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15:44 Uhr, 16.03.2018

Das Jahr des Hundes: China zwischen Reform- und Wachstumsdruck

Trotz einiger Herausforderungen verfügt China Jupiter-Fondsmanager Charles Sunnucks zufolge über einige der attraktivsten Investmentopportunitäten der Welt.

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London (GodmodeTrader.de) - Das Jahr des Hundes dürfte eine Zeit der Veränderungen in China einleiten. Politische Entscheidungsträger sind gezwungen, zwischen wichtigen Wirtschaftsreformen auf der einen und dem Erhalt des Wachstums auf der anderen Seite abzuwägen. Mit den einhergehenden Veränderungen entsteht auch Volatilität, wodurch es noch wichtiger als sonst sein wird, diejenigen Firmen, die eine grundlegend positive Veränderung erfahren, von denjenigen zu unterscheiden, die einfach nur einen zyklischen Rückenwind erleben, der vielleicht bald wieder abebbt, wie Charles Sunnucks, Assistant-Fondsmanager Emerging Markets bei Jupiter Asset Management, in einem aktuellen Marktkommentars schreibt.

Nehme man 2006 als das letzte Jahr des Hundes zum Maßstab und vergleiche, was sich seitdem in Europa und China wirtschaftlich und politisch getan habe, so steche Europa zunächst deutlicher hervor. Hier seien grundlegende Einschnitte zu verzeichnen wie die Finanzkrise 2007/08 oder der Brexit, um nur zwei zu nennen. Bei genauerer Betrachtung werde jedoch deutlich, dass sich die chinesische Wirtschaft in einem massiven Wandlungsprozess befinde, der verglichen mit anderen globalen Märkten zu grundlegenden Änderungen geführt habe. Und das sei nur der Anfang, heißt es weiter.

„Beginnen wir mit dem heiklen Thema des Überangebots. Viele Jahre lang litten bestimmte Branchen in China darunter, dass mehr produziert als nachgefragt wurde. Das höhlte die Effizienz der Binnenwirtschaft aus und sorgte für internationale Spannungen, da die chinesischen Hersteller mit ihrer Überproduktion die globalen Märkte überschwemmten und die Preise nach unten trieben. Reformen auf nationaler Ebene erreichten nur geringe Verbesserungen, weil die lokale politische Führung das Wachstum nicht aufgeben oder für eine steigende Arbeitslosigkeit verantwortlich gemacht werden wollte“, so Sunnucks.

Dennoch komme langsam Bewegung in die Sache. Einige Provinzen profitierten von einem makroökonomischen Umfeld, das Kapazitätsverringerungen oder M&As fördere. Wenn man beispielsweise den Stahlsektor betrachte, so habe China das Ziel ausgegeben, die Kapazitäten bis 2020 um 150 Millionen Tonnen zu verringern. Damit seien sie bislang erfolgreich, sodass das Ziel bereits bis Ende diesen Jahres erreicht sein sollte. Schlussendlich gehe es darum, die Branche zu konsolidieren, indem die zehn größten Produzenten ihren Marktanteil von 40 auf 60 Prozent verkleinerten und weniger effiziente Kapazitäten verringert würden. Das wäre eine erhebliche Veränderung der Branche. Für jene chinesische Unternehmen, die ineffizient arbeiteten, bestehe also ein hohes Risiko. Dafür verbessere sich der Ausblick für die Unternehmen, die die Konsolidierung überlebten, heißt es weiter.

„Auch den chinesischen Banken eilte in der Vergangenheit der Ruf voraus, ineffizient zu sein und sich nur langsam zu modernisieren. Viele von ihnen haben sich jedoch als höchst innovativ erwiesen. Doch Innovation birgt auch Risiken. Ein hohes Niveau an staatlicher Kontrolle hat auf dem chinesischen Finanzmarkt Anreize geschaffen, die Regulierung dadurch zu umgehen, indem die Kreditvergabe von traditionellen Darlehen hin zu ‚Anlageprodukten‘ verlagert wurde. Dabei handelt es sich um einen unübersichtlichen Bereich, mit geringeren Kapitalanforderungen. Bei vielen Banken sind infolgedessen die Anlagen höher als der Kreditbestand“, so Sunnucks.

