Kommentar
14:44 Uhr, 21.05.2008

Das Inflationsgespenst meldet sich zurück

Die letzten zehn Jahre waren von niedrigen Inflationsraten geprägt. Damit hat es jetzt ein Ende. Die Inflationsrate steigt nicht nur in der Eurozone, sondern in der ganzen Welt.

Mittlerweile hat die Inflation in der Eurozone ihren höchsten Stand seit 1992 erreicht. In den USA liegt die jährliche Teuerungsrate inzwischen bei 4 Prozent. In China stieg die Inflationsrate im März sogar auf 8,3 Prozent. Damit geht erstmals seit 20, 30 Jahren wieder das Inflationsgespenst um.

Inflationsbekämpfung hat Vorrang

Die Kontrolle der Inflationsentwicklung ist seit den 1980er Jahren eines der vorrangigsten Ziele der Notenbanken. Durch eine straffe Geldpolitik (relativ hohe offizielle Diskontsätze) gelang es den Zentralbanken, die eskalierende Lohn-Preis-Spirale auszuhebeln. Die hohen Preissteigerungen von jährlich mindestens 10 Prozent konnten so zurückgedrängt werden. Dadurch fielen wiederum die Langfristzinsen, was mit positiven Folgen für die Entwicklung der Unternehmenserträge verbunden war. Investitionstätigkeit und Beschäftigungssituation erholten sich sukzessive. Das ist der Hintergrund einer der bisher längsten Phasen anhaltender wirtschaftlicher Prosperität – weltweit. Seit den 1990er Jahren spielen die Schwellenländer eine zunehmend wichtige Rolle in diesem Prozess. Billige Importe aus China und anderen aufstrebenden Industrieländern haben dazu beigetragen, die Inflation im Westen zu bremsen. Nur so konnte die US-Zentralbank Federal Reserve ihren offiziellen Diskontsatz niedrig halten.

Die niedrigen Leitzinsen hatten allerdings auch unerwünschte Nebenwirkungen. Einerseits führten sie in den USA zu strukturellem Überkonsum, wie sich am überhitzten Wohnimmobilienmarkt zeigte. Dort findet inzwischen eine schmerzhafte Korrektur statt und die Häuserpreise fallen. Andererseits konnten China und andere Schwellenländer aufgrund des amerikanischen Überkonsums ihr massives Exportvolumen aufrechterhalten. Hohes Wirtschaftswachstum in Ländern wie China führte dann zu einer explosionsartig gestiegenen Nachfrage nach Rohstoffen, Mineralien und landwirtschaftlichen Produkten. Zusammen mit Knappheit auf der Angebotsseite drückte dieser Faktor die Preise für solche Güter steil nach oben. Und plötzlich ist die Inflation wieder da!

Inflation schwieriger zu kontrollieren

Auch wenn der starke Euro den Aufwärtsdruck auf die Preise zum Teil ausgleicht, ist Inflation dennoch ein allgegenwärtiges Risiko in der Eurozone. Der enge Arbeitsmarkt treibt die Löhne und Gehälter nach oben. Gleichzeitig setzt der industrielle Sektor seine positive Entwicklung fort. Einer der entscheidenden Faktoren ist hier die kräftige Nachfrage aus den Schwellenländern. So lange die rückläufige Konjunktur in den USA die Eurozone nicht stärker in Mitleidenschaft zieht, ist eine Senkung der Leitzinsen von derzeit 4 Prozent wohl auszuschließen, da die EZB sich konsequente Inflationsbekämpfung zum Ziel gesetzt hat.

Das kräftige Wachstum der aufstrebenden Volkswirtschaften wird sicherlich zu einer strukturellen Aufwertung ihrer Währungen gegenüber US-Dollar und Euro führen. Die westlichen Notenbanken müssten dann auf den stützenden Effekt niedriger Importpreise verzichten. Eines ist jedenfalls sicher: Die Bekämpfung der Inflation in Europa (und in den USA) wird in den nächsten Jahren immer komplexer werden.

Quelle: ING Investment Management

ING Investment Management ist der globale Asset Manager der ING Gruppe. Mit Euro annähernd 400 Milliarden Assets under Management (Q2 2007), vertreten in 30 Ländern mit 2.500 Experten (Europa: 713, Americas: 866, APAC: 921), ist ING Investment Management (ING IM) weltweit unter den Top 25 im Asset Management. ING IM Europe hat Niederlassungen in 14 europäischen Ländern mit annähernd Euro 160 Milliarden Assets (Q2 2007) under Management.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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