Kommentar
08:40 Uhr, 07.10.2014

DAX-Unternehmen: für Deutschland irrelevant?

Die Frage klingt provokativ, sie wird aber immer wieder gestellt. Die Antwort hängt davon ab, wen man fragt.

Erwähnte Instrumente

  • DAX
    ISIN: DE0008469008Kopiert
    Kursstand: 9.209,51 Punkte (XETRA) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • DAX - WKN: 846900 - ISIN: DE0008469008 - Kurs: 9.209,51 Punkte (XETRA)

Wenn Konzerne wie RWE regelmäßig wieder tausende Stellen kürzen, obwohl sie noch profitabel arbeiten, dann dürfte dem einen oder anderen Gewerkschafter schon eine klare Antwort einfallen. So einfach ist es aber natürlich nicht.

Was ist schon relevant?

Ob Dax Konzern oder ein beliebiges anderes Unternehmen – es geht fast immer um das gleiche: ein ausgewogenes Verhältnis von Gewinn, Wachstum und Effizienz. Für Aktionäre sind Gewinne die wichtigste aller Messgrößen. Danach folgt Effizienz. Gewinn und Effizienz gehen für gewöhnlich eng Hand in Hand. Für die Regierung ist der Gewinn von Unternehmen auch nicht unerheblich, im Vordergrund dürfte allerdings eher Wachstum stehen. Das schafft Arbeitsplätze.

In allen Kategorien sind die Dax Konzerne keine zu vernachlässigende Größe. Die 30 Unternehmen beschäftigen über 3,7 Mio. Menschen. Einige der Unternehmen wie Volkswagen haben einen sehr hohen Anteil an Beschäftigten. Mit gut 570.000 Mitarbeitern beschäftigt VW so viele Menschen wie kein anderes Unternehmen. Es folgen die Deutsche Post mit ca. 435.000 und Siemens mit 362.000. Beiersdorf fällt da mit 16.000 Mitarbeitern kaum ins Gewicht. Sehr bescheiden ist die Deutsche Börse mit gerade einmal 3.500 Mitarbeitern.

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Über die vergangenen Jahre ist die Gesamtmitarbeiteranzahl kontinuierlich gewachsen. Im Jahr 2000 waren es ungefähr 3,4 Mio. Beschäftigte, heute sind es 3,8 Mio. Der Trend stimmt. Die Konzerne sorgen dafür, dass mehr Menschen in Arbeit und Brot kommen. Sie sorgen allerdings vor allem im Ausland dafür.

Die Mitarbeiterzahl in Deutschland sinkt. Vor gut 10 Jahren betrug der Anteil der Beschäftigten in Deutschland über 50%. Heute sind es nur noch 40%. Im Vergleich zu 2002 beschäftigen die Dax Unternehmen fast 200.000 Menschen weniger in Deutschland. Für die Regierung bedeutet das weniger Arbeitsplätze und letztlich auch weniger Steuern. Es bleibt noch die Steuer auf den Gewinn der Unternehmen.

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Das alles gegenzurechnen ist nicht leicht. Nimmt man aber an, dass 200.000 Personen weniger beschäftigt sind und diese im Durchschnitt 38.000 EUR im Jahr verdienen, dann entgehen dem Staat 1,3 Mrd. an Lohnsteuer und ca. 1,5 Mrd. an Sozialabgaben. Zusammen entgehen der Gesellschaft so ca. 2,8 Mrd. EUR. Um das durch die Steuer auf Unternehmensgewinne auszugleichen müssten die Dax Konzerne 11,4 Mrd. mehr Gewinn erwirtschaften. In den letzten 8 Jahren gab es jedoch keinen systematischen Anstieg der Gewinne. Geht man etwas weiter zurück bis ins Jahr 2004 oder 2001, dann geht die Rechnung wieder auf. Trotzdem: für alle 200.000 Stellen, die in Deutschland gestrichen werden, müssten die Unternehmen 11,4 Mrd. mehr Gewinn schreiben. Das ist eher unwahrscheinlich.

