Analyse
16:00 Uhr, 01.09.2017

CRISPR/Cas9: Revolutionäre Entwicklung verändert unsere Zukunft!

Eine junge Technologie revolutioniert die Gentechnik. Biotechnologen auf der ganzen Welt schmeißen konventionelle Methoden über Bord und widmen sich fortan der neuen Gen-Schere.

Erwähnte Instrumente

Wie wäre es, wenn Krankheiten wie Krebs, HIV, Diabetes oder auch Malaria bald heilbar wären? Möglicherweise stellt Alzheimer demnächst auch kein Problem mehr für die Menschheit dar. Vielleicht gelingt es uns künftig sogar, den Zellabbau und damit den Alterungsprozess zu stoppen - der Mensch träumt schon lange vom ewigen Leben. Durch CRISPR ist vieles denkbar geworden.

Zum Beispiel könnten die immer länger werdenden Wartelisten für Organtransplantationen und der Mangel an Spenderorganen schon bald der Vergangenheit angehören. Zahlreiche Wissenschaftler arbeiten akribisch an Lösungen, die tierische Organe für den menschlichen Körper verträglicher machen sollen. Durch die Zucht ertragreicherer Pflanzen und Tiere könnte die Nahrungsmittelproduktion dem starken Bevölkerungswachstum besser gerecht werden. Welcher Intellekt, welche Augenfarbe, welche Körpergröße darf es denn sein? Das perfekte Wunschkind - ohne jeglichen Makel - könnte wohl bald Realität werden. Längst ausgestorbene Tiere könnten wieder zum Leben erweckt werden.

Unsere Welt steht Kopf! Das neue Gen-Editing-Verfahren eröffnet uns ganz neue Möglichkeiten. Ab jetzt „übernimmt“ der Mensch die Evolution endgültig. Solche Gedankenspiele sind sowohl faszinierend als auch beängstigend.


Wie funktioniert die neue Gen-Schere?

Der Ausdruck CRISPR ist ein Akronym für „Clustered Regularly Interspaced Short Palindroic Repeats“, es handelt sich um kurze DNA-Sequenzen, die im Erbgut von Bakterien und Archeen auftreten. Lange Zeit war völlig unbekannt, dass Bakterien über ein adaptives und vererbbares Immunsystem verfügen. Mikrobiologen stellten fest, dass CRISPR eine Art Abwehrsystem von Bakterien gegenüber Viren ist und fanden heraus, dass diese auffälligen DNA-Wiederholungen eine Art immunologisches Gedächtnis darstellen.

Doch zur eigentlichen Wunderwaffe wurde CRISPR erst durch die Entdeckung des Cas9-Proteins, denn dieses Protein wird mit Hilfe eines kurzen RNA-Moleküls im Labor so „programmiert“, dass es die gewünschte DNA-Sequenz punktgenau erkennt und exakt an der vordefinierten Position schneidet. Dabei ist es völlig unerheblich, ob es sich um tierische, pflanzliche oder menschliche Zellen handelt – mit CRISPR/Cas9 kann theoretisch jedes Lebewesen genetisch verändert werden. Sobald CRISPR/Cas9 injiziert wurde, führt die RNA (ähnlich wie ein Navigationssystem) den Komplex an das zu verändernde Genom heran und schneidet dieses.

An dieser Stelle sei zu erwähnen, dass Zellen beim Genome-Editing auf ihre natürlichen Fähigkeiten zurückgreifen; deshalb lassen sich die Mutationen im Nachhinein kaum von natürlichen unterscheiden. Die Verwendung von CRISPR/Cas9 ist demnach nahezu nicht nachweisbar.

Das alles hört sich ziemlich surreal an, aber ich versuche es nochmal in anderen Worten auszudrücken:

Mit Hilfe von CRISPR/Cas9 können Gene zielgenau ausgeschaltet (knock-out), eingefügt (knock-in) oder mutierte Gene „korrigiert“ werden. Mit CRISPR/Cas9 lässt sich das Erbgut/DNA so einfach verändern, wie mit keiner anderen Technik zuvor.

