Kommentar
09:33 Uhr, 15.04.2011

Das Vergütungskarussel dreht sich langsamer

Die hohen gesetzlich garantierten Einspeisevergütungen und den darauf gründenden Boom der Solarstrom- Erzeugung beginnen die Stromkunden in vielen europäischen Staaten im Portmonee zu spüren. Derzeit werden Vergütungssätze deshalb drastisch gekürzt – dadurch geraten auch Fondsanbieter in eine schwierige Lage.

Italien hat bislang die Photovoltaik-Stromproduktion mit im europäischen Vergleich äußerst attraktiven Einspeisevergütungen gefördert. Auch dank der hohen Sonneneinstrahlung galt die Apenninenhalbinsel bis vor wenigen Wochen bei Anlegern als äußerst attraktiv. Auch viele deutsche Firmen beteiligten sich am Run auf den Markt, darunter Siemens, Phoenix Solar und Aleo Solar, die hier ausgedehnte Solarparks errichteten.

Doch jüngst hat diese Schönwetterperiode für Anleger eine deutliche Eintrübung erfahren: Die italienische Regierung verunsicherte die Solarbranche mit einer abrupten Änderung der Spielregeln. Nach Spanien, Frankreich, Tschechien und Deutschland werden auch hier die Einspeisevergütungen gekürzt. Projektierer und Finanzierer fühlen sich ausgetrickst: Aufgrund eines neuen Dekrets ist allen auf den Weg gebrachten bzw. projektierten Solarinvestitionen die Berechnungsgrundlage entzogen.

Vor wenigen Tagen haben sich die Regierung und Verbände an einen Tisch gesetzt. Der Kompromiss sieht vor, dass der Zubau zwischen Juni und Dezember 2011 auf zwei Gigawatt Photovoltaik-Leistung begrenzt wird. Auch für die nachfolgenden Jahre soll soll der Zubau jeweils bei 2000 Megawatt (MW) gedeckelt werden. Ab Juni sollen zudem die Photovoltaik-Einspeisetarife um einige Prozentpunkte abgesenkt werden. Die Einspeisetarife für Solarstrom sollen auf diese Weise innerhalb der zweiten Jahreshälfte 2011 von 0,32 Cent auf 0,25 Cent je Kilowattstunde sinken. Außerdem ist eine weitere Kürzung der Einspeisetarife um rund 15 Prozent für die Jahre 2012 und 2013 vorgesehen. Ab 2017 könnte die Solarförderung dann komplett entfallen.

Großbritannien kürzt Einspeisevergütungen für Großanlagen ab 50 kW

Auch Großbritannien will den Rotstift ansetzen, um den klammen Staatshaushalt mit Einspeisevergütungen nicht unangemessen hoch zu belasten. Hier sollen Einspeisetarife für Photovoltaik-Anlagen mit mehr als 50 Kilowatt (kW) drastisch gekürzt werden. Nach den Plänen der Regierung soll die Vergütung für Anlagen von 50 kW bis 50 Megawatt künftig zwischen 0,22 Eurocent und 0,97 Eurocent liegen.

Als „unverzeihlichen Fehler“ bezeichnet der britische Hauptverband der Erneuerbare-Energien-Branche, Renewable Energy Association, die vorgeschlagene Kürzung der Förderung für Anlagen mit einer Leistung von mehr als 50 Kilowatt. „Größere Photovoltaik-Kraftwerke sind billiger und spielen eine wichtige Rolle bei der Kostensenkung für Solarstrom“, argumentiert der Verbandspräsident Gaynor Hartnell und fügt hinzu: „Jenen den Boden unter den Füßen wegzuziehen, die hier investiert haben, war genau die falsche Antwort.“

Die Kürzungen seien notwendig, um die Förderung kleinerer Anlagen sicherzustellen, hält die Regierung dagegen. Die vorgeschlagenen Kürzungen sollen jedoch nicht rückwirkend erfolgen, und die Einspeisetarife für Anlagen bis 50 kW sollen unverändert gelten. Das Energieministerium betonte darüber hinaus, die Kürzungen entsprächen der Entwicklung in Deutschland, Frankreich und Spanien.