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Für Deutschland und den Staat sind Unternehmen am relevantesten, wenn sie in Deutschland Arbeitsplätze schaffen. Einige tun dies. Insgesamt haben 18 von 30 Konzernen in den vergangenen Jahren Stellen geschaffen. Der überwiegende Teil davon entfällt auf das Ausland. Besonders kritisch ist die Krise der Versorger. Hier geht es seit Jahren dramatisch bergab. Den Stellenaufbau der vergangenen Jahre wird durch die Krise der Versorger wieder vollkommen ausgeglichen.

Die Dax Unternehmen schreiben insgesamt 1,35 Billionen EUR Umsatz. Davon entfallen immer weniger Anteile auf Deutschland. Zuletzt waren es noch 26%. Das ist etwas weniger als 13% des BIP. Von den Gesamtbeschäftigten in Deutschland stellen die Konzerne etwa 3,8%. Das ist nicht wirklich viel und der Anteil sinkt weiter.

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Natürlich ist das alles auch eine Frage der Globalisierung. Vorwerfen kann man es den Unternehmen wohl kaum, dass sie im Ausland expandieren. Gesamtvolkswirtschaftlich nimmt die Bedeutung der Dax Konzerne aber jedes Jahr ein wenig ab.

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  • Floyd K
    Floyd K

    Die Luft zum Atmen

    ​Es gelingt Ihnen immer wieder, den Finger in die Wunde zu legen und sonst kaum berichtete Tatsachen und Zusammenhänge nachvollziehbar offenzulegen.

    Demnach scheint es so, dass den DAX-Unternehmen die Luft zum Atmen ausgeht. Produzierende Betriebe sind schon in den 90er Jahren massiv geflohen und mit ihnen die Arbeitsplätze. In Deutschland wird nur noch verwaltet, gelagert und ein wenig Engineering betrieben. Innovationen und Marktführerschaft gibt es nicht mal mehr in Nischen. Das ist ein brisantes Gemisch.

    Betreibt man Fundamentalanalyse bei den DAX- Unternehmen fällt sofort auf, dass sie im internationalen Vergleich z.B. mit den USA, Kanada und sogar der Schweiz schwer belastet sind, deshalb der Ausweg ins Ausland.

    Was also läuft hier falsch? Ist es die Überfrachtung mit staatlichen Abgaben? Man möchte meinen ja. In der Logistikbranche Deutschlands z.B. sind diese Belastungen mit Händen zu greifen. Ca. 2/3 der Arbeitsplätze sind Niedriglöhner und trotzdem geht es den Unternehmen schlecht, wie die Bilanzen zeigen. Das hindert unseren Staat aber nicht, die übermäßigen Lasten z.B. die LKW-Maut fortlaufend zu erhöhen und im jüngsten Coup die Niedriglöhne um mehr als 10% per Verordnung anzuheben. Wie soll das ein Unternehmen wegstecken, dass seit vielen Jahren von niedrigen einstelligen Gewinnmargen leben muss? Auch unsere Gewerkschaften bluten die Unternehmen aus, unser Streikrecht läßt alles zu. An den Aktienkursen der Lufthansa wird dieses Drama sichtbar, aber auch der Bahn geht es nicht besser. Der Niedergang scheint programmiert. Den Versorgern geht es weltweit nicht schlecht, schließlich sitzen sie an der Quelle. Nur in Deutschland klappt das nicht, wie sie beschreiben, was ist die Ursache? Wieder der Staat?

    Nimmt man in dieser Gemengelage noch die jüngsten politisch/wirtschaftlichen Beschlüsse, die unseren Unternehmen das bislang gut laufende Russlandgeschäft vermiesen und den Steuerzahler mit weiteren Finanzhilfen für die dadurch anfallenden EU-Hilfen in Spanien, Polen oder Holland neue Belastungen auferlegen, so kann man sich nur an den Kopf fassen.

    Bin ich zu skeptisch und zu einseitig? Bin ich der Einzige der das so sieht? Wo liegt mein Denkfehler?

    09:58 Uhr, 07.10. 2014
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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