in einem tieferen Verlauf des EZB-Kompasses niederschlagen. Die Wahrscheinlichkeit für eine weitere Leitzinssenkung oder erneute unkonventionelle Maßnahmen hat in den vergangenen Wochen daher eindeutig zugenommen.
2. Seit Ende letzten Jahres hatten konjunkturelle Stimmungsindikatoren einen positiven Einfluss auf den EZB-Kompass. Dieses Bild bekam jedoch schon im Februar erste Risse. Anschließend sind im März sowohl die Einkaufsmanagerindizes als auch das breiter gefasste Economic Sentiment zurückgegangen. Wichtig ist dabei, dass die Verschlechterung der Stimmungsindikatoren nicht von den Peripherieländern, sondern vor allem von Deutschland und Frankreich ausging. Insofern hat diese Entwicklung kaum mit zypriotischen Banken oder der schwierigen Regierungsbildung in Italien zu tun. Auch widerlegt sie nicht die positiven Auswirkungen, die die Ankündigung der Outright Monetary Transactions auf die Stimmung von Unternehmen und privaten Haushalten vor allem in den Peripherieländern gehabt hat. Vielmehr bringt sie zum Ausdruck, dass die wirtschaftliche Erholung der Eurozone insgesamt über wenig Kraft verfügt, sodass temporäre Rücksetzer nicht ausgeschlossen sind. Präsident Draghi hatte in den vergangenen Monaten regelmäßig auf die gestiegenen Stimmungsindikatoren verwiesen und damit seine Erwartung einer bald einsetzenden, wenn auch nur langsamen wirtschaftlichen Erholung untermauert. Durch den Rückgang der Einkaufsmanagerindizes und des Economic Sentiment im März werden seine Argumente gegen eine weitere Lockerung der Geldpolitik somit zumindest teilweise entkräftet.
3. Die sogenannten harten Konjunkturdaten hatten in den letzten Monaten einen in der Summe negativen Effekt auf den EZB-Kompass. Daten zur Industrieproduktion liegen bislang nur bis zum Januar vor. In den anschließenden Monaten dürfte sich ihr Abwärtstrend noch etwas weiter beschleunigt haben. Hierauf deuten vor allem die gesunkenen Einkaufsmanagerindizes hin. Auch die von uns berechnete Outputlücke als Maß für die wirtschaftliche Unterauslastung des Euroraums dürfte sich weiter ausgedehnt haben, wenn auch mit einer etwas nachlassenden Geschwindigkeit.
4. Die Kreditvergabe der Banken war auch im Februar rückläufig, wenn auch nicht mehr ganz so stark wie in den Monaten zuvor. Die in den EZB-Kompass einfließende Jahresrate verharrte bei -0,9 %. Vor allem die für die wirtschaftliche Entwicklung richtungweisenden Kredite an nichtfinanzielle Unternehmen zeigten sich unverändert schwach. Die EZB führt die sinkenden Kreditaggregate vor allem auf eine konjunkturell bedingt schwache Kreditnachfrage zurück, konstatiert mittlerweile aber auch Angebotsbeschränkungen für kleine und mittlere Unternehmen. Allerdings sieht die EZB die Ursachen hierfür weitgehend außerhalb ihres Einflussbereichs. Insbesondere beruhe die Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe nicht auf einer mangelnden Refinanzierung. Engpässe dort habe die EZB durch die Dreijahrestender und die Vollzuteilung bei den wöchentlichen Hauptrefinanzierungsgeschäften ausreichend adressiert. Ausschlaggebend seien vielmehr die hohe Risikoaversion der Banken und vor allem ihre geringe Bereitschaft zu grenzüberschreitenden Aktivitäten, was Draghi regelmäßig als „Fragmentierung der Finanzmärkte“ bezeichnet. Insofern besitzt die EZB durchaus den Wunsch, Maßnahmen zur Belebung der Kreditvergabe zu ergreifen, es fehlen ihr jedoch die geeigneten Instrumente. Auf der Pressekonferenz im März sagte Präsident Draghi „Wir denken wirklich in alle Richtungen“. Denkbar wäre eine Lockerung des Sicherheitenrahmens der EZB speziell zugunsten von Bankkrediten an kleine und mittlere Unternehmen. Über dieses Thema scheinen in den Nationalen Notenbanken jedoch sehr unterschiedliche Vorstellungen zu herrschen, sodass bei dieser Ratssitzung eher nicht mit einem Vorstoß zu rechnen ist.
