Kommentar
15:10 Uhr, 04.09.2024

Das Ende der Zinspolitik

Notenbanken waren selten so involviert wie in den vergangenen 15 Jahren. Trotzdem hat die traditionelle Geldpolitik immer weniger Bedeutung. Neue Instrumente müssen her.

Es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass Notenbanken seit der Finanzkrise zu mehr als nur der Zinspolitik greifen, um die Wirtschaft zu beeinflussen. Zinspolitik wirkt immer weniger. Erste Marktteilnehmer rufen das Ende des normalen Zyklus von Auf- und Abschwung aus. Verübeln kann man es ihnen nicht.

Die Eurozone ist das beste Beispiel. Mitten in eine aufkommende Rezession hinein wurden die Zinsen erhöht. Jetzt, da sich die Konjunktur stabilisiert, werden die Zinsen gesenkt. Ebenso begann die EZB erst mit großangelegten Anleihekäufen im Jahr 2015, lange nach der Finanzkrise und lange nach Ausbruch der Eurokrise. Genutzt hat es wenig.


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Notenbanker klopfen sich derzeit selbst auf die Schultern. Sie schreiben sich den Sieg über die Inflation zu. Mit der Geldpolitik hat es wohl aber wenig zu tun. Mehrere Kräfte wirken der Geldpolitik entgegen. Einige davon haben Notenbanken selbst zu verantworten. Die US-Subprime-Krise wurde losgetreten, als die Zinsen stiegen und viele Hypotheken einen variablen Zinssatz hatten. Den raschen Zinsanstieg konnten Haushalte nicht verkraften.

Es wurde vorgeschlagen, Hypotheken fast ausschließlich mit festem Zins zu vergeben. Jetzt liegt die Laufzeit im Bereich von 15 bis 30 Jahren. Bis Zinsanhebungen dort wirken, dauert es. Mehr dazu an anderer Stelle. Marktteilnehmer, die vom Zinsanstieg besonders stark betroffen sind, kümmert es nicht. Das sind vor allem Regierungen. In den USA werden inzwischen jedes Jahr 30 Billionen USD an Anleihen ausgegeben (Grafik 1).

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Durch die gestiegene Verschuldung müssen so Schulden in der Höhe von 100 % der Wirtschaftsleistung jedes Jahr refinanziert werden (Grafik 2). Einer der Gründe für die hohe Refinanzierung ist der hohe Anteil an T-Bills an der Schuldenausgabe. Der Anteil liegt bei 85 % (Grafik 3). Da Bills nur Laufzeiten bis zu einem Jahr haben, muss sehr viel refinanziert werden.

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Der hohe Anteil an Bills ist in Zinserhöhungszyklen nicht ungewöhnlich (Grafik 4). Steigen die Zinsen, wird kurzfristig refinanziert, da man mittelfristig wieder tiefere Zinsen erwartet. Derzeit gibt die Regierung aber tatsächlich einen ungewöhnlich niedrigen Anteil an Notes (bis zehn Jahre) aus (Grafik 5). Bonds (bis 30 Jahre) werden kaum ausgegeben.

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Einige werfen Finanzministerin Yellen daher eine Art Manipulation vor. Würden mehr Notes und Bonds ausgegeben, läge die Rendite 10-jähriger Anleihen höher als sie es derzeit ist. Einige schreiben diesem Faktor zu, dass es wie eine Zinssenkung von einem Prozent wirkt. Ob das stimmt, sei dahingestellt. Es würde jedoch erklären, weshalb die Renditen im Vergleich zum Leitzins sehr niedrig sind.

Großunternehmen kümmern die hohen Zinsen ohnehin nicht. Sie haben an der Zinswende mehr verdient als sie an höheren Zinsen zahlen mussten. Für Haushalte hatten Zinserhöhungen über 4 % hinaus praktisch keine Auswirkungen mehr und der Staat hält Langfristrenditen künstlich tief. Es ist fast so, als ob der US-Leitzins nie über 3,5 bis 4 % gestiegen wäre. Ebenso haben Zinssenkungen zwischen dem aktuellen Niveau und den 3,5 und 4 % nur einen geringen Lockerungseffekt, ebenso wie es zuvor darüber nur eine geringe Straffung gab. Kein Wunder also, dass man die typischen Folgen hoher Zinsen kaum beobachten konnte. Es ist fast so, als wäre das Ende der Zinspolitik eingeläutet. Die Geldpolitik braucht neue Instrumente, wenn sie nicht vollkommen irrelevant in Aufschwungzeiten sein will.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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