Kommentar
14:30 Uhr, 07.10.2007

DAX - Eine verschleppte Grippe ?

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  • DAX
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    Aktueller Kursstand:   (XETRA)

Das dürften die meisten von uns doch schon einmal erlebt haben. Man fängt sich durch Unaufmerksamkeit eine Grippe ein. Doch anstatt diese auszukurieren, hält man es für nicht so schlimm und übergeht sie einfach. Was eine übergangene Grippe bedeutet, wissen wir auch. Es wird noch viel schlimmer, als es gewesen wäre, hätte man sich gleich für einige Tage ins Bett gelegt.

Die aktuelle Situation an den Märkten erinnert mich ein wenig an eine verschleppte Grippe. Marktteilnehmer, die sich über schlechte Konjunkturdaten oder schlimmer noch, über schlechte Unternehmensdaten freuen, weil dadurch die Zinsen gesenkt werden, verkennen offensichtlich die Gefahr einer Verschleppung des Problems. Natürlich schafft Liquidität, die durch Zinssenkungen in die Märkte gebracht wird, zunächst einmal Entspannung, aber was kommt dann?

Ich habe einmal irgendwo gelesen, dass wir alle ein Produkt unserer Erfahrungen sind. Das bedeutet natürlich auch, dass wir aus Erfahrungen lernen. Das kleine Kind, das sich an der Herdplatte verbrennt, die ersten missglückten Eroberungsversuche bei der Angebeteten, und selbst so banal erscheinende Erfahrungen wie die beim Essen. Aus all diesen Erfahrungen wird man in aller Regel klüger, lernt dazu und weiß sich am Ende besser zu verhalten oder wählt überlegter aus. Nur an der Börse scheint das anders zu sein. Trotz der Erfahrungen aus der über 100-jährigen Geschichte der Börsen, scheinen sich die Börsianer nur ungern an vergangene Erfahrungen, und sei es nur die Erfahrung ihrer Väter, erinnern zu wollen. Die meisten Situationen waren nämlich in der einen oder anderen Form schon einmal da gewesen. Doch irgendwie meint der Börsianer, dass dieses Mal alles anders sei.

Dabei sehen sich die Muster manchmal so ähnlich, dass es schon wieder fast zu einfach erscheint. Erinnern wir uns: Ende der Achtziger Jahre boomte die japanische Wirtschaft. Jeder konnte sich ein Haus leisten und was viel interessanter war, er benötigte kein Eigenkapital dafür. Die Banken gaben bereitwillig Kredite und damit man auch noch etwas zu konsumieren hatte, gab es auf den Hauskredit noch etwas obendrauf. Davon kaufte der Japaner nicht nur Einrichtung oder Unterhaltungselektronik, nein er investierte auch in Aktien. Da der Aktienmarkt unaufhörlich stieg, wurden die fälligen Zinsen aus den Aktienkursgewinnen beglichen. Kommt Ihnen dass irgendwie bekannt vor? Als die Immobilienpreise nicht mehr stiegen, sondern zu fallen begannen, fing das Problem an. Der Aktienmarkt konnte mangels Käufer nicht steigen und damit die Kredit-Zinsen nicht mehr bedient werden. Die Notenbank reagierte und senkte die Zinsen. Da war es aber schon zu spät. Die Spirale setzte sich nach unten fort. Häuser die verkauft werden müssen fanden keine Käufer und die Preise sanken weiter. Japan rutschte tief in eine Wirtschaftskrise.

Wenn Spekulationen kein Maß mehr finden, enden sie oft in einem Zusammenbruch. Der japanische Aktienmarkt brauchte viele Jahre, um sich davon zu erholen. Nach einer sehr langen Phase der 0-Zins Politik konnte man jetzt wieder erste Zinssteigerungen vornehmen. Die Notenbank hatte sich durch ihre Maßnahmen ihrer Kapitalmarktinstrumente selbst beraubt. Sie können nicht leugnen, dass gewisse Ähnlichkeiten, wenn auch nicht alles gleich ist, zur aktuellen Krise bei den Immobilien in den USA zu beobachten sind.