Als die Wissenschaftler Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna im Jahr 2012 ihre bahnbrechenden Entdeckungen veröffentlichten, löste dies unter Mikrobiologen einen regelrechten Hype aus. Innerhalb kürzester Zeit legten Biologen ihre bisherigen Forschungsansätze ad acta und widmeten sich fast ausschließlich der deutlich innovativeren CRISPR-Methode. Im Gegensatz zu anderen Genome-Editing-Verfahren ist CRISPR viel schneller, einfacher und vor allem kostengünstiger – inzwischen greift fast jedes Gen-Labor der Welt auf diese Methode zurück, denn nahezu alle Wissenschaftler sind von der Präzision der „Gen-Schere“ (Cas9) begeistert.


Verwendungsmöglichkeiten

Wie eingangs erwähnt, ist die Einsatzmöglichkeit von CRISPR nahezu unbegrenzt. Sowohl in der weißen, der roten als auch in der grünen Biotechnologie findet diese Gen-Technik Anwendung:

  • In Zukunft könnten mit Hilfe von CRISPR in der weißen Biotechnologie (industrielle Biotechnologie) die Produktionsmengen wichtiger Industriestoffe gesteigert oder sogar gänzlich neue biologische Fertigungsprozesse generiert werden.
  • In der grünen Biotechnologie könnten die Eigenschaften von Pflanzen ertragreicher und vor allem schädlingsresistenter modifiziert werden.
  • In der roten Biotechnologie wird bereits unter Hochdruck an Krankheiten, Medikamenten oder auch an Gentherapien gearbeitet. Die Medizin der Zukunft wird demnach deutlich personalisierter sein als jemals zuvor.

Die neue Technik findet schon heute eine breite Anwendung in der Grundlagen- und anwendungsbezogenen Forschung, sowie in der Biotechnologie. Die Grenzen des Machbaren haben sich durch die Gen-Schere CRISPR merklich verschoben. Doch noch ist CRISPR nicht perfekt und die Angst vor unvorhersehbaren Folgen für unser Ökosystem bleibt groß. Wir wissen noch wenig, was unterschiedliche Gene überhaupt machen, zudem existieren noch keine aussagekräftigen Langfrist-Studien über die Konsequenzen, die der Einsatz von CRISPR haben könnte.


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Wie so oft, hinkt der Staat durch seine relativ „statische“ Gesetzgebung auch dieser neuen Technologie hinterher; es gibt zahlreiche ethische als auch rechtliche Fragen, die geklärt werden müssen, bevor CRISPR flächendeckend zum Einsatz kommen kann. Darüber hinaus bleibt abzuwarten, wie die FDA (Food and Drug Administration) mit dem neuen Gen-Editing-Verfahren umgehen wird. Sowohl Regierungen als auch Behörden sollten die Anwendungsgebiete schnell abstecken, denn es besteht immer die Gefahr, dass CRISPR wegen der schlechten Nachweisbarkeit ohne Zulassung durch die Hintertür auf den Markt kommt. Außerdem hat jede Medaille immer zwei Seiten, denn niemand kann garantieren, dass diese Technologie nicht in die falschen Hände gerät. Die Welt, so wie wir sie kennen, könnte sich grundlegend verändern und es bleibt die Angst vor unvorhersehbaren Folgen.


Goldgräberstimmung an der Börse

Zahlreiche Biologen geraten ins Schwärmen und die Pharma- bzw. Biotechindustrie wittert Milliardengewinne. Auch an der Börse sorgte die neue Technologie für großes Aufsehen. Fast schon über Nacht wurde völligen Börsenneulingen (Start-Ups) die Expertise und die Mittel großer Pharmakonzerne zur Verfügung gestellt. Nachfolgend stellt GodmodeTrader eine Auswahl interessanter CRISPR-Unternehmen vor.

CRISPR Therapeutics

Im Dezember 2015 kündigte der deutsche Chemie- und Pharmakonzern Bayer aus Leverkusen ein Joint Venture mit CRISPR Therapeutics namens Casebia Therapeutics an. Bayer will in den nächsten fünf Jahren durch sein neues Bayer LifeScience Center 300 Mio. USD investieren. Zusätzliche 35 Mio. USD sollen in eine Minderheitsbeteiligung geflossen sein. Der Großkonzern erhofft sich durch das Genom-Editing neue Behandlungsmethoden für Bluterkrankungen, Erblindung und Herzerkrankungen zu entdecken, entwickeln und zu vermarkten.

