Kommentar
14:57 Uhr, 06.12.2011

Deka-EZB-Kompass: Bedarf an weiteren Zinssenkungen

1. Im November fällt der EZB-Kompass auf 39,6 Punkte, nach revidierten 42,3 Punkten im Oktober. Der Sinkflug der Kompasswerte, weg von der neutralen 50-Punkte-Marke, setzt sich im Prognosezeitraum weiter fort. Damit signalisiert der Kompass weiteren Zinssenkungsbedarf der EZB. Entsprechend rechnen wir nach dem Zinsschritt im November auch am kommenden Donnerstag mit einer Leitzinssenkung um 25 Bp auf dann 1,0 %. Denn ein nach wie vor schwacher Konjunkturausblick dämpft die Inflationsgefahren in Euroland. Das Economic Sentiment der Europäischen Kommission zeigt mit einem erneuten Rückgang auf ein Zweijahrestief von 93,7 Punkten, dass sich die Stimmung der Konsumenten und der Unternehmen in Euroland weiter verschlechtert hat. Nach unserer Prognose wird dieses Wirtschaftsvertrauen, als Vorlaufindikator zur Konjunktur, in den kommenden sechs Monaten noch weiter unter seinen langjährigen Mittelwert (100 Punkte) sinken (88,2 Punkte im Mai 2012). Dass Euroland auf Rezessionskurs ist, spiegelt sich auch deutlich im von uns erwarteten, starken Rückgang der Industrieproduktion (annualisierte 6-Monatsveränderung) um 7,5 % im Mai 2012 wider. Auch seitens monetärer Komponenten ist kein Preisdruck in Sicht. Bei schwachem Konjunkturausblick entwickeln sich die Wachstumsraten der Buchkredite an den privaten Sektor weiterhin moderat. Ein Lohnkostenanstieg von unter 2 % deutet nach wie vor keine Zweitrundeneffekte an. Die Inflationserwartungen bleiben stabil (Konsumenten) bzw. am Inflationsziel der EZB verankert (Consensus mit 1,8 %). Somit zeichnen sich für die geldpolitisch relevante mittlere Frist keine Inflationsgefahren ab, weder von der konjunkturellen noch von der monetären Seite her.

2. Die EZB steht bei ihrer letzten Sitzung mit anschließender Pressekonferenz in diesem Jahr unter besonderer Beobachtung. Viele Marktteilnehmer hoffen immer noch auf eine „große“ Finanzierungslösung für die refinanzierungsgeplagten Euro-Mitgliedstaaten, insbesondere nach der konzertierten Aktion der Notenbanken in der vergangenen Woche zur Erweiterung und Vergünstigung der US-Dollar Swap-Programme. Wir haben an dieser Stelle immer wieder darauf hingewiesen, wo die Gefahren liegen, wenn die EZB ein unlimitiertes Anleihe-Kaufprogramm auflegt. Dann nämlich besteht die Gefahr, zu einer Bad Bank zu werden, wenn die Staaten es versäumen, ausreichende Reform- und Konsolidierungsschritte zu ergreifen. Die EZB wird ihr Anleiheprogramm daher weiter opportunistisch fahren, das bedeutet, sie bleibt ihrer Auffassung treu, dass die Staatsfinanzierung nicht zu ihren Aufgaben gehört.

3. Italien hat über das Wochenende ein weiteres Sparprogramm angekündigt, das die Weichen hin zu einer Bewältigung der eigenen Schuldenkrise stellen könnte. Dies kann die EZB etwas beruhigter werden lassen, dass die Staatsanleihen in ihrem Portfolio ihren Wert behalten. Wir erwarten positive Kommentare und eine wohlwollende Aufnahme dieser Schritte aus Italien, die sogar einen Tag früher kamen als ursprünglich erwartet. In diesem Spiel „Finanzierung gegen Reformen“ können wir uns vorstellen, dass die EZB oder die Zentralbanken des Euroraums zusammen mit dem IWF ein Arrangement aufstellen, das Kreditlinien des IWF mit dessen Konditionalitätskonzept verbinden. Anders als bei direkten Krediten der EZB an Länder des Euroraums steht hier der IWF zwischen der Zentralbank und den Kreditnehmern. Da der IWF stets der vorrangige Gläubiger ist, halten sich hier die Risiken der refinanzierenden Zentralbanken in Grenzen.

4. Daneben rechnen wir mit einer weiteren Zinssenkung um 25 Bp bei der Sitzung in dieser Woche. Wenngleich zuletzt aus der Weltwirtschaft versöhnlichere Konjunkturtöne erklangen, neigt sich die europäische Konjunkturwaage vor dem Hintergrund drastischer Konsolidierungsmaßnahmen in Südeuropa einer leichten Rezession zu. Dass der Zentralbankrat unter Draghi dies pragmatisch und vorausschauend begleitet, hat der neue EZB-Präsident bereits bei seiner ersten Sitzung deutlich gemacht.

5. Ferner stehen der EZB noch einige weitere Instrumente zur Verfügung, den gegenwärtigen Bankenstress zu mildern. Hier steht etwa eine neue Erweiterung des Sicherheitenrahmens im Mittelpunkt. Ferner kann die EZB Finanzierungen über mehr als 12 oder gar 18 Monate bereitstellen. Wir erwarten für diese Sitzung ein Paket an Maßnahmen oder zumindest Absichtserklärungen, welche dieser Instrumente die EZB einsetzen würde, wenn sich die Finanzierungsprobleme des europäischen Bankensystems weiter zuspitzen sollten.

Quelle: DekaBank

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