Die US-Krise bleibt ja nicht auf die USA begrenzt. Durch die globalen Vernetzungen und die damit verbundenen Investitionen, hängen europäische Firmen längst tief mit in der Krise. Die UBS meldete vergangene Woche einen Verlust zwischen 600 und 800 Millionen CHF und der Abschreibungsbetrag belaufe sich auf ca. 4 Milliarden CHF. Selbst für ein so großes Haus ist dies nicht mal eben aus der Portokasse zu zahlen. Woher kommt da noch der Optimismus für die Börsen? Die Deutsche Börse titelte letzte Woche den Kommentar zu ihrem Sentiment Indikator „hoher Optimismus muss nicht schädlich sein“. Jetzt ist ein hoher Optimismus also gut für die Börse. Aus hohem Pessimismus werden doch angeblich Haussen geboren. Irgendwie werden zur Zeit nur Argumente gesucht warum es nach oben gehen muss.

So kam am Freitag der Arbeitsmarkt Bericht für die neu geschaffenen Stellen in den USA. Das ist der Bericht, der vor einem Monat noch so große Turbulenzen auslöste, als statt der erwarteten 100.000 neuen Stellen, 4.000 abgebaut wurden. Dieses Mal wurde die Erwartung übertroffen. Was aber viel interessanter ist, das Minus von 4.000 Stellen vom letzten Mal wurde auf ein Plus von 89.000 nach oben revidiert. (wie kann man sich bei einer solch wichtigen Zahl nur so verschätzen?) Der Aktienmarkt zog darauf hin deutlich an. Der DAX konnte die Marke von 8.000 Punkten wieder überspringen. Also jetzt sieht ja alles doch nicht so schlimm aus. Wenn doch aber alles nicht so schlimm aussieht, dann müssen auch keine Zinsen mehr gesenkt werden. (Nach der Argumentation der letzten Wochen negativ). War der Schritt der Notenbank mit einem halben Prozentpunkt am Ende übertrieben? Kommen jetzt doch wieder Inflationsängste auf? Diese wurden bisher ja regelrecht wegdiskutiert. Stabilität der Märkte war viel wichtiger.

Ich glaube, was jetzt passiert ist viel schlimmer als es durch die Krise am Immobilien-Markt ohnehin schon war. Das Problem wurde durch die Zinssenkung nur verschleppt. Die verbesserte Stellensituation hatte nichts mit der Zinssenkung zu tun (die wirkt ohnehin erst in 4 – 6 Monaten). Wer garantiert uns, dass die 110.000 neuen Stellen in einem Monat nicht wieder nach unten revidiert werden? Die Börsen sind jedenfalls in Feierlaune. Zumindest besteht die Feierlaune bei denen, die dabei sind. Das sind, wenn man sich die Umsätze anschaut, derzeit nicht so sehr viele.

Jedenfalls ist der deutsche Aktienmarkt wieder in eine Range vorgedrungen, die auch durchaus noch einmal die alten Höchstkurse zulässt. Technisch hat sich die Lage damit weiter verbessert. Jedenfalls wenn man die Umsatztätigkeit außen vor lässt. Der deutsche Aktienmarkt hat in den letzten Wochen nur weiße Kerzen hinterlassen. Das bedeutet, dass die Eröffnungskurse unter den Schlusskursen lagen. Die Tagesstimmung war also gut und verbesserte sich im Tagesverlauf. So viele weiße Kerzen am Stück habe ich bisher nicht so häufig gesehen. Auch das deutet für mich auf eine baldige Korrekturbewegung hin. Ich halte die Lage weiter für hochexplosiv und darf mich gerne wiederholen: Bleiben sie am Ball und sichern Sie Ihr Vermögen.

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Bis zur nächsten Woche

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Ihr

Martin Marquardt

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Anmerkung der Redaktion: Bei dem Namen "Martin Marquardt" handelt es sich um ein Pseudonym. Unter diesem Pseudonym schreibt ein charttechnischer Analyst eines größeren Bankhauses, der anonym bleiben möchte.

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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