Kommentar
09:44 Uhr, 10.11.2016

Das Ende der EU hat ein Datum: 4.12.2016

Die US-Wahl wurde vom Markt überraschend schnell abgehakt. Der Schock verflog noch schneller als der Brexit. Die nächste Überraschung wartet jedoch schon Anfang Dezember.

Am 4. Dezember wird in Italien abgestimmt. Es gibt ein Referendum über eine Verfassungsreform, deren Idee eigentlich so gut ist, dass man nur zustimmen kann. Oftmals kommt es jedoch nicht auf den Inhalt an, sondern darauf, wie beliebt die Regierung ist. Ob bei Parlaments- oder Präsidentenwahlen sowie Volksabstimmungen kommen Inhalt und Wahlprogramme für gewöhnlich zu kurz. Es wird am Ende immer eine Abstimmung über die aktuelle Lage des Landes und die Zufriedenheit mit der Regierung.

Die Verfassungsreform ist in Italien längst überfällig. Der aktuelle Rahmen, unter dem regiert wird, ist so schwerfällig, dass Reformen praktisch unmöglich sind. Die Regierung und ganz allgemein die Politik sind gelähmt. Es geht absolut nichts weiter, obwohl das Land dringend tiefgreifende Reformen braucht, um endlich aus dem Wachstums- und Schuldenloch herauszukommen.

Italien hat ein Zweikammernsystem, welches aus einem Abgeordnetenhaus und dem Senat besteht. Beiden Kammern kommen in wichtigen Fragen genau die gleichen Funktionen und Rechte zu. So müssen Gesetze von beiden Kammern gebilligt werden. Das führt im Normalfall dazu, dass ein Gesetzentwurf erst in der einen Kammer diskutiert und möglicherweise angepasst wird und dann zur nächsten Kammer wandert, die ihre Zustimmung zu den Änderungen geben muss. Oftmals führt die zweite Kammer dann auch wieder Änderungen durch, die durch die erste Kammer wiederum diskutiert und gebilligt werden müssen.

Wird der Verfassungsreform zugestimmt, ist der Senat größtenteils entmachtet. Die Anzahl der Senatoren soll von 315 auf 100 sinken und die Senatoren sollen nicht mehr direkt gewählt, sondern von den Regionalräten und Bürgermeistern entsandt werden.

Wer die Lähmung des Landes beenden will, muss der Verfassungsreform zustimmen. Aus rein rationalen Gesichtspunkten kann man wenig dagegen haben. Das Problem mit der Abstimmung ist nun aber zweierlei. Einerseits verpackt die Regierung noch viele andere Themen in den Abstimmungsentwurf. Andererseits dürfte das Referendum eine Abstimmung über die Beliebtheit von Matteo Renzi werden.

Inhaltlich gibt es einige berechtigte Einwände. Die Regierung will nicht nur den Senat entmachten, sondern auch im föderalen System mehr zentralisieren. Das hat gewisse Vorteile, weil die Regierung dann ihr Programm schneller durchsetzen kann, doch zu viel Zentralisierung hat auch viele Nachteile und vergrößert den Abstand der Politik zum Volk.

Renzi setzt bei dem Referendum alles auf eine Karte. Das schien anfänglich opportun, denn seine Beliebtheit war groß. Inzwischen hat sich das relativiert. Da er von Anfang an sein persönliches Schicksal mit dem Referendum verknüpft hat, kommt es bei einer Niederlage zu seinem Rücktritt.

Für Italien kann der Rücktritt Neuwahlen bedeuten, die entweder das Land für weitere Jahre lahmlegen und Reformen verschleppen oder zur Wahl von populistischen Parteien führen, die Italien mit der Brechstange aus dem Euro lösen wollen. Käme es im schlimmsten Fall genau dazu, dann wird es kein so geordneter Prozess wie im Falle Großbritanniens, sondern zu einer unübersichtlichen Lage, die die Eurozone und letztlich auch die EU zu sprengen droht.