Dieser Effekt habe zwar das Vermögenswachstum begünstigt, aber gleichzeitig ein bedeutendes Systemrisiko geschaffen. Im vergangenen Jahr sei zu beobachten gewesen, dass die chinesische Finanzaufsicht damit begonnen habe, schärfere Maßnahmen zu ergreifen, um das Wachstum der sogenannten „Schattenbanken" zu begrenzen. Das habee bereits einen spürbar positiven Einfluss auf die Kreditvergabepraxis. Trotz der jüngsten Verlangsamung des Vermögenswachstums der Banken sei das Niveau der Systemschulden noch immer hoch und erfordere auch mittelfristig weitere Reformen, heißt es weiter.

„Nirgends ist die Geschwindigkeit des Wandels deutlicher spürbar als im chinesischen Einzelhandel. Die Zunahme von Onlinetransaktionen hatte Auswirkungen für Unternehmen weltweit, aber nur wenige Länder wurden durch diese Disruption so geprägt wie China. Etwa 15 Prozent aller Einzelhandelsumsätze werden hier online getätigt, sodass in China der Anteil des Onlinehandels fast doppelt so hoch ist wie in den USA. Der Marktführer Alibaba ist bereits in Begriff, über ein neues Einzelhandelsmodell das Einkaufserlebnis der verbleibenden 85 Prozent des Offlinehandels neu zu definieren“, so Sunnucks.

Darüber hinaus hätten sich chinesische Internetfirmen sehr viel weiter in die Finanzdienstleistungen hinein ausgeweitet als ihre westlichen Pendants. Dadurch sei China der größte E-Finance-Markt der Welt geworden, mit etwa 500 Millionen E-Payment-Nutzern, 400 Millionen Anlegern, die Finanzprodukte online erwerben und etwa 160 Millionen Onlinekreditnehmern. Der Verlagerung der wirtschaftlichen Aktivitäten ins Internet seien viele konventionelle Unternehmen, die sich als zu langsam oder nicht anpassungsfähig erwiesen hätten, zum Opfer gefallen. Gleichzeitig stehe zu befürchten, dass die Aktienkurse einiger chinesischer Internetfirmen anfällig für eine übertriebene Begeisterung sein könnten, heißt es weiter.

Auch in Zukunft werde die Disruption durch Online-Innovationen tiefgreifend sein und die Folgen würden weit über die Internetbranche hinaus spürbar werden. „Für uns ist es aber entscheidend, über die kurzfristigen Gewinnprognosen hinaus zu schauen und unsere Internetpositionen auf Anzeichen zu prüfen, ob sie im Laufe der weiteren Branchenentwicklung vom Räuber zur Beute werden“, so Sunnucks.

Nicht nur Mutter Teresa, sondern auch Donald Trump sei in einem Jahr des Hundes geboren. Ähnlich unterschiedlich fielen die Marktrenditen für Unternehmen in China aus. Die erheblichen Veränderungen hätten große Chancen aber auch erhebliche Risiken geschaffen. Bis heute habe ein positives makroökonomisches Klima die chinesischen Unternehmen gestützt, die sich sonst möglicherweise in Schwierigkeiten befänden, heißt es weiter.

„Durch eine sich verändernde operative Umgebung könnte sich diese Unterstützung 2018 abschwächen und zu einer Situation führen, die der Selbstzufriedenheit der Anleger angesichts der auf sie zukommenden Herausforderungen einen schweren Schlag versetzen könnte. Um Probleme im Jahr 2018 zu vermeiden, heißt es, weitaus wählerischer zu sein. China verfügt trotz all der genannten Herausforderungen aus Bottom-Up-Sicht über einige der attraktivsten Investmentopportunitäten der Welt“, so Sunnucks.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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