Darüber hinaus konnte das Management von CRISPR Therapeutics mit dem US-Biotech-Unternehmen Vertex Pharmaceuticals eine vierjährige strategische Entwicklungs- und Forschungskooperation in Milliardenhöhe einfädeln. Bei klinischen Fortschritten soll CRISPR Therapeutics entsprechende Meilensteinzahlungen erhalten.

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Intellia Therapeutics

Das Start-Up hat sich bereits im November 2014 mit dem Schweizer Pharmakonzern Novartis eine fünfjährige Kooperation gesichert, allerdings wurden keine Zahlen genannt. Novartis hat sich somit weltweit als erster Konzern den Zugriff auf die neue Gen-Schere gesichert. Die Schweizer wollen CRISPR vor allem beim Menschen anwenden, es sollen Immunzellen außerhalb des Körpers mit der CRISPR/Cas9-Technologie gegen Tumore aufgerüstet und dann wieder in den kranken Patienten zurückzugeben werden. Darüber hinaus hat Intellia mit dem US-Biotechunternehmen Regeneron im April 2016 einen Kooperationsvertrag für die kommenden sechs Jahre vereinbart. Zudem fördert der Pharmakonzern AstraZeneca diverse Projekte des Laborverbunds IGI.

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Editas Medicine

Editas Medicine war das erste CRISPR/Cas Start-Up und wurde bereits im November 2013 gegründet. Das Unternehmen möchte mit der neuen Gen-Editiermethode vor allem Medikamente und Therapien gegen genetisch bedingte Erkrankungen wie zum Beispiel Krebs, Netzhauterkrankungen und Sichelzellenanämie entwickeln. Im Mai 2015 konnte Editas mit Juno Therapeutics aus Seattle einen Kooperationsvertrag in Höhe von 25 Mio. USD abschließen. Bei diesem Projekt soll ähnlich wie bei Intellia vor allem an externen Krebstherapien außerhalb des Körpers geforscht werden.

Viele wohlhabende Investoren - unter anderem auch der bekannte Microsoft-Gründer Bill Gates - investierten über 120 Mio. USD in Editas.

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7 Kommentare

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  • Devas
    Devas

    Damit wären Pharmakonzerne auf langfristige Sicht keine gute Investition, oder?

    Abgesehen davon: Ich habe in der Vergangenheit schon mehrere Abhandlungen zu dieser neuen Technologie gelesen und es gibt scheinbar berechtigte Euphorie unter Wissenschaftlern. Und so grandios die Möglichkeiten sind, macht mir das alles auch Angst.

    17:41 Uhr, 02.09.2017
    1 Antwort anzeigen
  • Powerseller61
    Powerseller61

    Erst die Menschen mit dem Industriefleisch krankmachen und dann wieder heilen. Das wird in den Medien genauso wenig groß beleuchtet wie nun die Genmanipulation. Das wird ein böses Ende nehmen. Nur die Big Player werden sich freuen. Schöne Aussichten für die Menschheit.

    10:34 Uhr, 02.09.2017
  • Joey-the-bee
    Joey-the-bee

    Danke für die Berichterstattung! In den Medien scheint dieses Thema unterzugehen obwohl dies vermutlich die gesamte Welt verändern wird.

    21:54 Uhr, 01.09.2017
  • HJürgen
    HJürgen

    @Wissen ... gibt es denn ein "Marilyn Monroe"-Gen ?

    18:16 Uhr, 01.09.2017
  • Heinz.Rabauer
    Heinz.Rabauer

    Wieder mal hervorragend recherchiert und geschrieben! Danke Freddy und Hut ab vor deiner Arbeit!

    16:26 Uhr, 01.09.2017
  • Wissen
    Wissen

    WOW gute Recherche, was sie vergessen haben, aber nicht schlimm, stellen sie sich das mal in der Schönheitsindustire vor. Leider nicht toll... aber es wird Wirkung haben..

    16:22 Uhr, 01.09.2017