Der Markt beginnt sich mit dieser Sachlage erst seit kurzem auseinanderzusetzen. Grafik 1 zeigt die Renditen 10-jähriger Anleihen. Die Renditen – wenn auch auf unterschiedlichem Niveau – verlaufen parallel. Seit zwei Monaten zeigen die Renditen einen generellen Aufwärtstrend. Bezeichnend dabei ist jedoch, dass Italiens Renditen besonders deutlich anziehen.

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Besonders gut wird dies deutlich, wenn man die relative Entwicklung betrachtet. Grafik 2 zeigt die relative Entwicklung italienischer Renditen zu spanischen und portugiesischen. Italiens Renditen steigen überproportional an. Anleger sehen also ein erhöhtes Risiko. Gemessen daran, was am 4. Dezember geschehen kann, ist der Renditeanstieg nahezu lächerlich. Das gilt nicht nur für Italien, sondern auch für den Rest der EU.

Das-Ende-der-EU-hat-ein-Datum-4-12-2016-Kommentar-Clemens-Schmale-GodmodeTrader.de-2

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17 Kommentare

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  • Fredo Escalade
    Fredo Escalade

    D`accord...

    Meinte das mit den Referenden auch etwas spöttisch.

    Zu Punkt c) hätte ich gerne mehr gewusst!
    Habe ich also keinen Wohnsitz in D?
    Und wie kann ich den bekommen? ;-)

    GRÜßE

    12:37 Uhr, 11.11. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Der Zug ist laengst durch . Die undenkbar reichen und maechtigen Industriekonglomerate haben Politik laengst zur Nebensache werden lassen. Das haben sie uns gestern mal deutlich gezeigt am "Markt". Wir Menschen glauben ratsaechlich immer noch, wir haetten Enfluss durch Wahlen. Das ist laengst vorbei. GOOGLE und Co.bestimmen wo es lang geht. Die Murdochs was Realitaet ist. Wir sind nur noch wie Kuehe auf der Weide. Bald kommt die Stallpflicht. Da wett ich.

    13:33 Uhr, 10.11. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • Fredo Escalade
    Fredo Escalade

    Herr Schmale schrieb:

    "Die Verfassungsreform ist in Italien längst überfällig. Der aktuelle Rahmen, unter dem regiert wird, ist so schwerfällig, dass Reformen praktisch unmöglich sind. Die Regierung und ganz allgemein die Politik sind gelähmt. Es geht absolut nichts weiter, obwohl das Land dringend tiefgreifende Reformen braucht, um endlich aus dem Wachstums- und Schuldenloch herauszukommen."

    und weiter:

    "Wird der Verfassungsreform zugestimmt, ist der Senat größtenteils entmachtet. Die Anzahl der Senatoren soll von 315 auf 100 sinken und die Senatoren sollen nicht mehr direkt gewählt, sondern von den Regionalräten und Bürgermeistern entsandt werden. Wer die Lähmung des Landes beenden will, muss der Verfassungsreform zustimmen. Aus rein rationalen Gesichtspunkten kann man wenig dagegen haben."

    Herr Schmale, was geben Sie hier von sich?

    Werden Sie neuerdings von der INSM oder den neoliberalsten Wirtschaftsverbänden der EU bezahlt? Flüstern Ihnen IWF, Troika und US-Banken Ihre Zeilen ins Ohr...?

    Ich findes es unfassbar.

    Genauso hat man damals Deutschland sturmreif geschossen, in dem man von der "gelähmten Republik" sprach, die "Notwendigkeit von Reformen" propagandistisch in jedem Artikel unterbrachte und Deutschland als "kranken Mann Europas" diffamierte...

    Was dann folgte kennen wir alle:
    "Was ist die Agenda 20/10? Wenn immer mehr zur Tafel gehen..."