5. Auch die meisten in den EZB-Kompass einfließenden Inflations- und Kostenindikatoren waren zuletzt rückläufig, wie etwa die Jahresraten der Erzeugerpreise von Vorleistungsgütern und der deutschen Importpreise. Der Anstieg der Lohnkosten hat im Verlauf des Jahres 2012 abgenommen und dürfte noch für längere Zeit sehr niedrig bleiben. Die von Consensus Economics befragten Volkswirte gehen für dieses und das nächste Jahr von Inflationsraten von jeweils 1,7 % aus. Sie rechnen also auch auf mittlere Sicht mit einem Preisauftrieb eher unterhalb der Zielsetzungen der EZB. Lediglich die Inflationserwartungen der privaten Haushalte blieben im März weitgehend unverändert auf einem im historischen Vergleich noch immer leicht erhöhten Niveau.
6. Die Anzeichen für anhaltend niedrige und möglicherweise noch weiter zurückgehende Inflationsraten betrachtet die EZB als Legimitation, bis auf weiteres an ihrer sehr akkommodierenden Geldpolitik festzuhalten. Auf den Pressekonferenzen im Februar und März waren entsprechende Signale Draghis zu hören, die weit über das hinausgingen, was man von der EZB als in die Zukunft gerichtete Orientierung gewohnt ist. Auch diese Kommunikation besitzt einen wohlüberlegten Einfluss auf die Finanzmärkte und daher eine stimulierende Wirkung auf die Realwirtschaft. Die Möglichkeit, die Leitzinsen noch weiter zu senken, steht dennoch auf einem anderen Blatt, selbst wenn der EZB-Rat bereits auf seiner Sitzung im März über einen solchen Schritt diskutiert hat. Denn ausgehend von dem ohnehin schon äußerst niedrigen Zinsniveau dürfte sich nur dann eine Mehrheit für eine weitere Senkung aussprechen, wenn sie ernsthafte Deflationsrisiken für den Euroraum befürchtet. Zwar geht auch die EZB für die kommenden Jahre von eher niedrigen Inflationsraten aus. Zumindest Präsident Draghi scheint Deflationsgefahren jedoch weitgehend auszuschließen. Hinzu kommt, dass eine Senkung der Leitzinsen nur dann größere Wirkungen versprechen würde, wenn sie auch den Einlagensatz mit einschließt. Gegenüber negativen Zinsen am Geldmarkt scheint der EZB-Rat aber nach wie vor große Bedenken zu haben. So warnte Draghi im März vor möglicherweise ernsthaften Nebenwirkungen. Wir gehen daher eher nicht von einer Leitzinssenkung aus, selbst wenn die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Schritt in den vergangenen Wochen zugenommen hat.
7. Auf der Pressekonferenz dürften auch das Hilfspaket für Zypern und vor allem die Einbindung von Gläubigern in die Restrukturierung bzw. Abwicklung von Banken diskutiert werden. Äußerungen von Eurogruppen-Chef Dijsselbloem, dieses Vorgehen als Muster auch für andere Mitgliedsländer der Währungsunion zu betrachten, hatten in der vergangenen Woche für einige Unruhe gesorgt. Zwar haben mehrere Ratsmitglieder den Vorstellungen Dijsselbloems mittlerweile widersprochen. Die Haltung der EZB zu diesem Thema ist dennoch nicht ganz eindeutig. Einerseits hatte sie die irische Regierung gedrängt, bei der Restrukturierung angeschlagener Banken nicht auf die Inhaber vorrangiger Anleihen zurückzugreifen. Andererseits hat sich Präsident Draghi auf der Pressekonferenz im März in einem anderen Zusammenhang explizit für ein Bail-In ausgesprochen, solange es nicht die Stabilität an den Finanzmärkten gefährdet. Vermutlich lehnt die EZB den Vorstoß Dijsselbloems ab, weil sie negative Konsequenzen für die Refinanzierung von Banken vor allem in den Peripherieländern befürchtet. Dies könnte die Bemühungen der EZB konterkarieren, durch ihre unkonventionellen Maßnahmen den monetären Transmissionsprozess zu reparieren und die Kreditvergabe zu beleben. Aber dann wäre ihre ablehnende Haltung nur vorübergehend. Das heißt, ist die Finanzkrise abgeklungen und sind ausreichende Fortschritte in Richtung einer Bankenunion gemacht, würde die EZB einem Bail-In von Gläubigern aufgeschlossener gegenüberstehen.
Quelle: DekaBank
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