Frankreich bringt Großanlagen ab 100 kW in die Bredouille

Genau wie Großbritannien nimmt auch Frankreich Photovoltaik-Großanlagen ins Visier: Anfang März 2011 hat das französische Umweltministerium neue Sätze für die Einspeisevergütungen für Solarstrom festgelegt. Dabei schnurrt die Vergütung für Solaranlagen mit einer Leistung von mehr als 100 Kilowatt besonders stark zusammen: Diese sollen künftig nur noch mit 12 Cent pro Kilowattstunde gefördert werden; ein Schnitt von 70 Prozent. Aber auch kleine Photovoltaik-Anlagen bleiben von der Kürzungswelle nicht verschont: Ihnen werden etwa 20 Prozent der Vergütungssumme abgezogen. Darüber hinaus sollen zukünftig weitere Kürzungen greifen. Die neuen Einspeisetarife sind bereits ab dem 10. März 2011 in Kraft.

Schon im Dezember 2010 hatte die französische Regierung ein Moratorium erlassen, aufgrund dessen keine Genehmigungen für Solaranlagen mit einer Leistung von über 3 Kilowatt mehr erteilt werden sollen. Branchenexperten schätzen, dass damit mehr als die Hälfte aller geplanten Projekte nicht realisiert worden ist. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden diese Projekte auch in Zukunft nicht verwirklicht werden.

Deutschland kürzt über alle Größen erneut zum 1. Juli

Auch der Solarpionier Deutschland kürzt wegen der massiven Zuwächse von Solaranlagen rigoros: Ab dem 1. Juli 2011 sollen Betreiber neuer Solaranlagen niedrigere staatliche Fördersätze bekommen – die Kosten für die Verbraucher, welche die Förderung über den Strompreis (EEG-Umlage) mitbezahlen, sollen gedeckelt werden.

Der Bundesrat hat Ende März dem Gesetz zur Kürzung der Solarsubventionen zugestimmt. In Abhängigkeit davon, wie stark die Solarenergie in den Monaten März, April und Mai ausgebaut wird, sollen die Gelder für Solarstrom im Juli um bis zu 15 Prozent und im kommenden Jahr auf insgesamt 24 Prozent des aktuellen Wertes gekürzt werden. Die Einspeisevergütung liegt dann bei rund 22 Cent. Die derzeitige Vergütung beläuft sich auf knapp 30 Cent pro kWh.

Sollte die Summe der zugebauten Anlagen auf mehr als 3.500 Megawatt Leistung kommen, wird ab dem 1. Juli die Förderung um 3 Prozent pro Kilowattstunde reduziert. Die maximale Kürzung um 15 Prozent würde erst bei einer Leistung von mehr als 7.500 MW umgesetzt werden.

Schon 2010 – noch vor Frankreich, Großbritannien und Italien – war die Solar-Förderung deutlich abgesenkt worden – dennoch setzte sich der Solar-Boom ungebrochen fort. Hausbesitzer ließen schnell noch eine Solaranlage auf dem Dach installieren, bevor die immer noch lukrativen Fördersätze weiter gekürzt wurden. So sind die Belastungen der Stromverbraucher durch das Erneuerbare Energien Gesetz immer weiter gestiegen – obwohl der Beitrag der Photovoltaik zur Brutto-Stromproduktion mit 1,9 Prozent relativ gering ausfällt.

Fondsanbieter warten ab

Obwohl sich die Zeit hoher Einspeisevergütungen europaweit zum Ende neigt, geben sich die Anbieter von Solarfonds gelassen. „Für die Initiatoren ist das italienische Gesetz weit weniger dramatisch als für die Solarindustrie“, meint etwa der Düsseldorfer Solarfondsanbieter Voigt & Collegen. Es sei niemandem geholfen, wenn die positive Stimmung bei den europäischen Verbrauchern gegenüber den Erneuerbaren Energien ins Gegenteil umschlägt, weil Strom aufgrund der Solarförderung immer teurer wird.

Vor allem auch weil in Italien keine rückwirkende Änderung der Vergütungssätze wie in Spanien oder Tschechien anstehen, seien die Folgen für Fondsanbieter überschaubar. Allerdings werden Emissionen bereits verschoben, wie die "FTD" schreibt: Chorus stellt seinen Italienfonds Clean Tech Solar 5 zunächst hinten an, um die künftigen Tarife abzuwarten, die die italienische Regierung im April bekannt geben will. Vorher seien Wirtschaftlichkeitsberechnungen nicht möglich. Auch Initiator Leonidas Associates hat seinen Fonds Nummer sechs mit geplanten Investitionen in Italien vorerst verschoben.

Diesen Artikel und weitere lesen Sie in der jüngsten Ausgabe unserer Online-Publikation "Nachhaltigkeit & Investment", die am 14. April 2011 erschienen ist. Sie können die Publikation hier kostenlos abonnieren.

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