    Nichts anderes wird derzeit in Frankreich versucht, und in Italien laufen mit dieser "Reform" ebenfalls die Vorbereitungen dazu...

    HERR SCHMALE, Sie fordern für Italien nichts anderes als die Entmachtung des Parlaments und damit die Entmachtung des Volkes, damit endlich für das unverzichtbare "Wachstum" gegen das eigene Volk durchregiert werden kann.

    Genauso wie unsere "Qualitätsmedien" und "Qualitätspolitiker" haben Sie scheinbar den Schuss noch nicht gehört??
    Demokratie-Abbau und "Wirtschaftspolitik" als Selbstzweck wird zu enormen Gewinnen von AfD, Front National, 5-Sterne-Bewegung und Co führen... Aber daran ist ja stets der "dumme Wähler" schuld, nicht die demokratie- und menschenfernen Regierungen.

    Herr Schmale, Sie bereiten mit Ihren Forderungen den vorgenannten Bewegungen das Feld. Es ist ganz im Gegenteil die Zeit für mehr Demokratie. Aber ich denke die Italiener werden sich nicht selbst zur Schlachtbank führen und gegen den - in dieser Form - untragbaren "Reformvorschlag" stimmen.

    SZum Ende: Schämen Sie sich für diese Propaganda der schlimmsten neoliberalen Art!

    GRÜße

    12:03 Uhr, 10.11. 2016
    2 Antworten anzeigen
  • Husky
    Husky

    diese neue Verfassung wurde entworfen von den Juristen von J.P.Morgan - was da wohl so alles im Detail drinsteht?

    11:11 Uhr, 10.11. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • LAMBO_BABY
    LAMBO_BABY

    Alles nur Medien TamTam.. diese Volksabstimmung hat keine Hand und Fuß.

    Es wird wie beim Brexit komment -> das Volk stimmt dafür dann *WunderWunder* schiebt sich wieder die Politik dazwischen und fechtet die rechtliche Verbindlichkeit dieser Abstimmung an, falls diese gegen die EU ausfällt.

    Machen Sie mal eine Abstimmung in Deutschland, 65% würden für einen Euro und EU Austritt stimmen.

    10:21 Uhr, 10.11. 2016
  • Wollmilchsau
    Wollmilchsau

    lol - lough out loude!

    klar rudern jetzt nach brexit und trump die verlogenen usa-untergebenen eu-bonzen juncker, merkel, hollande, mitterlehner, kern & co. zurück....plötzlich ist ttip nicht mehr oberste agenda und die vereinigten staaten von europa - was der ganz langfristige plan dieses falschen polit establishment ist und war - plötzlich auch nicht mehr wie juncker gestern erzählte.

    trotzdem wird der scheiss kommen, genauso wie die eu-bonds, ausgleichszahlungen von detschland, österreich, etc. zu den südländern und alles sonst noch.

    nur ist jetzt mit dem brexit und trump das ganze etwas aufgeschoben, nicht aufgehoben.

    und auch für die italianos wird sich eine lösung finden lassen - da werden die schon kreativ werden , da mach ich mir keine sorgen.

    die eu zerfällt nicht, auch nicht der euro.

    die werden alles in ihrer macht stehende tun um das wacklige gebude zusammenzuhalten.

    nur ein weltweites erdbeben wird die eu zerschlagen.

    10:17 Uhr, 10.11. 2016
  • P_44
    P_44

    Themaverfehlung. Der Artikel passt nicht zur Überschrift.

    10:15 Uhr, 10.11. 2016
  • kingkong007
    kingkong007

    Schön wärs !

    10:08 Uhr, 10.11. 2016
  • jh2015
    jh2015

    Es ist schade, dass Sie in jüngster Zeit häufiger derart reißerische Überschriften verwenden. Das passt nicht wirklich zu Ihren sonstigen Ausführungen.

    10:04 Uhr, 10.11. 2016
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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